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Umsatzsteuer für Tätigkeit im Insolvenzverfahren

Die umsatz­steu­er­li­che Behand­lung der ohne Wis­sen und Wol­len des Insol­venz­ver­wal­ters vor­ge­nom­me­nen Tätig­keit eines Schuld­ners war Gegen­stand des BFH-Urteils vom 6.6.2019 — VR 51/17.

Sach­ver­halt

Der frü­he­re Steu­er­be­ra­ter E (Schuld­ner) führ­te seine Kanz­lei als E‑KG. 2012 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen des Schuld­ners eröff­net und der Klä­ger zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Steu­er­be­ra­ter P wurde als Ver­tre­ter für die Kanz­lei bestellt. Es folg­te eine Umsatz­steu­er­son­der­prü­fung des FA in B., wel­ches anders als das für Steu­er­straf­sa­chen und Steu­er­fahn­dung zustän­di­ge FA in D. die steu­er­pflich­ti­gen Umsät­ze dem Schuld­ner als Ein­zel­un­ter­neh­mer zuwies, da der Geschäfts­be­trieb der KG ein­ge­stellt gewe­sen sei. Man­gels Umsät­ze im Jahr 2012 gaben weder der Klä­ger, noch P eine Umsatz­steu­er­erklä­rung ab. Eine Frei­ga­be von Ver­mö­gen nach § 35 Abs. 2 InsO erklär­te der Klä­ger eben­falls nicht. Man­gels Umsatz­steu­er­vor­anmel­dung für die Umsatz­steu­er 2012 schätz­te das FA in B. die Umsatz­steu­er und mel­de­te sie als Mas­se­ver­bind­lich­keit an. Der Ein­spruch des Klä­gers blieb erfolg­los. Das FG gab der Klage statt.

Ent­schei­dung des BFH: Keine Mas­se­ver­bind­lich­keit

Der BFH bestä­tigt das FG. Die Umsatz­steu­er 2012 sei keine Mas­se­ver­bind­lich­keit. Für diese Bewer­tung komme es nicht dar­auf an, ob umsatz­steu­er­recht­li­che Leis­tun­gen des Schuld­ners oder der KG vor­lie­gen wür­den. In bei­den Fäl­len würde eine Mas­se­ver­bind­lich­keit näm­lich nicht ent­ste­hen. Müss­te man die Umsatz­steu­er der KG zurech­nen, könne sich schon keine Ver­bind­lich­keit der Insol­venz­mas­se erge­ben. Wären im vor­lie­gen­den Fall die Umsät­ze dem Schuld­ner zuzu­rech­nen, lägen eben­falls die Vor­aus­set­zun­gen für Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten nicht vor, da eine Steu­er­fest­set­zung gegen­über der Insol­venz­mas­se nicht mög­lich sei.

Es fehle vor­lie­gend an einer Hand­lung des Insol­venz­ver­wal­ters nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Eben­so sei keine in ande­rer Weise durch die Ver­wal­tung, Ver­wer­tung und Ver­tei­lung der Insol­venz­mas­se begrün­de­te Steu­er­pflicht begrün­det wor­den. Selbst dann, wenn man die geschätz­ten Umsät­ze als steu­er­pflich­ti­ge Ein­künf­te des Schuld­ners anse­hen würde, hätte der Schuld­ner inso­fern ohne Wis­sen und Zutun des Insol­venz­ver­wal­ters seine Tätig­keit aus­ge­übt. Auch seien die Erträ­ge nicht zur Masse gelangt, sodass ein Steu­er­an­spruch als Mas­se­ver­bind­lich­keit nicht ent­stan­den sein könne.

Auch wenn die maß­geb­li­che Recht­spre­chung bis­her zur Ein­kom­men­steu­er ergan­gen sei, lasse sich diese auf die Behand­lung der Umsatz­steu­er über­tra­gen. Auch § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO wider­spre­che dem nicht. Diese Norm zwin­ge den Insol­venz­ver­wal­ter zu einer Ent­schei­dung, ob Ver­mö­gen aus selb­stän­di­ger Tätig­keit zur Insol­venz­mas­se gehö­re oder nicht. Würde der Insol­venz­ver­wal­ter in einem sol­chen Fall keine Ent­schei­dung tref­fen, aber die Tätig­keit des Schuld­ners dul­den, könne dies Ansprü­che gegen die Insol­venz­mas­se bewir­ken. Eine sol­che Erklä­rung könne der Insol­venz­ver­wal­ter aber nur dann abge­ben, wenn er Kennt­nis über die selb­stän­di­ge Tätig­keit des Schuld­ners habe. Übe der Insol­venz­schuld­ner ohne Kennt­nis des Insol­venz­ver­wal­ters eine Tätig­keit aus, so würde er ledig­lich Neu­ver­bind­lich­kei­ten des Schuld­ners selbst begrün­den. Es gebe kei­nen Auto­ma­tis­mus, nach­dem aus selb­stän­di­ger Tätig­keit begrün­de­te Steu­er­for­de­run­gen bis zur Frei­ga­be durch den Insol­venz­ver­wal­ter als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten ent­stün­den. Man könne eine unter­las­se­ne Erklä­rung des Insol­venz­ver­wal­ters auch nicht mit einer kon­klu­den­ten Zustim­mung ver­glei­chen. Im vor­lie­gen­den Falle habe der Klä­ger Auf­klä­rungs­maß­nah­men ergrif­fen, aber keine Kennt­nis­se über umsatz­steu­er­lich rele­van­te Ver­hal­ten des Schuld­ners fest­stel­len kön­nen. Ihm sei somit keine Pflicht­ver­let­zung zuzu­rech­nen, die nach § 35 Abs. 2 InsO zu behan­deln sei. Die reine gesell­schafts­recht­li­che Betei­li­gung des E an der E‑KG rei­che nicht aus, um die Wir­kung des § 35 Abs. 2 InsO aus­zu­lö­sen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Insol­venz­ver­wal­ter begrün­den nur dann Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, wenn sie das Ver­hal­ten des Schuld­ners bil­li­gen oder das Ver­hal­ten des Schuld­ners für den Insol­venz­ver­wal­ter zumin­dest erkenn­bar ist. Die Unkennt­nis des Insol­venz­ver­wal­ters und feh­len­de Erkenn­bar­keit des Ver­hal­tens des Schuld­ners führt nicht dazu, dass eine steu­er­lich rele­van­te Ver­hal­tens­wei­se des Schuld­ners zu Las­ten der Insol­venz­mas­se geht. Dies, so der BFH rich­ti­ger­wei­se, gilt für die Einkommenssteuer- als auch die Umsatz­steu­er glei­cher­ma­ßen.

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