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Haftung des Kommanditisten beim Publikumsfonds

Die Inan­spruch­nah­me von Kom­man­di­tis­ten bei als KG aus­ge­stal­te­ten Publi­kums­fonds wirft diver­se Fra­gen auf. Das LG Dort­mund beschäf­tigt sich in sei­nem Urteil vom 15.5.2018 — 3 O 25/18 mit dem Ermes­sen eines Insol­venz­ver­wal­ters bei der Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen gegen Anle­ger.

Sach­ver­halt

Der Beklag­te betei­lig­te sich als Kom­man­di­tist mit einer Kom­man­dit­ein­la­ge von 40.903,35 € an der 1995 als Publi­kums­fonds aus­ge­stal­ten E N GmbH & Co. KG (Schuld­ne­rin). 1998 erwarb die Schuld­ne­rin ein Schiff, das sie bis 2014 betrieb. Mit Beschluss vom 21.11.2013 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin eröff­net und der Klä­ger zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt.
Der Beklag­te erhielt zwi­schen 1999 und 2007 Aus­schüt­tun­gen nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB in einer Gesamt­hö­he von 24.542,01 €. Zum Zeit­punkt der jewei­li­gen Aus­schüt­tun­gen war der Kapi­tal­an­teil des Beklag­ten auf­grund Ver­lus­ten unter den Betrag der Haft­ein­la­ge abge­sun­ken. Aus­weis­lich der von der Schuld­ne­rin erstell­ten Jah­res­ab­schlüs­se ergab sich eine durch­ge­hen­de Unter­de­ckung des Eigen-/Haftkapitals der Schuld­ne­rin. Auf die Anfor­de­rung der Schuld­ne­rin hin zahl­te der Beklag­te einen Betrag von 6.135,50 €, sodass noch ein Betrag von 18.406,51 € vom Klä­ger gegen­über dem Beklag­ten ein­ge­for­dert und gericht­lich gel­tend gemacht wor­den ist.
Aus­weis­lich der Anga­ben des Klä­gers beläuft sich die Insol­venz­mas­se zum Stand 30.4.2018 auf rund 2,14 Mio. €. In die­sem Betrag sind Rück­zah­lun­gen von Kom­man­di­tis­ten von 855.444,21 € ent­hal­ten. Wei­ter­hin sind Kos­ten des Insol­venz­ver­fah­rens in Höhe von rund 192.000 € fest­zu­stel­len, wobei 27.350 € aus Gerichts­kos­ten und 150 € aus Rück­stel­lungs­kos­ten resul­tie­ren. Dar­über hin­aus ist eine Sach­ver­stän­di­gen­ent­schä­di­gung von 1.014,47 € zu ver­zeich­nen sowie eine Ver­gü­tung des Klä­gers von 163.476,88 €.
Wei­ter­hin ergibt sich eine Gewer­be­steu­er­for­de­rung auf­grund des Schiffs­ver­kaufs von 1,55 Mio. € Zur Insol­venz­ta­bel­le selbst sind For­de­run­gen in Höhe von rund 5,8 Mio. € ange­mel­det. For­de­run­gen von 86.616,86 € sind zur Insol­venz­ta­bel­le fest­ge­stellt wor­den. Die dar­über hin­aus ange­mel­de­ten For­de­run­gen bestehen u. a. aus Ansprü­chen der Kom­man­di­tis­ten aus oder im Zusam­men­hang mit vor­insol­venz­lich erfolg­ten Rück­zah­lun­gen ihrer gewinn­un­ab­hän­gi­gen Aus­schüt­tun­gen an die Schuld­ne­rin sowie der Rück­for­de­rung ihrer anfäng­lich geleis­te­ten Haft-/Kommanditeinlage und aus wei­te­ren For­de­run­gen von ins­ge­samt 480.048,79 €. Dabei ist fest­zu­stel­len, dass ein Betrag von 148.527,45 € sich aus Zins­an­sprü­che der Kom­man­di­tis­ten zusam­men­setzt, die bis zur Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ange­fal­len seien. 54.825,67 € sind als Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten zur Insol­venz­ta­bel­le ange­mel­det wor­den sowie auf­grund Kos­ten, die auf­grund der Ver­tei­di­gung gegen die unge­recht­fer­tig­te Gel­tend­ma­chung der Schuld­ne­rin von Dar­le­hens­rück­zah­lungs­an­sprü­che ent­stan­den sind. Zudem sind For­de­rungs­an­mel­dun­gen auf­grund eines Geschäfts­be­sor­gungs­ver­tra­ges (78.315,83 €) und einer Dar­le­hens­for­de­rung (198.379,84 €) zu ver­zeich­nen. Der Klä­ger beruft sich dar­auf, dass die Inan­spruch­nah­me des Beklag­ten not­wen­dig ist, da neben den fest­ge­stell­ten For­de­run­gen von 86.616,86 € auch die For­de­run­gen der Mit­kom­man­di­tis­ten von 480.840,79 € zu berück­sich­ti­gen seien und es hier­bei nicht dar­auf ankä­me, ob diese fest­ge­stellt oder bestrit­ten sind. Nach §189 Abs. 2 InsO habe der Klä­ger auch für bestrit­te­ne For­de­run­gen Rück­stel­lun­gen zu bil­den. Außer­dem sei die Inan­spruch­nah­me des Beklag­ten zur Durch­füh­rung des Innen­aus­glei­ches not­wen­dig.

