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Erstattungsanspruch nach § 64 GmbHG a. F. bei Vorleistung

Die Art und Weise von Leis­tungs­ab­wick­lun­gen kann erheb­li­che Aus­wir­kun­gen für die per­sön­li­che Haf­tung von Geschäfts­lei­tern in der wirt­schaft­li­chen Krise haben. Der BGH hatte sich in sei­nem Urteil vom 27.10.2020 — II ZR 355/18 mit Frage aus­ein­an­der­zu­set­zen, wel­chen Ein­fluss Sicher­hei­ten bei Vor­leis­tun­gen von Ver­trags­part­nern auf den Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a. F. haben.

Sach­ver­halt

Der Klä­ger wurde am 29.6.2012 zum Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der R. GmbH (Schuld­ne­rin) bestellt. Die bei­den Beklag­ten waren Geschäfts­füh­rer der Schuld­ne­rin.
Die Schuld­ne­rin wickel­te zwi­schen dem 1.9.2011 und Ende März 2012 ihren Zah­lungs­ver­kehr über ver­schie­de­ne Kon­ten ab. Bei der V. Bank eG ver­füg­te die Schuld­ne­rin über ein debi­to­risch geführ­tes Konto mit Soll­stän­den zwi­schen 200.000 € und ca. 500.000 €. Für die­ses Konto wur­den erst­ran­gi­ge Grund­schul­den im Umfang von 1,6 Mio. € an den im Eigen­tum der Schuld­ne­rin ste­hen­den Immobilien sowie wei­te­re Sicher­hei­ten an Mas­se­ge­gen­stän­den bestellt. Wei­ter wickel­te die Schuld­ne­rin über zwei kre­di­to­risch geführ­te Kon­ten, eines bei der U Bank AG und eines bei der C Bank AG, ihre Zah­lun­gen ab. Der Klä­ger nimmt die bei­den Beklag­ten auf Erstat­tung von Zah­lun­gen in Anspruch.
Über das Ver­mö­gen des Beklag­ten zu 2 wurde wäh­rend des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Der Beklag­te zu 1 wurde zur Zah­lung von 5.486.834,30 € ver­ur­teilt. Gegen die­ses Urteil legte der Beklag­te Beru­fung ein.
Das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin wurde mit Beschluss vom 12.6.2017 auf­ge­ho­ben, nach­dem ein Insol­venz­plan bestä­tigt wor­den war. Im Insol­venz­plan ist vor­ge­se­hen, dass der Klä­ger auch nach Auf­he­bung des Ver­fah­rens die Ansprü­che im Wege einer Inkass­o­zes­si­on ver­fol­gen kann. Im Insol­venz­plan ist wei­ter vor­ge­se­hen, dass die Ansprü­che gegen die Beklag­ten nicht wei­ter­ver­folgt wer­den soll­ten, sofern sie nicht den von der D & O Versicherung gedeck­ten Betrag betref­fen und soweit über das Ver­mö­gen eines der Beklag­ten nicht inner­halb der nächs­ten zwei Jahre ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net wird bzw. eröff­net ist.
Das Beru­fungs­ge­richt hat nach einer Teil­rück­nah­me das land­ge­richt­li­che Urteil teil­wei­se abge­än­dert und den Beklag­ten zur Zah­lung von 5.178.032,07 € ver­ur­teilt. Mit sei­ner Revi­si­on ver­folgt der Beklag­te das Ziel der Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Haf­tung, aber Zurück­ver­wei­sung

