Krise, Sanierung und InsolvenzKrise, Sanierung und InsolvenzSteuern und AbgabenSteuern und Abgaben

Haftung des Steuerberaters bei Insolvenzgefahr

In der Pra­xis häu­fen sich die Fälle, dass der Insol­venz­ver­wal­ter ver­sucht, den Steu­er­be­ra­ter in Haf­tung zu neh­men, weil die­ser nicht tätig gewor­den sei, wie­wohl eine Krise/Insolvenzgefahr offen­kun­dig war. Über einen sol­chen Fall und die Anfor­de­run­gen hier­bei hatte das OLG Schles­wig in sei­nem Urteil vom 29.11.2019 – 17 U 80/19 zu befin­den.

Sach­ver­halt

Der Klä­ger macht als Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der X GmbH (fort­an Schuld­ne­rin) gegen die Beklag­te, eine Steu­er­be­ra­te­rin, Ansprü­che wegen Insol­venz­an­fech­tung und Steu­er­be­ra­ter­haf­tung gel­tend. Über das Ver­mö­gen der 2008 gegrün­de­ten Schuld­ne­rin wurde mit Beschluss vom 10.3.2014 das Insol­venz­ver­fah­ren vor dem Amts­ge­richt Ham­burg eröff­net und der Klä­ger zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Die Eröff­nung erfolg­te auf­grund eines Eigen­an­trags der Schuld­ne­rin vom 6.2.2014. Die Beklag­te erbrach­te im Rah­men eines Dau­er­man­da­tes seit dem Geschäfts­jahr 2008 Steuerberatungs- und Buch­füh­rungs­leis­tun­gen für die Schuld­ne­rin. Das Man­dat umfass­te neben der voll­stän­di­gen Finanz­buch­hal­tung und Erstel­lung von Steu­er­erklä­run­gen auch die Erstel­lung von Jah­res­ab­schlüs­sen. Der Klä­ger ver­langt mit sei­nem Zah­lungs­an­trag die Rück­zah­lung von Beträ­gen, die die Beklag­te im Zeit­raum 23.6.2009 bis 17.08.2011 an ent­spre­chen­dem Hono­ra­ren von der Schuld­ne­rin erhal­ten hat, ins­ge­samt 5.780,26 €. Die Schuld­ne­rin war jeden­falls seit dem 31.12.2009 bilan­zi­ell über­schul­det und wies im Jah­res­ab­schluss für 2009 einen nicht durch Eigen­ka­pi­tal gedeck­ten Fehl­be­trag aus. Die­ser erhöh­te sich für das Jahr 2010 in der ent­spre­chen­den Bilanz erneut. In dem erstell­ten Jah­res­ab­schluss für das Jahr 2011 wurde ein Fehl­be­trag in Höhe von 240.950,23 € aus­ge­wie­sen, die Schuld­ne­rin ver­füg­te nicht über stil­le Reser­ven. Im Jahr 2010 erteilt die Y GmbH der Schuld­ne­rin eine Zusa­ge für eine Betei­li­gung in Höhe von 100.000,00 € in Form einer typi­schen stil­len Betei­li­gung und zahl­te diese Summe der Schuld­ne­rin auch aus.

Für die Geschäfts­jah­re 2009, 2010 und 2011 erteil­te die beklag­te Steu­er­be­ra­te­rin jeweils einen wort­glei­chen Hin­weis, wonach eine buch­mä­ßi­ge Über­schul­dung vor­lie­ge, diese nicht besei­tigt sei und stil­le Reser­ven nicht bestün­den und die Gesell­schaft daher auch tat­säch­lich über­schul­det sei. Es wurde wei­ter dar­auf hin­ge­wie­sen, dass daher die Ver­pflich­tung zur Eröff­nung des Kon­kurs­ver­fah­rens bestün­de. Der dama­li­ge Geschäfts­füh­rer der Schuld­ne­rin stell­te der Beklag­ten zu einem nicht mehr nach­voll­zieh­ba­ren Zeit­punkt eine Road­map vom 6.11.2011 sowie einen Busi­ness­plan zur Ver­fü­gung, die die Unter­neh­mens­stra­te­gie der Schuld­ne­rin ver­deut­li­chen soll­te. Die Beklag­te erstell­te wei­ter­hin bis zum Jah­res­ab­schluss für 2011 die Buch­füh­rung. Hin­sicht­lich der Bezah­lung wurde sie vom Geschäfts­füh­rer der Schuld­ne­rin ver­trös­tet. Der Klä­ger hat Rück­ge­währ der erhal­te­nen Hono­rar­zah­lun­gen in o.g. Höhe im Wege der Insol­venz­an­fech­tung ver­langt sowie bean­tragt fest­zu­stel­len, dass die Beklag­te ver­pflich­tet ist, sämt­li­che Schä­den die durch eine ver­schlepp­te Insol­venz­an­trags­stel­lung ent­stan­den sind, nebst Zin­sen zu erset­zen. Das Land­ge­richt hat der Insol­venz­an­fech­tungs­an­spruch teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Die Fest­stel­lung auf Steu­er­be­ra­tungs­haf­tung wurde abge­wie­sen. Hier­ge­gen rich­tet sich die Beru­fung des Klä­gers.