Ent­schei­dung des LG Dort­mund: Kein Anspruch des Insol­venz­ver­wal­ters

Ein Anspruch des Klä­gers gegen den Beklag­ten nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 i.V.m. § 171 Abs. 2 HGB besteht nach Ansicht des LG Dort­mund nicht. Nach § 171 Abs. 2 HGB stün­de einem Insol­venz­ver­wal­ter ein Anspruch nur inso­fern zu, als die Inan­spruch­nah­me des Kom­man­di­tis­ten zur Befrie­di­gung von Insol­venz­gläu­bi­gern not­wen­dig sei. Dabei habe der Insol­venz­ver­wal­ter die For­de­run­gen dar­zu­le­gen sowie unter Beweis zu stel­len. Der Kom­man­di­tist sei dage­gen zur Dar­le­gung und zum Beweis ver­pflich­tet, dass seine Inan­spruch­nah­me für die Befrie­di­gung bestehen­der Gläu­bi­ger­for­de­run­gen nicht not­wen­dig sei.
In dem zugrun­de­lie­gen­den Fall sei, so das LG Dort­mund, eine Dar­le­gung des Beklag­ten bereits nicht not­wen­dig, da der Klä­ger selbst nicht die Umstän­de, die eine not­wen­di­ge Inan­spruch­nah­me dar­le­gen, vor­ge­tra­gen habe.
In der Insol­venz­mas­se von 2,14 Mio. € sei ein Anteil von 855.444,21 € ent­hal­ten, der als Son­der­mas­se vor­ran­gig zur Befrie­di­gung der Insol­venz­gläu­bi­ger­for­de­run­gen zu ver­wen­den sei. Diese Son­der­mas­se über­stei­ge die vom Klä­ger dar­ge­leg­ten Insol­venz­for­de­run­gen von 363.312,52 € um 492.131,68 €. Die Son­der­mas­se, also der Betrag, den die Kom­man­di­tis­ten bereits zurück­ge­zahlt haben, hafte ledig­lich für Gläu­bi­ger­for­de­run­gen von 363.312,52 €. Die­ser Betrag setze sich aus den fest­ge­stell­ten For­de­run­gen von 86.616,86 € sowie aus den ange­mel­de­ten For­de­run­gen betref­fend die Geschäfts­be­sor­gung und das Dar­le­hen zusam­men. Dar­über hin­aus würde die Son­der­mas­se von 855.444,21 € nicht für Kos­ten des Insol­venz­ver­fah­rens oder sons­ti­ge Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten haf­ten. Damit komme eine Haf­tung für die Gewer­be­steu­er nicht in Betracht.
Für die For­de­rung der Mit­kom­man­di­tis­ten hafte aber der Beklag­te nicht, da sie keine Insol­venz­for­de­run­gen i.S.d. § 38 InsO dar­stel­len wür­den. Auch die Zins­an­sprü­che und vor­insol­venz­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten seien keine Posi­tio­nen, die Insol­venz­for­de­run­gen dar­stel­len. Die­ser Umstand führe nur bei einer ober­fläch­li­chen Betrach­tung zu einer Ungleich­be­hand­lung der Kom­man­di­tis­ten. Die Kom­man­di­tis­ten, die ihrer Pflicht zur Rück­zah­lung nach­ge­kom­men seien, hät­ten näm­lich einen Innen­aus­gleichs­an­spruch gegen­über den Mit­kom­man­di­tis­ten, der am Ende der Liqui­da­ti­on abzu­wi­ckeln sei. Für den Innen­aus­gleich sei der Klä­ger als Insol­venz­ver­wal­ter bereits nicht zustän­dig. Eine Ein­zie­hung von Beträ­gen zur Her­bei­füh­rung des Innen­aus­glei­ches sei ihm nicht gestat­tet.
Ein Recht oder eine Pflicht des Klä­gers den Beklag­ten in Anspruch zu neh­men, ergä­be sich auch nicht aus ande­ren Gesichts­punk­ten. Der Klä­ger sei ins­be­son­de­re nicht ver­pflich­tet, alle Kom­man­di­tis­ten antei­lig gleich in Anspruch zu neh­men. Viel­mehr sei ein Insol­venz­ver­wal­ter gehal­ten, nach pflicht­ge­mä­ßem Ermes­sen zu ent­schei­den, wel­che Kom­man­di­tis­ten er zu wel­chem Zeit­punkt in Anspruch nehme. Die­ses Ermes­sen ende jedoch dann, wenn der Insol­venz­mas­se genug Mit­tel zuge­flos­sen sind, um sämt­li­che Gläu­bi­ger zu befrie­di­gen. In die­sem Fall sei eine wei­ter­ge­hen­de Inan­spruch­nah­me der wei­te­ren Kom­man­di­tis­ten nicht mehr erfor­der­lich.

Recht­li­che Wür­di­gung

Der Aus­sa­ge­ge­halt der Ent­schei­dung bezieht sich zum einen auf die Kom­pe­tenz des Insol­venz­ver­wal­ters zur Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen, die der Höhe nach auf die Befrie­di­gung von Insol­venz­gläu­bi­gern beschränkt ist. Dar­über hin­aus stell­te das Gericht klar, dass der Innen­aus­gleich zwi­schen den Kom­man­di­tis­ten eine Ange­le­gen­heit der Gesell­schaf­ter selbst ist, was im Hin­blick auf die Abwick­lung eines sol­chen Anspru­ches mit erheb­li­chem Auf­wand ver­bun­den sein wird.

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