Der BGH hebt das Beru­fungs­ur­teil inso­weit auf, als der Beklag­te zur Erstat­tung von Zah­lun­gen auf das bei der VR Bank eG geführ­te Konto in Höhe von 2.748.663,61 € ver­ur­teilt wurde und soweit der Beklag­te zur Zah­lung von den Kon­ten der C Bank AG und U Bank AG in Höhe von 1.641.253,55 € ver­ur­teilt wurde. Nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen sei ledig­lich eine Ver­ur­tei­lung über 788.114,91 € nach­voll­zieh­bar.
Hier­bei stellt der BGH zunächst klar, dass der Klä­ger pro­zess­be­fugt ist. Die For­de­run­gen seien an den Klä­ger abge­tre­ten wor­den. Als For­de­rungs­in­ha­ber sei der Klä­ger daher pro­zess­füh­rungs­be­fugt. Es han­de­le sich um eine Inkass­o­zes­si­on und nicht um eine bloße Ein­zie­hungs­er­mäch­ti­gung. Dies erge­be sich, so der BGH, aus dem Insol­venz­plan. Der Klä­ger sei nach Auf­he­bung des Insol­venz­ver­fah­rens in den bereits vor dem Beru­fungs­ge­richt anhän­gi­gen Rechts­streit ein­ge­tre­ten. Zwar falle mit der Insol­venz­auf­he­bung die Verwaltungs- und Ver­fü­gungs­be­fug­nis und damit auch die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis eines Insol­venz­ver­wal­ters weg und die Ver­wal­tungs­be­fug­nis der Schuld­ne­rin lebe wie­der auf, aber dies gelte nicht für Gegen­stän­de, die nicht mehr der Schuld­ne­rin gehö­ren, weil sie durch wirk­sa­me Ver­fü­gung aus dem Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin aus­ge­schie­den sind.
Der Klä­ger habe auch ein Rechts­schutz­be­dürf­nis, da zwar der Insol­venz­plan vor­se­he, die Ansprü­che gegen die Geschäfts­füh­rer jeden­falls inso­weit nicht wei­ter zu ver­fol­gen sind, als der D & O Ver­si­che­rer die Deckung über­nimmt. Ob und inwie­weit vor­lie­gend der D & O Ver­si­che­rer Deckung zu gewäh­ren hat, sei aber offen.
Die Ver­ur­tei­lung des Beklag­ten zum Aus­gleich von Zah­lun­gen an die V. Bank eG in Höhe von 2.498.663,61 € sei beim bis­he­ri­gen Stand des Ver­fah­rens nicht gerecht­fer­tigt. Zwar stel­le der Ein­zug auf ein debi­to­ri­sches Bank­kon­to eine Zah­lung an die Bank und damit einen Gläu­bi­ger dar, denn es komme zu einer Ver­rech­nung des Zah­lungs­ein­gangs mit den Ver­bind­lich­kei­ten, aber vor­lie­gend habe das Beru­fungs­ge­richt miss­ach­tet, dass durch die Zah­lung die von der Schuld­ne­rin an die V. Bank eG gege­be­ne Sicher­heit frei­ge­wor­den ist. Es liege wirt­schaft­lich betrach­tet ledig­lich ein Aktiv­tausch vor. Die frei­wer­den­de Sicher­heit könne durch den Insol­venz­ver­wal­ter zuguns­ten der Insol­venz­mas­se ver­wer­tet wer­den. Uner­heb­lich sei dabei, ob der Gegen­stand, der zuge­flos­sen sei, auch noch bei Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens vor­han­den sei. Die Ersatz­pflicht des Organs für Zah­lun­gen nach Insol­venz­rei­fe nach § 64 Satz 1 GmbHG ent­fal­le bereits, soweit die durch die Zah­lung ver­ur­sach­te Schmä­le­rung der Masse in einem unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit ihr aus­ge­gli­chen werde.
