ImmobilienKrise, Sanierung und Insolvenz

Untermiete bei Enthaftungserklärung nach § 109 InsO

Nicht sel­ten sieht sich ein Insol­venz­ver­wal­ter mit einem lau­fen­den Miet­ver­hält­nis des Schuld­ners im Ver­fah­ren kon­fron­tiert. Ob und inwie­fern sich ins­be­son­de­re die Ent­haf­tungs­er­klä­rung des Miet­ver­hält­nis­ses nach § 109 InsO auf Unter­miet­an­sprü­che aus­wirkt und ob der Insol­venz­ver­wal­ter Ansprü­che im lau­fen­den Ver­fah­ren gel­tend machen kann, war Gegen­stand einer Ent­schei­dung des BGH vom 2.12.2021 (BGH, Urteil vom 2.12.2021 – IX ZR 206/20).

Sach­ver­halt

Die Klä­ge­rin ist Insol­venz­ver­wal­te­rin des am 14.7.2017 eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen des Beklag­ten. Der Beklag­te hatte bereits vor Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens eine Woh­nung ange­mie­tet, von die­ser er einen Teil unter­ver­mie­te­te. Die Unter­ver­mie­tung erfolg­te zur Ver­min­de­rung der aus der Anmie­tung erwach­sen­den Kos­ten, nach­dem sich der Beklag­te von sei­ner Ehe­frau getrennt hat.

Die nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens in der Zeit von August 2017 bis Okto­ber 2018 gezahl­ten Mie­ten gelang­ten nicht nur zur Masse, sie wur­den über die Mut­ter des Beklag­ten an die Haupt­ver­mie­te­rin wei­ter­ge­lei­tet. Die Klä­ge­rin hatte mit Wir­kung vom 1.11.2017 die Ent­haf­tungs­er­klä­rung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abge­ge­ben. Sie nimmt nun­mehr den Beklag­ten auf Zah­lung in Höhe der seit Ver­fah­rens­er­öff­nung geschul­de­ten Unter­mie­ten in Anspruch. Das Land­ge­richt hat der Klage im Wesent­li­chen statt­ge­ge­ben. Das Beru­fungs­ge­richt hat nur den hilfs­wei­se gestell­ten Fest­stel­lungs­an­trag für zuläs­sig gehal­ten, die­sen aber als unbe­grün­det abge­wie­sen. Mit der vom Beru­fungs­ge­richt zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihren Anspruch wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Zah­lungs­kla­ge zuläs­sig aber unbe­grün­det

Der Bun­des­ge­richts­hof weist die Revi­si­on im Ergeb­nis zurück. Nach Ansicht des BGH strei­ten die Par­tei­en bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung des Kla­ge­ziels nicht um die Frage, ob ein Ver­mö­gens­ge­gen­stand zur Masse gehö­re, schon, weil sich die von den Anträ­gen erfass­ten Ansprü­che zugriffs­fä­hig nicht im Ver­mö­gen der Beklag­ten befän­den. Dem­nach ist die Klage hin­sicht­lich des Haupt­an­tra­ges zuläs­sig, die Bedin­gung für den Hilfs­an­trag sei schon nicht ein­ge­tre­ten. Der erho­be­nen Zah­lungs­kla­ge fehle auch nicht das Rechts­schutz­be­dürf­nis. Daran ände­re sich auch nichts dadurch, dass die Klä­ge­rin mit einer voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung des Eröff­nungs­be­schlus­ses die Her­aus­ga­be von Sachen, die sich im Gewahr­sam des Schuld­ners befin­den, im Wege der Zwangs­voll­stre­ckung durch­set­zen könne (§ 148 Abs. 2 S. 1 InsO). Die­ser Voll­stre­ckungs­zu­griff beträ­fe nur das vom Insol­venz­be­schlag erfass­te Ver­mö­gen des Schuld­ners. Vor­lie­gend ginge es aber um die Frage, ob der Beklag­te zur Erstat­tung der an die Haupt­ver­mie­te­rin geflos­se­nen Gel­der ver­pflich­tet sei. Das Rechts­schutz­be­dürf­nis fehle auch nicht des­halb, weil eine Voll­stre­ckung des insol­venz­frei­en Ver­mö­gens des Beklag­ten von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen wäre. Insol­venz­frei­es Ver­mö­gen des Beklag­ten ent­ste­he spä­tes­tens mit der Auf­he­bung oder Ein­stel­lung des Insol­venz­ver­fah­rens. Sol­ches könne auch schon wäh­rend des lau­fen­den Insol­venz­ver­fah­rens ent­ste­hen, wenn der Ver­wal­ter ein­zel­ne Bestand­tei­le der Masse oder die selb­stän­di­ge Tätig­keit des Schuld­ners frei­ge­be oder dem Schuld­ner im lau­fen­den Ver­fah­ren die Rest­schuld­be­frei­ung erteilt werde.

