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Eröffnungsantrag bei Firmenbestattung

Immer wie­der wird in der Pra­xis ver­sucht, die Haf­tung und Inan­spruch­nah­me der frü­he­ren Ver­ant­wort­li­chen durch einen Ver­kauf der Geschäfts­an­tei­le einer in der Krise befind­li­chen Gesell­schaft kom­bi­niert mit dem Aus­tausch des Geschäfts­füh­rers zu ver­hin­dern. Viel­fach sind dann auch Geschäfts­un­ter­la­gen nicht mehr auf­find­bar und der neue Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer ist nicht mehr greif­bar oder nicht sol­vent. Wie in sol­chen Kon­stel­la­tio­nen ein Eröff­nungs­an­trag zu bewer­ten ist, war Gegen­stand eines Beschlus­ses des BGH vom 7.5.2020 — IX ZB 84/19.

Sach­ver­halt

Die Antrag­stel­le­rin (Astin.) ist eine am 5.6.2015 gegrün­de­te GmbH, Geschäfts­füh­rer und allei­ni­ger Gesell­schaf­ter war H. Durch Gesell­schaf­ter­be­schluss vom 19.9.2017 wurde N. zum Geschäfts­füh­rer bestellt. Die­ser ist mehr­fach im Schuld­ner­ver­zeich­nis des für ihn zustän­di­gen Voll­stre­ckungs­ge­richts ein­ge­tra­gen, Geschäfts­un­ter­la­gen wur­den ihm anga­be­ge­mäß nicht über­ge­ben. Am 1.10.2017 wurde das von der Astin. betrie­be­ne Gewer­be abge­mel­det. Mit Ver­trag vom 5.10.2017 wur­den die Geschäfts­an­tei­le an die in Groß­bri­tan­ni­en gegrün­de­te I‑Ltd. ver­äu­ßert. Direk­tor die­ser Gesell­schaft ist Z., der in der Kanz­lei des vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­ten der Schuld­ne­rin als Kanz­lei­ma­na­ger und Insol­venz­sach­be­ar­bei­ter fun­giert. Nach Anga­ben des zuerst bestell­ten Geschäfts­füh­rers H. wur­den die Geschäfts­un­ter­la­gen ver­nich­tet. Am 5.2.2018 bean­trag­te N. die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen der Astin. Nach der von ihm unter­zeich­ne­ten Ver­mö­gens­aus­kunft ver­füg­te diese nicht über Grund­ver­mö­gen, sons­ti­ge Ver­mö­gens­wer­te seien nicht bekannt. Das Insol­venz­ge­richt hat den Antrag als unzu­läs­sig abge­wie­sen, die sofor­ti­ge Beschwer­de ist erfolg­los geblie­ben. Mit ihrer vom Beschwer­de­ge­richt zuge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de begehrt die Astin. wei­ter­hin die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens.

