Krise, Sanierung und InsolvenzVersicherungen

Freigabe von Ansprüchen gegen Feuerversicherung

Im Rah­men von Insol­venz­ver­fah­ren kann der Insol­venz­ver­wal­ter Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des Schuld­ners frei­ge­ben, sodass die Ver­fü­gungs­ge­walt wie­der an den Schuld­ner selbst und damit ggf. an des­sen Organe fällt. In einem Ver­fah­ren vor dem OLG Braun­schweig (OLG Braun­schweig, Urteil vom 24.08.2016 – 3 U 44/15) war zwi­schen Schuld­ner und Ver­si­che­rer strit­tig, inwie­weit ein von dem Schuld­ner ver­folg­ter Ver­si­che­rungs­an­spruch durch den Schuld­ner gel­tend gemacht wer­den konn­te .

Sach­ver­halt

Der Klä­ger ist seit 1996 Eigen­tü­mer einer Immo­bi­lie, die er seit dem 1.6.2006 bei dem beklag­ten Ver­si­che­rer über eine Gebäude- und Feu­er­ver­si­che­rung ver­si­chert. Am 17.10.2008 wurde über das Ver­mö­gen des Klä­gers das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net und ein Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. An der Immo­bi­lie – ein Hotel­ge­bäu­de – kam es am 24.02.2009 auf­grund eines Bran­des zu einem erheb­li­chen Scha­den, des­sen Umfang zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist. Mit Schrei­ben vom 29.11.20012 erklär­te der Insol­venz­ver­wal­ter eine Frei­ga­be des Hotel­grund­stücks aus dem Insol­venz­be­schlag. Die Beklag­te erklär­te mit Schrei­ben vom 17.12.2012, dass sie sich nicht als ein­stands­pflich­tig anse­he.
Der zustän­di­ge Land­kreis G. for­der­te den Klä­ger mit Schrei­ben vom 28.10.2013 auf, den Alt­bau­teil des ehe­ma­li­gen Kur­ho­tels abzu­rei­ßen und droh­te die Ersatz­vor­nah­me an. In der Folge for­der­te der Land­kreis G. den Klä­ger mit Schrei­ben vom 7.3.2014 zur Vor­aus­leis­tung eines Betra­ges in Höhe von 77.350 € zur Durch­füh­rung der Ersatz­vor­nah­me an. Der Alt­bau ist zwi­schen­zeit­lich abge­ris­sen.
Der Klä­ger ver­langt die Fest­stel­lung, dass die Beklag­te ver­pflich­tet ist, den Klä­ger für die Abbruch­kos­ten auf­grund des Brand­scha­dens vom 24.2.2009 in dem Hotel­ge­bäu­de Ver­si­che­rungs­schutz zu gewäh­ren. Hilfs­wei­se sei die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, den Klä­ger gegen­über dem Land­kreis G. in Bezug auf die Inan­spruch­nah­me auf Zah­lung von 77.350 € frei­zu­stel­len und die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 162.430 € zu zah­len.
Das LG Braun­schweig hatte mit Urteil vom 8.5.2015 fest­ge­stellt, dass die Beklag­te ver­pflich­tet sei, auf­grund des Brand­scha­dens vom 24.02.2009 an dem Hotel­ge­bäu­de dem Klä­ger aus der Feu­er­ver­si­che­rung Ver­si­che­rungs­schutz für Abbruch­kos­ten zu gewäh­ren. Gegen die­ses Urteil legte die Beklag­te Beru­fung ein mit dem Ziel, dass die Klage abge­wie­sen wird.

