Krise, Sanierung und InsolvenzSteuern und Abgaben

Zahlung an mit Einziehung Beauftragten

Der 1. Senat des FG Baden-Württemberg hat in sei­nem Urteil vom 13.3.2022 — 1 K 2073/21 dar­über ent­schie­den, inwie­fern auf Ent­gel­te, wel­che von einem beauf­trag­ten Drit­ten ein­ge­zo­gen und infol­ge Insolvenz nicht an den Auf­trag­ge­ber wei­ter­ge­lei­tet wer­den, Umsatz­steu­er durch den Auf­trag­ge­ber zu ent­rich­ten ist.

Sach­ver­halt

Der Klä­ger betreibt als selbst­stän­di­ger Unter­neh­mer eine Apo­the­ke, die Arznei- oder Heil­mit­tel an Kran­ken­kas­sen lie­fer­te, die Ver­si­cher­te gem. § 2 SGB V als Sach­leis­tun­gen erhal­ten. Er gab monat­lich Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen ab.

Mit einem „Ver­trag zur Über­nah­me der Abrech­nungs­tä­tig­keit und des Ein­zugs von Rezept­for­de­run­gen“ beauf­trag­te der Klä­ger ein Rech­nungs­zen­trum mit der Abrech­nung mit den jewei­li­gen Kran­ken­kas­sen. Hier­zu trat er seine gegen­wär­ti­gen und zukünf­ti­gen For­de­run­gen gegen­über den Kos­ten­trä­gern an den Dienst­leis­ter ab, wel­cher im Abrech­nungs­ver­fah­ren für die Kran­ken­kas­sen erkenn­bar für Rech­nung des Klä­gers auf­trat.
Für die Mona­te August und Sep­tem­ber 2020 erteil­te der Zah­lungs­dienst­leis­ter dem Klä­ger Kon­to­aus­zü­ge, nach denen die­ser „Restzahlung(en)“ für den Monat August in Höhe von 20.233,28 € und für den Monat Sep­tem­ber in Höhe von 24.318,15 € zu bean­spru­chen hatte. Nach der Umsatzsteuer-Voranmeldung durch den Klä­ger aber noch vor der Aus­zah­lung der Beträ­ge an den­sel­ben, geriet der Dienst­leis­ter in Insolvenz. Eine Aus­zah­lung der Beträ­ge erfolg­te infol­ge­des­sen nicht.

Der Klä­ger legte sodann gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Mona­te August und Sep­tem­ber Ein­spruch ein, wies auf die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens hin und trug vor, die noch offe­nen Rest­zah­lun­gen seien i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG unein­bring­lich gewor­den. Er bean­trag­te daher eine abwei­chen­de Steu­er­fest­set­zung. Das beklag­te Finanz­amt wies den Ein­spruch als unbe­grün­det zurück. Mit der Klage begehr­te der Klä­ger eine Min­de­rung der fest­ge­setz­ten Umsatz­steu­er für die Mona­te August und Sep­tem­ber 2020.

Ent­schei­dung des FG: Beträ­ge durch Dienst­leis­ter bereits ver­ein­nahmt

Das FG hielt den Steu­er­be­scheid für recht­mä­ßig, die Klage somit für unbe­grün­det. Leis­tungs­emp­fän­ger i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG seien die Kran­ken­kas­sen. Diese seien damit als End­ver­brau­cher i.S.d. Art. 90 MwSt­Sys­tRL anzu­se­hen. Die Umsatz­steu­er sei mit Ablauf des jewei­li­gen Vor­anmel­de­zeit­raums ent­stan­den.

Dass der Klä­ger seine For­de­run­gen an den Zah­lungs­dienst­leis­ter abge­tre­ten hatte, spie­le keine Rolle, da die­ser an dem Aus­tausch­ver­hält­nis zwi­schen Klä­ger und Kran­ken­kas­sen nicht betei­ligt sei. Viel­mehr sei zwi­schen bei­den ein geson­der­tes Aus­tausch­ver­hält­nis ver­ein­bart, bei dem der Zah­lungs­dienst­leis­ter die Abrech­nung mit den Kran­ken­kas­sen vor­neh­men und die For­de­run­gen für Rech­nung des Klä­gers ein­zie­hen, mit­hin eine Inkasso-Dienstleistung erbrin­gen und der Klä­ger hier­für ein Ent­gelt ent­rich­ten soll­te.
Die Ent­gel­te seien auch nicht als unein­bring­lich i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG anzu­se­hen. Unein­bring­lich­keit setze vor­aus, dass der Steu­er­pflich­ti­ge die Ent­gelt­for­de­rung ganz oder teil­wei­se jeden­falls auf abseh­ba­re Zeit recht­lich oder tat­säch­lich nicht durch­set­zen kann. Dies sei vor­lie­gend aber nicht der Fall, weil die erfolg­te For­de­rungs­ab­tre­tung bewir­ke, dass die Ent­gel­te mit Zah­lung der Kran­ken­kas­sen an den Zah­lungs­dienst­leis­ter als vom Klä­ger ver­ein­nahmt zu betrach­ten seien. Auf­grund der Leis­tung der jewei­li­gen Zah­lung durch die Kran­ken­kas­sen sei der Anspruch des Klä­gers auf den Kauf­preis jeweils erlo­schen. Das Ent­gelt sei folg­lich bereits vom Klä­ger ver­ein­nahmt, womit Unein­bring­lich­keit nicht mehr vor­lie­gen könne.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Ent­schei­dung des FG ist dog­ma­tisch ver­tret­bar, aber nicht zwin­gend. Ob die zuge­las­se­ne Revi­si­on zu einer ande­ren Beur­tei­lung durch den BFH führt bleibt abzu­war­ten. Es ist zudem offen, ob in ver­gleich­ba­ren Fäl­len eine abwei­chen­de Ent­schei­dung im Wege des Bil­lig­keits­er­las­ses gerecht­fer­tigt wäre. Das FG hatte hier­zu aus­drück­lich keine Aus­sa­ge getrof­fen, da dies nicht Gegen­stand des Ver­fah­rens war.

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