Ent­schei­dung des BGH: Unzu­läs­sig­keit des Antrags

Der BGH hält den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen der Astin. wegen Feh­len eines recht­lich geschütz­ten Inter­es­ses für unzu­läs­sig. Der Eröff­nungs­an­trag eines Schuld­ners müsse ernst­haft auf die Eröff­nung eines Insol­venz­ver­fah­rens gerich­tet sein und dürfe kei­nen sach­frem­den Zwe­cken die­nen. Maß­stab seien die in § 1 genann­ten Ver­fah­rens­zie­le, ins­be­son­de­re die gemein­schaft­li­che Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger durch Ver­wer­tung des Ver­mö­gens des Schuld­ners und Ver­tei­lung des Erlö­ses oder eine abwei­chen­de Rege­lung in einem Insol­venz­plan, die zum Erhalt des Unter­neh­mens führe. An die­sen Ver­fah­rens­zie­len müsse sich jeder Insol­venz­an­trag mes­sen las­sen.
Das Recht­schutz­in­ter­es­se fehle folg­lich etwa dann, wenn der Antrag­stel­ler nicht die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens anstre­be, son­dern sich nur der Wir­kun­gen des eröff­ne­ten Ver­fah­rens in recht­lich zu miss­bil­li­gen­der Weise bedie­nen will. Dies sei gera­de bei einem Eröff­nungs­an­trag, der unab­hän­gig von den Ver­mö­gens­ver­hält­nis­sen des Schuld­ners und etwa bestehen­den Ansprü­chen gegen die Gesellschafter-Geschäftsführer und Anfech­tungs­geg­ner aus­schließ­lich auf eine Abwei­sung des Antrags man­gels Masse gerich­tet sei, der Fall. Ein grob obstruk­ti­ves Ver­hal­ten des Schuld­ners könne dar­auf schlie­ßen las­sen, dass die­ser eine gesetz­mä­ßi­ge Durch­füh­rung des Insol­venz­ver­fah­rens nicht ernst­haft anstre­be. Nach den bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Beschwer­de­ge­richts sei der Eröff­nungs­an­trag des Schuld­ners nicht auf die Eröff­nung des Ver­fah­rens gerich­tet, son­dern viel­mehr Teil einer „Fir­men­be­stat­tung“, mit wel­cher die Ver­wer­tung des auch aus Ansprü­chen gegen Geschäfts­füh­rer und Gesell­schaf­ter bestehen­den Gesell­schafts­ver­mö­gens ver­hin­dert wer­den solle. Als „Fir­men­be­stat­tung“ sei ein Vor­gang zu bezeich­nen, bei dem sich die Ver­ant­wort­li­chen dazu ent­schlie­ßen, eine Gesell­schaft ver­steckt zu liqui­die­ren, um ein Insol­venz­ver­fah­ren zu ver­mei­den oder solan­ge wie mög­lich hin­aus­zu­zö­gern. Regel­mä­ßig wür­den dazu plan­mä­ßig die Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de der Gesell­schaft soweit wie mög­lich an nahe­ste­hen­de Per­so­nen, Nach­fol­ge­un­ter­neh­men oder mit den Ver­ant­wort­li­chen ver­bun­de­ne Drit­te über­tra­gen, For­de­run­gen der Gläu­bi­ger hin­ge­gen nicht mehr erfüllt. Äuße­re Anzei­chen seien der Aus­tausch der Geschäfts­füh­rer, die Ver­äu­ße­rung aller Geschäfts­an­tei­le, der Ver­lust der Geschäfts­un­ter­la­gen und schließ­lich der Insol­venz­an­trag, der kei­ner­lei ver­wert­ba­re Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de mehr auf­wei­se. Ob eine sol­che mani­pu­la­ti­ve Fir­men­be­stat­tung anzu­neh­men sei, müsse in ers­ter Linie der Tat­rich­ter beur­tei­len. Allei­ni­ger Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer der Astin. war seit ihrer Grün­dung H. N. wurde erst am 19.9.2017 zum Geschäfts­füh­rer bestellt und sei für das Amt eines Geschäfts­füh­rers offen­sicht­lich unge­eig­net. Er sei einer­seits zum Geschäfts­füh­rer wei­te­rer Gesell­schaf­ten bestellt wor­den, die in ganz unter­schied­li­chen Geschäfts­zwei­gen tätig seien oder waren, ande­rer­seits habe er kei­nen Schul­ab­schluss, sei straf­fäl­lig gewor­den, bezie­he ALG II und konn­te im Eröff­nungs­ver­fah­ren kei­ner­lei Aus­kunft über die Kon­ten und geschäft­li­chen Akti­vi­tä­ten der Astin. geben. Dass er sich jemals um Geschäfts­un­ter­la­gen geküm­mert habe, habe er selbst nicht behaup­tet. Hinzu kämen die ein­gangs beschrie­be­ne Ver­äu­ße­rung der Geschäfts­an­tei­le und die Ver­nich­tung der Geschäfts­un­ter­la­gen. Ob ver­wert­ba­res Ver­mö­gen vor­han­den sei, lasse sich nicht fest­stel­len, weil diese fehl­ten. N. habe sich auch im bis­he­ri­gen Eröff­nungs­ver­fah­ren nur auf Nicht­wis­sen beru­fen. Dass das Beschwer­de­ge­richt aus die­sen äuße­ren Umstän­den auf eine unred­li­che Fir­men­be­stat­tung und auf einen Eröff­nungs­an­trag geschlos­sen habe, der ver­fah­rens­frem­den Zwe­cken diene, sei aus Rechts­grün­den nicht zu bean­stan­den. Auch inso­weit erho­be­nen Ver­fah­rens­rügen seien unbe­rech­tigt, was der BGH näher aus­führt, ins­be­son­de­re sei das Beschwer­de­ge­richt zu Ermitt­lun­gen von Amts wegen befugt gewe­sen.
Die Fest­stel­lung des Beschwer­de­ge­richts, dass N. wis­sent­lich und wil­lent­lich an der Fir­men­be­stat­tung mit­ge­wirkt habe, sei aus Rechts­grün­den nicht zu bean­stan­den. Auch eine sol­che inne­re Tat­sa­che könne aus objek­ti­ven Umstän­den her­ge­lei­tet wer­den und es oblie­ge dem Tat­rich­ter, die maß­geb­li­chen Tat­sa­chen fest­zu­stel­len und zu wür­di­gen. Die Wür­di­gung sei auch nicht zu bean­stan­den. Der Abwei­sung des Eröff­nungs­an­trags stehe auch die Antrags­pflicht des § 15a InsO nicht ent­ge­gen. Zwar könne von N. nichts Unmög­li­ches ver­langt wer­den. Dar­auf komme es jedoch nicht an. Vor­werf­ba­res eige­nes Ver­hal­ten ent­bin­de den Geschäfts­füh­rer nicht von sei­nen Pflich­ten gemäß § 15a InsO. N. habe wis­sent­lich und wil­lent­lich an dem Plan einer Fir­men­be­stat­tung mit­ge­wirkt, zu dem die Ver­nich­tung der Geschäfts­un­ter­la­gen der Astin. gehör­te, er könne sich daher nun­mehr nicht auf deren Feh­len beru­fen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Zu Recht geht der BGH davon aus, dass ein Insol­venz­an­trag unzu­läs­sig ist, wenn er nur der „Fir­men­be­stat­tung“ dient. Ob diese der Fall ist, ist immer eine Frage des Ein­zel­falls. Offen bleibt aller­dings, wie ein Geschäfts­füh­rer in die­ser Situa­ti­on wie­der zur Red­lich­keit zurück­keh­ren und einen wirk­sa­men Antrag stel­len kann.

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