Die Leis­tungs­kla­ge der Klä­ge­rin sei aber unbe­grün­det. Es fehle jeden­falls an einem Anspruch gegen den Beklag­ten, ins­be­son­de­re die Vor­aus­set­zun­gen des § 816 Abs. 2 BGB lägen nicht vor.

Die Miet­for­de­rung der Haupt­ver­mie­te­rin für die Zeit von der Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens bis zum Ein­tritt der Wir­kung der Ent­haf­tungs­er­klä­rung seien gem.
§ 109 Abs. 1 S. 2 InsO zwar Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten. Nach der Recht­spre­chung des BGH könne der Ver­wal­ter einen Dritt­schuld­ner aber nicht nach Maß­ga­be von § 82 InsO erneut auf Zah­lung in Anspruch neh­men, wenn die Masse durch die Leis­tung des Dritt­schuld­ners von einer Mas­se­ver­bind­lich­keit ent­las­tet werde, die andern­falls der Ver­wal­ter in vol­ler Höhe begli­chen hätte. Die Insol­venz­mas­se sei vor­lie­gend von der Ver­pflich­tung die bis zum Ein­tritt der Wir­kung der Ent­haf­tungs­er­klä­rung geschul­de­ten Miete zu beglei­chen in Höhe der Unter­miet­zah­lun­gen ent­las­tet wor­den.

Der Beklag­te sei auch nicht zur Erstat­tung der nach Ein­tritt der Wir­kung der Ent­haf­tungs­er­klä­rung ver­ein­nahm­ten Unter­miet­zah­lun­gen ver­pflich­tet. Die Erklä­rung nach
§ 109 Abs. 1 S. 2 InsO habe dazu geführt, dass nicht mehr die Masse, son­dern der Beklag­te berech­tigt i.S.d. § 816 Abs. 2 BGB sei. Der Beklag­te hatte jeweils vor Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens die von ihm genutz­te Woh­nung von der Haupt­ver­mie­te­rin ange­mie­tet und einen Teil der Woh­nung unter­ver­mie­tet. Die Unter­ver­mie­tung erfolg­te nicht mit Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht, son­dern zur Ver­min­de­rung der Kos­ten nach Tren­nung des Beklag­ten von sei­ner Ehe­frau. Vor Ein­tritt der Wir­kung der Ent­haf­tungs­er­klä­rung stell­ten die Miet­for­de­run­gen der Haupt­ver­mie­te­rin Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten dar. Die For­de­rung aus dem Unter­miet­ver­hält­nis war auch vom Insol­venz­be­schlag erfasst und stand der Masse zu. Die Ent­haf­tungs­er­klä­rung der Klä­ge­rin habe gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO dazu geführt, dass Ansprü­che aus dem Haupt­miet­ver­hält­nis nicht mehr im Insol­venz­ver­fah­ren gel­tend gemacht wer­den konn­ten. Der Wirk­sam­keit der Erklä­rung stün­de nicht ent­ge­gen, dass der Beklag­te die Woh­nung teil­wei­se unter­ver­mie­tet habe.