Ent­schei­dung des OLG Braun­schweig: Anspruch des Klä­gers ist gege­ben

Zunächst bejaht das OLG die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis des Klä­gers. Zwar habe die­ser durch die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis hin­sicht­lich der Ansprü­che aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag erst ein­mal ver­lo­ren, der Insol­venz­ver­wal­ter habe die Ansprü­che jedoch mit Schrei­ben vom 29.11.2012 frei­ge­ge­ben.
Mit der Frei­ga­be der Immo­bi­lie falle auch der Ver­si­che­rungs­an­spruch in die Berech­ti­gung des Klä­gers. Ansprü­che aus Versicherungen, die Gegen­stän­de betref­fen, die ihrer­seits nicht mas­se­zu­ge­hö­rig sind, seien nicht Gegen­stand der Insol­venz­mas­se. Da vor­lie­gend durch die Frei­ga­be sei­tens des Insol­venz­ver­wal­ters der Gegen­stand insol­venz­frei gewor­den sei, gelte dies auch für den Anspruch aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag. Auch wenn man in der Brand­ver­si­che­rungs­sum­me nicht eine mit­tel­ba­re Sach­frucht nach § 99 Abs. 3 BGB sehen könne oder ein Neben­recht i.S.v. § 401 BGB (ana­log), so sei jedoch eine Frei­ga­be anzu­neh­men.
Der BGH habe bereits im Hin­blick auf einen Anspruch auf Nach­ab­fin­dung eines Mit­er­ben ent­schie­den, dass die Ent­schä­di­gungs­leis­tung für ein abge­brann­tes Gebäu­de nicht anders zu behan­deln sei, als der Erlös aus einer Ver­äu­ße­rung von Hof­grund­stü­cken . Wenn also die Brand­ver­si­che­rungs­sum­me als Bestand­teil in die­sen Fäl­len anzu­se­hen sei, so müsse man im vor­lie­gen­den Fall mit einer Frei­ga­be des Grund­stü­ckes auch von einer Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis des Klä­gers im Hin­blick auf die Ver­si­che­rungs­sum­me aus­ge­hen. Außer­dem zieht das OLG eine Par­al­le­le zum Grund­stücks­ver­kauf. Nach § 95 Abs. 1 VVG gehe mit dem Eigen­tum am Grund­stück auch das Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis auf den neuen Eigen­tü­mer über. Ein Aus­ein­an­der­fal­len zwi­schen der Berech­ti­gung an der Versicherung und der Berech­ti­gung an der Nut­zung des Grund­stü­ckes wäre wider­sprüch­lich. Hier­an ände­re auch nichts, dass der Ver­si­che­rungs­fall bereits vor Frei­ga­be­er­klä­rung ein­ge­tre­ten sei. In der Frei­ga­be des Grund­stü­ckes sei kon­klu­dent auch eine Frei­ga­be des Anspruchs auf Ersatz der Abbruch­kos­ten durch den Insol­venz­ver­wal­ter zu sehen. Der BGH habe bereits in der Ver­gan­gen­heit ent­schie­den, dass bei einer Frei­ga­be eines Grund­stü­ckes durch den Treu­hän­der auch eine kon­klu­den­te Frei­ga­be des Frei­stel­lungs­an­spruchs gegen den Rechts­schutz­ver­si­che­rer für Rechts­strei­tig­kei­ten aus dem Grund­stück liege .
Ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se leite das OLG vor­lie­gend von der berech­tig­ten Erwar­tungs­hal­tung ab, ein Ver­si­che­rer werde sich an ein Fest­stel­lungs­ur­teil hal­ten. Die Klage sei auch begrün­det, weil der Klä­ger die Ansprü­che auf Ersatz von Abbruch­kos­ten mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit bewie­sen habe.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Ent­schei­dung des OLG Braun­schweig zeigt, dass Insol­venz­ver­wal­ter bei der Frei­ga­be von Ver­mö­gens­ge­gen­stän­den genau zu prü­fen haben, ob mit der Frei­ga­be auch ver­si­che­rungs­ver­trag­li­che Ansprü­che frei­ge­ge­ben wer­den. Es kön­nen sich andern­falls erheb­li­che Haf­tungs­ri­si­ken für den Insol­venz­ver­wal­ter erge­ben.

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