Ent­schei­dung des OLG: Keine Steu­er­be­ra­ter­haf­tung

Das OLG führt zunächst näher aus, dass hin­sicht­lich eines Teil­be­trags die Insol­venz­an­fech­tung nicht durch­grei­fe, weil die dro­hen­de Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Beklag­ten nicht hin­rei­chend bekannt war. Die blo­ßen nega­ti­ven Zah­len in der BWA seien hier­für nicht aus­rei­chend gewe­sen, ins­be­son­de­re, weil sich das Unter­neh­men noch in der Start­pha­se befun­den habe.

Auch dem Fest­stel­lungs­an­trag hin­sicht­lich einer Scha­dens­er­satz­pflicht aus Steu­er­be­ra­ter­haf­tung könne nicht ent­spro­chen wer­den. Der Senat hält einen der­ar­ti­gen Fest­stel­lungs­an­trag der­zeit zwar für zuläs­sig, da eine abschlie­ßen­de Bezif­fe­rung des zu ermit­teln­den Scha­dens vor Abschluss des Insol­venz­ver­fah­rens nur der Dimen­si­on nach, nicht aber der kon­kre­ten Höhe nach mög­lich sei. Die Klage sei inso­weit aber unbe­grün­det. Ein Steu­er­be­ra­ter sei außer­halb eines sich gera­de hier­auf erstre­cken­den Man­da­tes nicht von sich aus zur Erstel­lung einer Fort­füh­rungs­pro­gno­se und ins­be­son­de­re auch nicht zur Auf­stel­lung einer unter Umstän­den kos­ten­auf­wän­di­gen Über­schul­dungs­bi­lanz ver­pflich­tet, wohl aber zum Hin­weis auf eine dro­hen­de Insol­venz­ge­fahr und zur Erfor­der­lich­keit ent­spre­chend nähe­rer Prü­fun­gen. Dies ent­sprä­che auch der Recht­spre­chung des BGH. Die­ser habe in einer neue­ren Ent­schei­dung auch betont, dass ein ledig­lich abs­trak­ter Hin­weis nicht genü­ge, son­dern es erfor­der­lich sei, dass der Steu­er­be­ra­ter die maß­geb­li­chen Umstän­de im Ein­zel­nen bezeich­ne und kon­kret dar­auf hin­wei­se, dass diese Umstän­de Anlass zur Prü­fung einer mög­li­chen Insol­venz­rei­fe geben wür­den. Die­ser Auf­fas­sung folge der Senat. Es ver­blei­be im Übri­gen dabei, dass der Steu­er­be­ra­ter nicht ver­pflich­tet sei von sich aus eine Über­schul­dungs­prü­fung vor­zu­neh­men, auch nicht von sich aus kon­ti­nu­ier­lich die Zah­lungs­un­fä­hig­keit über­prü­fen müsse, weil bei­des ori­gi­nä­re Auf­ga­ben des Geschäfts­füh­rers selbst seien. Des­sen unge­ach­tet könne, so auch der BGH, der bilanz­er­stel­len­de Steu­er­be­ra­ter auch bei Erstel­lung der Han­dels­bi­lanz nicht unge­prüft Fort­füh­rungs­wer­te zugrun­de legen, wenn zumin­dest ernst­haf­te Zwei­fel an der Ansetz­bar­keit von Fort­füh­rungs­wer­ten bestün­de. Ande­res gelte nur, wenn der Steu­er­be­ra­ter zuvor mit sei­nem Man­dan­ten abge­klärt habe, ob ent­we­der tat­säch­lich von einer posi­ti­ven Pro­gno­se aus­zu­ge­hen sei oder er jeden­falls nach Wei­sung der Gesell­schaft von Fort­füh­rungs­wer­ten aus­zu­ge­hen habe.