Die abge­ge­be­ne Ent­haf­tungs­er­klä­rung umfas­se das gesam­te, ein­heit­lich zu behan­deln­de Haupt­miet­ver­hält­nis. Nach der Recht­spre­chung des BGH gehe die Verwaltungs- und Ver­fü­gungs­be­fug­nis hin­sicht­lich des Miet­ver­hält­nis­ses mit Wirk­sam­wer­den Ent­haf­tungs­er­klä­rung in vol­lem Umfang auf den Schuld­ner über. Die Ent­haf­tungs­er­klä­rung umfas­se regel­mä­ßig auch das Unter­miet­ver­hält­nis. Dem ent­sprä­che es auch, dass die Wir­kung einer Frei­ga­be auch den Erlös aus der Ver­wer­tung eines frei­ge­ge­be­nen Ver­mö­gens­ge­gen­stan­des erfas­se. Es träfe zwar zu, dass die Ent­haf­tungs­er­klä­rung an die Stel­le der Kün­di­gung träte. Die Wir­kung der Erklä­rung sei jedoch eine ande­re. Wäh­rend die Kün­di­gung das Gebrauchs­recht been­de, leite die Ent­haf­tungs­er­klä­rung die­ses Recht von der Masse auf den Schuld­ner über. Dies diene auch dem Zweck, den Schuld­ner vor Obdach­lo­sig­keit zu bewah­ren und damit auch dem Ziel, dem Schuld­ner einen wirt­schaft­li­chen Neu­an­fang zu ermög­li­chen. Das aus dem Haupt­miet­ver­hält­nis fol­gen­de Recht zur Nut­zung der Woh­nung und die Unter­ver­mie­tung seien eng mit­ein­an­der ver­wo­ben. Unge­ach­tet der not­wen­di­gen Erlaub­nis des Haupt­ver­mie­ters ent­schei­det allein der Haupt­mie­ter, ob er den Wohn­raum über­haupt unter­ver­mie­te und zu wel­chen Bedin­gun­gen. Sei­nen Ent­schei­dun­gen oblie­ge es auch, ob ein bestehen­des Unter­miet­ver­hält­nis fort­ge­setzt oder been­det wer­den soll. Aus der engen Ver­knüp­fung zwi­schen dem auf­grund der Ent­haf­tungs­er­klä­rung über­ge­gan­gen Gebrauchs­recht und der Unter­ver­mie­tung folge, dass das begrün­de­tes Unter­miet­ver­hält­nis auf den Schuld­ner über­ge­he. Auf diese Weise wür­den auch Pro­ble­me ver­mie­den, die ent­stün­den, wenn Haupt- und Unter­miet­ver­hält­nis aus­ein­an­der­fie­len Zudem könne der Insol­venz­ver­wal­ter frei ent­schei­den, ob er eine Ent­haf­tungs­er­klä­rung abgibt oder nicht. Mit der Ein­be­zie­hung des bestehen­den Unter­miet­ver­hält­nis­ses in die Wir­kung der Erklä­rung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO sei noch nichts über die recht­li­che Behand­lung der Situa­ti­on gesagt, die ent­stün­de, wenn der Schuld­ner den Wohn­raum im Nach­hin­ein gewinn­brin­gend unter­ver­mie­te.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die ange­nom­me­ne Zuläs­sig­keit der Zah­lungs­kla­ge ist zunächst pro­zes­su­al über­zeu­gend. Es geht nicht um den Zugriff auf noch beim Schuld­ner vor­han­de­ne Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de. Auch die umfang­rei­chen Aus­füh­run­gen zum Unter­miet­ver­hält­nis ver­mö­gen zu über­zeu­gen. Letzt­lich wird die Masse durch die Ent­haf­tungs­er­klä­rung regel­mä­ßig ent­las­tet, der Schuld­ner muss nun­mehr für die Beglei­chung der Miete sor­gen. Es erscheint daher nur fol­ge­rich­tig, ihm auch die Ansprü­che aus einem Unter­miet­ver­hält­nis zuzu­ord­nen.

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