Krise, Sanierung und Insolvenz

Reichweite der Restschuldbefreiung

In der Pra­xis kommt es immer wie­der zu der Frage, wel­che Aus­wir­kun­gen die Rest­schuld­be­frei­ung gera­de auf vor­han­de­ne Sicher­hei­ten hat. Über einen sol­chen Fall hatte der Bun­des­ge­richts­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 10.12.2020 – IX ZR 24/20 zu befin­den.

Sach­ver­halt

Am 10.3.2003 hat die Beklag­te (B) im Wege des Ver­wal­tungs­zwangs­ver­fah­rens wegen offe­ner Gewer­be­steu­er­for­de­run­gen i.H.v. 50.122,27 € eine Zwangs­si­che­rungs­hy­po­thek auf einem Grund­stück des Klä­gers (K) ein­ge­tra­gen. Mit Beschluss vom 13.6.2010 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen des K eröff­net, sodann wurde ihm am 10.6.2016 die Rest­schuld­be­frei­ung erteilt. Mit sei­ner Klage ver­lang­te K von B die Ertei­lung einer Löschungs­be­wil­li­gung bezüg­lich der Zwangs­si­che­rungs­hy­po­thek. Die Klage blieb in ers­ter und zwei­ter Instanz erfolg­los. Mit sei­ner vom Beru­fungs­ge­richt zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folgt K sei­nen Antrag auf Ertei­lung der Löschungs­be­wil­li­gung wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Kein Löschungs­an­spruch