Im Ergeb­nis könne der Klä­ger aus die­sen Anfor­de­run­gen nichts im Sinne sei­nes Fest­stel­lungs­be­geh­rens her­lei­ten. Die Warn- und Hin­weis­pflicht sei erfüllt, die ent­spre­chen­den Aus­füh­run­gen seien deut­lich und zurei­chend, die ver­al­te­te Ter­mi­no­lo­gie „Kon­kurs­ver­fah­ren“ anstatt Insol­venz­ver­fah­ren sei unschäd­lich. Über­dies könne der Anhö­rung der Beklag­ten auch zusätz­lich ent­nom­men wer­den, dass sie über diese Fra­ge­stel­lung mit dem Zeu­gen Z. gespro­chen habe, wobei sie den Ein­druck gewon­nen hätte, dass die­ser von sei­nen unter­neh­me­ri­schen Plä­nen beseelt wei­ter­ma­chen wolle und auch hier­für kon­kre­te Pla­nun­gen gehabt habe. Trotz bilan­zi­el­ler Über­schul­dung sei die Beklag­te daher sowohl vom Fort­füh­rungs­wil­len als auch von der Fort­füh­rungs­pro­gno­se aus­ge­gan­gen. Dies erschei­ne zunächst auch noch plau­si­bel, ins­be­son­de­re, weil ein Inves­tor sich betei­li­gen woll­te. Im Fol­gen­den sei dies zwar nicht mehr so ein­deu­tig, der Steu­er­be­ra­ter über­neh­me aber unter dem Aspekt der von ihnen zu beach­ten­den Warn­hin­weis­pflich­ten nicht die Ver­ant­wor­tung dafür, dass der Man­dant sich auch ent­spre­chend ver­hal­te. Es sei auch nicht ein­gän­gig aus der spä­te­ren Tätig­keit, nach ent­spre­chen­den Warn­schrei­ben zu schlie­ßen, dass die Warn­hin­wei­se kon­ter­ka­riert wären. Zwar möge der ein oder ande­re Man­dant tat­säch­lich eine wei­te­re Tätig­keit dahin deu­ten, dass die Lage doch nicht so hoff­nungs­los sei. Hier sei aber die Auto­no­mie­fä­hig­keit und Hand­lungs­fä­hig­keit eines durch­schnitt­li­chen Man­dan­ten anzu­neh­men, der Steu­er­be­ra­ter sei nicht „Lebens­be­ra­ter“
sei­nes Man­dan­ten. Ande­ren­falls hätte dies zur Kon­se­quenz, dass der Steu­er­be­ra­ter in einer Krise bei einem bestimm­ten Grad fak­tisch ein Tätig­keits­ver­bot tref­fen würde, dies sei mit Art. 12 GG nicht zu ver­ein­ba­ren. Der Steu­er­be­ra­ter könne aus wohl­ver­stan­de­nem Eigen­in­ter­es­se in einer sol­chen Situa­ti­on das Man­dat kün­di­gen, müsse dies aber nicht. Davon zu tren­nen sei die Frage, wie lange die Beklag­te vor­lie­gend auch nach Fort­füh­rungs­wer­ten hätte bilan­zie­ren dür­fen. Es seien aber weder die mög­li­chen Nach­er­stel­lungs­kos­ten für eine nach Liqui­da­ti­ons­wer­ten zur erstell­ten Bilanz für 2011 Streit­ge­gen­stand, noch habe dies Aus­wir­kun­gen auf die Hin­weis­pflicht, da der Mehr­wert ledig­lich im Aus­weis einer quan­ti­ta­tiv noch grö­ße­ren Über­schul­dung bestan­den hätte. Die Ver­pflich­tung zur Insol­venz­an­trags­stel­lung wäre hier­durch aber keine ande­re gewor­den. Dar­über hin­aus sei auch die Kau­sa­li­tät frag­lich, ins­be­son­de­re, ob der Zeuge Z. auch auf noch deut­li­cher War­nung etc. mit einer früh­zei­ti­gen Stel­lung eines Insol­venz­an­trags reagiert hätte. Hier­aus erge­be sich keine Ver­ant­wor­tung des Steu­er­be­ra­ters für die­ses Eigen­ver­hal­ten des Man­dan­ten.

Recht­li­che Wür­di­gung

Zu Recht ver­langt das OLG eine unmiss­ver­ständ­li­che Warn- und Hin­weis­pflicht bei Insol­venz­ge­fahr. Gut ver­tret­bar ist es, dar­über hin­aus anzu­neh­men, dass kein Tätig­keits­ver­bot für den Steu­er­be­ra­ter besteht, wobei die Frage der Rich­tig­keit der Bilanzerst­tel­lung nach Fort­füh­rungs­wer­ten vor­lie­gend man­gels Streit­ge­gen­stand nicht ent­schie­den wer­den muss­te.

 

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