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Steuerliche Behandlung von Einnahmen aus Personengesellschaftsbeteiligungen

Der BFH muss­te in sei­nem Urteil vom 10.07.2019 — X R 31/16 ent­schei­den, wie die Ein­nah­men eines Insol­venz­schuld­ners aus einer Betei­li­gung an einer Per­so­nen­ge­sell­schaft steu­er­lich zu behan­deln sind, wenn der Insol­venz­ver­wal­ter diese Betei­li­gung nicht aus der Insol­venz­mas­se frei­ge­ge­ben hat.

Sach­ver­halt

B (Schuld­ner) war bis Ende 2009 Geschäfts­füh­rer der von ihm selbst im Jahr 2001 gegrün­de­ten B‑KG. Kom­man­di­tis­ten der B‑KG waren zwar die Ehe­frau, als auch die Kin­der des Schuld­ners, sie hiel­ten jedoch ihre Antei­le ledig­lich treu­hän­de­risch für den Schuld­ner. Nach dem Tod des ursprüng­li­chen, in 2003 über das Ver­mö­gen des Schuld­ners bestell­ten, Insol­venz­ver­wal­ters wurde der Klä­ger 2009 zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Im März 2010 wur­den die Treu­hand­ver­trä­ge dem Klä­ger bekannt. Nach­dem das zustän­di­ge FA eine Betriebs­prü­fung vor­ge­nom­men hatte, erließ die­ses Fest­stel­lungs­be­schei­de und rech­ne­te die auf die Kom­man­di­tis­ten ent­fal­len­den Ein­künf­te dem Schuld­ner als Ein­nah­men aus Gewer­be­trieb zu. Der Klä­ger erhob gegen die Fest­stel­lungs­be­schei­de 2010 Klage. Das FG wies die Klage rechts­kräf­tig ab.
In der Folge erließ das FA den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2010 und erfass­te dabei die Ein­künf­te aus den Gesell­schafts­be­tei­li­gun­gen sowie Ein­künf­te aus Geschäfts­füh­rer­tä­tig­kei­ten des Schuld­ners. Zugleich setz­te die Beklag­te (FA) die anfal­len­de Ein­kom­men­steu­er als Mas­se­ver­bind­lich­keit fest, d. h. der Bescheid erging gegen den Klä­ger. Der Ein­spruch des Klä­gers hier­ge­gen blieb erfolg­los, der von dem Klä­ger erho­be­nen Klage gab das FG statt. Das FA ver­folgt mit sei­ner Revi­si­on zum BFH das Ziel einer Fest­set­zung zulas­ten der Insol­venz­mas­se fort.

1.2 Ent­schei­dung BFH: Fest­set­zung gegen Insol­venz­mas­se

Nach Ansicht des BFH han­delt es sich bei der fest­ge­setz­ten Ein­kom­mens­steu­er um eine Mas­se­ver­bind­lich­keit. Die Fest­stel­lungs­be­schei­de 2010 seien als Grund­la­gen­be­schei­de nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO anzu­se­hen und wür­den für die fest­zu­sen­de Ein­kom­mens­steu­er 2010 Bin­dungs­wir­kung ent­fal­ten.
Auch wenn damit noch keine Ent­schei­dung dazu getrof­fen wor­den sei, dass es sich bei der Ein­kom­mens­steu­er 2010 um eine Mas­se­ver­bind­lich­keit nach § 55 InsO han­deln würde, so habe das FA doch im vor­lie­gen­den Fall zu Recht eine Mas­se­ver­bind­lich­keit und nicht eine Insol­venz­for­de­rung ange­nom­men. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei eine Mas­se­ver­bind­lich­keit gege­ben, da sie „in ande­rer Weise durch die Ver­wal­tung der Insol­venz­mas­se“ begrün­det wor­den sei. Ursa­che der Ein­kom­mens­steu­er seien Ein­nah­men aus einer Betei­li­gung an einer Per­so­nen­ge­sell­schaft gewe­sen. Die Betei­li­gung selbst sei wie­der­um Teil der Insol­venz­mas­se gewe­sen. Soweit ein Insol­venz­ver­wal­ter in Kennt­nis, dass eine Betei­li­gung des Schuld­ners an einer Per­so­nen­ge­sell­schaft bestehe, diese nicht frei­ge­be, son­dern in der Insol­venz­mas­se behal­te, müsse der Ver­wal­ter auch mit den steu­er­li­chen Fol­gen zulas­ten der Insol­venz­mas­se leben, die aus der Betei­li­gung ent­ste­hen.
Die Ein­kom­mens­steu­er sei nach Insol­venz­ver­fah­rens­er­öff­nung tat­be­stand­lich ver­wirk­licht und die For­de­rung des FA somit im Ver­fah­ren insol­venz­recht­lich begrün­det wor­den. Es komme dabei auch nicht dar­auf an, ob tat­säch­lich etwas an die Insol­venz­mas­se geflos­sen sei. Ent­schei­dend sei aus­schließ­lich, dass der Schuld­ner den Gewinn grund­sätz­lich nicht selbst ver­ein­nah­men dürfe, son­dern die­ser der Insol­venz­mas­se (poten­ti­ell) zuflie­ße. Der Klä­ger sei berech­tigt gewe­sen, die poten­ti­el­len Gewin­ne ein­zu­zie­hen. Er könne nicht den Insol­venz­schuld­ner mit einer Ein­kom­mens­steu­er belas­ten, wenn ihm das Recht auf Ein­zie­hung der Gewin­ne zuste­he. Es sei dem Insol­venz­ver­wal­ter ver­wehrt, einen Schwe­be­zu­stand auf­recht­zu­er­hal­ten, bei dem er weder die Frei­ga­be erklä­re, noch ande­re Ver­wal­tungs­hand­lun­gen aus­drück­lich vor­neh­me.
Eine ande­re Bewer­tung erge­be sich aus der blo­ßen Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens nicht. Die Eröff­nung habe vor­lie­gend kei­nen Ein­fluss auf die Gesell­schaf­ter­po­si­ti­on gehabt, da der Schuld­ner nicht direkt an der Gesell­schaft betei­ligt gewe­sen sei und somit die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens keine Aus­wir­kun­gen auf den Bestand der Gesell­schaft hatte haben kön­nen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Der BFH bestä­tigt seine bis­he­ri­ge Recht­spre­chung, nach der es aus­rei­chend ist, dass eine gesell­schafts­recht­li­che Betei­li­gung des Schuld­ners, die zur Insol­venz­mas­se gehört, zu steu­er­li­chen Belas­tun­gen für die Insol­venz­mas­se füh­ren kann. Dies bedeu­tet in der Pra­xis für den Insol­venz­ver­wal­ter, dass er eine in der Insol­venz­mas­se befind­li­che Gesell­schafts­be­tei­li­gung nicht unge­re­gelt las­sen kann, son­dern abwä­gen muss, ob die aus der Betei­li­gung tat­säch­lich der Insol­venz­mas­se zuflie­ßen­den Gewinn­an­tei­le die steu­er­li­chen Belas­tun­gen über­stei­gen und damit ein wirt­schaft­li­cher Mehr­wert für die Insol­venz­mas­se ent­steht.

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