Zurück­zu­wei­sen sei der Rechts­streit inso­weit bereits, weil zwar Fest­stel­lun­gen zu den Zah­lun­gen der Schuld­ne­rin von dem besi­cher­ten debi­to­ri­schen Konto bei der V. Bank eG getrof­fen wur­den, auf diese Zah­lun­gen habe der Klä­ger jedoch seine For­de­run­gen bis­her nicht gestützt, sodass über sie nicht ent­schie­den wer­den könne. Dem Klä­ger sei viel­mehr Gele­gen­heit zu geben, dies nach­zu­ho­len.
Auch die Zah­lun­gen von den kre­di­to­ri­schen Kon­ten bei der C Bank AG und U Bank AG bedür­fen nach Ansicht des BGHs wei­te­rer Auf­klä­rung. Es könne ein Aktiv­tausch auch hier auf­grund des Eigen­tums­vor­be­halts nicht aus­ge­schlos­sen wer­den.
Zunächst bestä­tigt der BGH seine Bewer­tung, nach der Zah­lun­gen nach Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe nicht durch Vor­leis­tun­gen des Zah­lungs­emp­fän­gers kom­pen­siert wer­den. Eine sol­che Kom­pen­sa­ti­on würde dem Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG wider­spre­chen. Nach die­sem solle ein Ver­mö­gens­ab­fluss mit Auf­tre­ten der Insol­venz­la­ge ver­mie­den wer­den. Bei einer Vor­aus­zah­lung der Schuld­ne­rin sei dies anders, da durch die nach­träg­li­che Leis­tung des Drit­ten eine Kom­pen­sa­ti­on erfol­ge. Sol­che Vor­gän­ge wür­den wirt­schaft­lich der spä­te­ren Ersatz­leis­tung des Geschäfts­füh­rers ent­spre­chen. Eine abwei­chen­de Bewer­tung sei jedoch dann vor­zu­neh­men, wenn ein Eigen­tums­vor­be­halt ver­ein­bart sei. Die Schuld­ne­rin erhal­te regel­mä­ßig erst dann das (Voll-)Eigentum, wenn sie nach Lie­fe­rung auch tat­säch­lich zahle. Erst dann ent­fal­le das Aus­son­de­rungs­recht des Vor­be­halts­ver­käu­fers. Not­wen­dig sei in sol­chen Fäl­len aber die Wert­hal­tig­keit des Gegen­stands, damit er ver­wer­tet wer­den kann. Hier­zu habe das Beru­fungs­ge­richt noch Fest­stel­lun­gen vor­zu­neh­men.
Dem Beru­fungs­ge­richt folgt der BGH, soweit dem Beklag­ten ein Ver­schul­den vor­zu­wer­fen sei. Dem Beklag­ten sei es nicht gelun­gen, die inso­weit bestehen­de Ver­schul­dens­ver­mu­tung zu besei­ti­gen. Bei Anzei­chen einer Krise habe der Geschäfts­lei­ter sich durch Auf­stel­lung eines Ver­mö­gens­sta­tus einen Über­blick über den Ver­mö­gens­stand zu ver­schaf­fen. Hier­zu habe der Beklag­te nicht aus­rei­chend vor­ge­tra­gen. Die stän­di­ge Betreu­ung durch eine Steu­er­be­ra­tungs­kanz­lei rei­che hier­zu eben­so wenig aus, wie der Umstand, der Steu­er­be­ra­ter habe stets Zugriff auf sämt­li­che die Liqui­di­tät des Unter­neh­mens betref­fen­den Unter­la­gen gehabt. Eine Behaup­tung, der Steu­er­be­ra­ter haben einen Auf­trag zur Prü­fung der Liqui­di­täts­la­ge und Insol­venz­rei­fe gehabt, sei damit nicht ver­bun­den.

Recht­li­che Wür­di­gung

Mit sei­nem Urteil setzt der BGH seine bis­he­ri­ge Recht­spre­chung fort. Wei­ter­hin sind Leis­tun­gen an Gläu­bi­ger nur dann berech­tigt, wenn mit der Zah­lung erst ein Ver­mö­gens­zu­fluss bewirkt wird. In jedem Fall muss ver­mie­den wer­den, dass auf einen bereits voll­zo­ge­nen Ver­mö­gens­zu­fluss geleis­tet wird. Es muss immer die Ver­mö­gens­si­tua­ti­on der zukünf­ti­gen Insol­venz­mas­se im Auge behal­ten wer­den.

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