Der Bun­des­ge­richts­hof weist die Revi­si­on zurück.
Grund­la­ge für den etwa­igen Löschungs­an­spruch von K sei § 1169 BGB. Nach die­ser Vor­schrift könne der Grund­stücks­ei­gen­tü­mer vom Hypo­the­ken­gläu­bi­ger den Ver­zicht ver­lan­gen, wenn ihm eine Ein­re­de zuste­he, durch wel­che die Gel­tend­ma­chung der Hypo­thek dau­ernd aus­ge­schlos­sen sei. Anstatt des­sen könne er gemäß § 1168 i.V.m. § 875 Abs. 1 BGB auch die Ertei­lung einer Löschungs­be­wil­li­gung ver­lan­gen.
Die Vor­aus­set­zun­gen von § 1169 BGB seien jedoch tat­be­stand­lich nicht erfüllt. Vor­aus­set­zung für eine Zwangs­si­che­rungs­hy­po­thek sei ein voll­streck­ba­rer Titel und ein Ein­trag der Hypo­thek im Grund­buch. Die Siche­rungs­hy­po­thek sei zwar streng akzes­so­risch, es gebe jedoch Ein­re­den und Ein­wen­dun­gen gegen die gesi­cher­te For­de­rung, die einer Inan­spruch­nah­me aus der Hypo­thek nicht ent­ge­gen­stün­den. Ein sol­cher Fall sei dann gege­ben, wenn die Hypo­thek den Aus­fall der For­de­rung gera­de kom­pen­sie­ren solle. Bei­spie­le hier­für seien die beschränk­te Erben­haf­tung (§ 1137 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder die Ein­re­de der Ver­jäh­rung (§ 216 Abs. 2 BGB). Auch nach dem alten Recht der Konkurs- und Ver­gleichs­ord­nung sei die Her­ab­set­zung durch einen (Zwangs)vergleich (§§ 193 KO, 82 Abs. 2 Ver­glO) ein Fall gewe­sen, in denen der Eigen­tü­mer die Her­ab­set­zung der For­de­rung nicht gegen­über der Inan­spruch­nah­me aus der Hypo­thek ein­wen­den könne.
Im Insol­venz­ver­fah­ren berech­ti­ge die Hypo­thek zur abge­son­der­ten Befrie­di­gung (vgl. § 49 InsO), obwohl die durch die Hypo­thek gesi­cher­te per­sön­li­che For­de­rung nur nach den Vor­schrif­ten über das Insol­venz­ver­fah­ren ver­folgt wer­den könne und eine Befrie­di­gung im Wege der Ein­zel­zwangs­voll­stre­ckung nicht mög­lich sei. Gleich­wohl habe der Eigen­tü­mer die Zwangs­voll­stre­ckung aus der Hypo­thek in das belas­te­te Grund­stück zu dul­den, ohne sich auf die man­geln­de Durch­setz­bar­keit der gesi­cher­ten For­de­rung beru­fen zu kön­nen.
Die Rest­schuld­be­frei­ung diene dazu, dem Schuld­ner von sei­nen im Insol­venz­ver­fah­ren nicht befrie­dig­ten Ver­bind­lich­kei­ten zu befrei­en (§ 1 S. 1, § 286 InsO). Sie wirke auch gegen­über allen Insol­venz­gläu­bi­gern (§ 301 Absatz 1 S. 1 InsO). Die Rest­schuld­be­frei­ung führe aber, wie sich aus § 301 Abs. 1 InsO erge­be, nicht zum Erlö­schen der von ihr betrof­fe­nen For­de­rung. Diese werde viel­mehr zu einer unvoll­kom­me­nen Ver­bind­lich­keit, die erfüll­bar, aber nicht erzwing­bar sei. Eine Hypo­thek, die eine Insol­venz­for­de­rung siche­re, gehe folg­lich durch die erteil­te Rest­schuld­be­frei­ung nicht gemäß § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Eigen­tü­mer über.
Gemäß § 301 Abs. 2 S. 1 InsO wür­den die Rech­te der Insol­venz­gläu­bi­ger aus einem Recht zur abge­son­der­ten Befrie­di­gung durch die Rest­schuld­be­frei­ung im Übri­gen nicht berührt. Die Hypo­thek berech­ti­ge aber zur abge­son­der­ten Befrie­di­gung aus dem belas­te­ten Grund­stück, wie sich aus § 49 InsO ergä­be. Für die Zwangs­si­che­rungs­hy­po­thek gälte inso­weit nichts ande­res. Die Zwangs­hy­po­thek begrün­de ein Recht an einem Grund­stück gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG auf das auch in § 49 InsO ver­wie­sen werde. Damit unter­fie­le sie auch § 301 Abs. 2 S. 1 InsO und blie­be von der Rest­schuld­be­frei­ung unbe­rührt.
Der Grund­satz der Akzess­orie­tät der Hypo­thek gelte inso­weit nicht, da § 301 Abs. 2 S. 1 InsO eine abwei­chen­de Rege­lung tref­fe.
K bedür­fe auch kei­nes Dul­dungs­ti­tels, soweit er im Wege der Zwangs­ver­stei­ge­rung Befrie­di­gung erlan­gen wolle. Dies erge­be sich aus § 867 Abs. 3 ZPO, inso­weit genügt der voll­streck­ba­re Titel, soweit auf ihm die Ein­tra­gung der Hypo­thek ver­merkt sei. Letzt­lich kommt es hier­auf auch nicht an, da G, wenn es diese Vor­schrift nicht gäbe oder er in ande­rer Weise als im Wege der Zwangs­ver­stei­ge­rung die Hypo­thek ver­wer­ten wolle, gemäß § 1147 BGB aus der Hypo­thek auf Dul­dung der Zwangs­voll­stre­ckung in das Grund­stück kla­gen könne. Eine Durch­set­zung der per­sön­li­chen For­de­rung, die nach Ertei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung nicht mehr mög­lich wäre, bedür­fe es hier­für nicht.

Die Vor­schrift des § 868 ZPO sei im Fall der Rest­schuld­be­frei­ung eben­falls nicht anwend­bar. Nach die­ser Vor­schrift erwer­be der Eigen­tü­mer des Grund­stücks die Zwangs­hy­po­thek, wenn die zu voll­stre­cken­de Ent­schei­dung oder ihre vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit auf­ge­ho­ben wor­den sei. Gegen­über § 868 ZPO sei § 301 Abs. 2 S. 1InsO die spe­zi­el­le­re Vor­schrift. Diese besa­ge aus­drück­lich, dass die Rech­te aus der (Zwangssicherungs)hypothek unbe­rührt blie­ben.

Recht­li­che Wür­di­gung
Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs ist kon­se­quent und ergibt sich letzt­lich aus der ein­deu­ti­gen Aus­le­gung von § 301 Abs. 2 InsO. Ding­lich gesi­cher­te Ansprü­che sind daher weit­ge­hend insol­venz­fest, was ange­sichts der ver­kürz­ten Frist zur Erlan­gung der Rest­schuld­be­frei­ung in der Pra­xis an Bedeu­tung gewin­nen wird.[:]

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