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Vertraglicher Freistellungsanspruch bei Inanspruchnahme durch Insolvenzverwalter

Der Kauf von Antei­len an Fonds­ge­sell­schaf­ten birgt Risi­ken, die durch ver­trag­li­che Klau­seln aus­ge­schlos­sen oder abge­fe­dert wer­den sol­len. Der BGH hatte in sei­nem Urteil vom 20.3.2019 — II ZR 413/18 zu prü­fen, inwie­weit die getrof­fe­ne ver­trag­li­che Rege­lung zur Behand­lung von Aus­schüt­tungs­rück­for­de­run­gen wirk­sam war.

Sach­ver­halt

Die Klä­ge­rin han­delt gewerb­lich mit Geschäfts­an­tei­len auf dem Zweit­markt. Im Rah­men ihrer Tätig­keit kauf­te sie vom Beklag­ten mit Kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag vom 25./26.8.2008 seine Kom­man­dit­an­tei­le an der MS „B. Schiff­fahrts­ge­sell­schaft mbH & Co. Ree­de­rei Co. KG“ im Nenn­wert von 900.000 € für einen Kauf­preis von 525.780 €. Laut Kauf­ver­trag war Stich­tag für die wirt­schaft­li­che Wir­kung des Ver­kaufs und die Über­tra­gung der 1.8.2008. Zudem ver­wies der Ver­trag auf von der Klä­ge­rin vor­ge­ge­be­ne All­ge­mei­ne Ver­trags­be­din­gun­gen (AGB), die in § 3 fol­gen­de Rege­lun­gen ent­hiel­ten:

„§ 3 Stich­tag, Abgren­zung, Kom­man­di­tis­ten­haf­tung

1.1. Da die ding­li­che Wir­kung der Über­tra­gung nicht zum Stich­tag, son­dern erst zum Über­tra­gungs­zeit­punkt ein­tritt (vgl. § 5), wer­den sich die Par­tei­en im Innen­ver­hält­nis so stel­len, wie sie ste­hen wür­den, wäre die ding­li­che Wir­kung zum Stich­tag ein­ge­tre­ten.

1.2. Ins­be­son­de­re, ohne Ein­schrän­kung des all­ge­mei­nen Grund­sat­zes nach vor­ste­hen­dem Absatz soll fol­gen­des gel­ten:

  1. a) Aus­zah­lung am oder nach dem Stich­tag ste­hen dem Käu­fer zu, unab­hän­gig davon, ob deren Grund­la­ge vor oder nach dem Stich­tag liegt. Inso­weit tritt der Ver­käu­fer bereits jetzt an den Käu­fer sämt­li­che Rech­te auf der­ar­ti­ge Aus­zah­lun­gen ab.
  2. b) Die Par­tei­en sind ver­pflich­tet, im Innen­ver­hält­nis Las­ten aus der Kom­man­di­tis­ten­haf­tung nach §§ 171 ff. HGB nach Maß­ga­be die­ser Stich­tags­ab­gren­zung zu tra­gen. Für Umstän­de, die die Kom­man­di­tis­ten­haf­tung vor dem Stich­tag begrün­den, steht der Ver­käu­fer ein, für Umstän­de, die die Kom­man­di­tis­ten­haf­tung nach dem Stich­tag begrün­den, steht der Käu­fer ein. Die Par­tei­en stel­len sich inso­weit wech­sel­sei­tig frei.
  3. c) Für Umstän­de, die zur Ver­pflich­tung eines Kom­man­di­tis­ten zur Leis­tung in das Ver­mö­gen der Fonds­ge­sell­schaft füh­ren, gel­ten die Absät­ze 2 und 3 des vor­ste­hen­den § 3.2 lit. b ent­spre­chend.“

Gemäß der Rege­lung in § 5 AGB stand die Über­tra­gung der Betei­li­gung unter der auf­schie­ben­den Bedin­gung der Zah­lung des Kauf­prei­ses an den Ver­käu­fer und der Ein­tra­gung des Käu­fers als Kom­man­di­tist im Han­dels­re­gis­ter.

Bis zu dem ver­ein­bar­ten Stich­tag hatte der Beklag­te aus der Betei­li­gung ins­ge­samt Aus­schüt­tun­gen von 288.000 € erhal­ten. Am 19.8.2008 erhielt der Beklag­te eine wei­te­re Aus­schüt­tung von 86.000 €, die auf den Kauf­preis zwi­schen den Par­tei­en ver­rech­net wurde. Den wei­ter­ge­hen­den Kauf­preis zahl­te die Klä­ge­rin an den Beklag­ten. Am 17.3.2009 wurde das Aus­schei­den des Beklag­ten aus der KG im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Über das Ver­mö­gen der Fonds­ge­sell­schaft wurde am 19.4.2014 das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Mit Schrei­ben vom 5.6.2015 for­der­te der Insol­venz­ver­wal­ter die Klä­ge­rin unter Hin­weis auf §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB zum Aus­gleich der an den Beklag­ten geleis­te­ten Aus­schüt­tun­gen auf.

Die Klä­ge­rin ver­langt von der Beklag­ten die Frei­stel­lung durch Zah­lung von 288.000 € nebst Zin­sen seit dem 15.7.2015 an den Insol­venz­ver­wal­ter der KG, sowie hilfs­wei­se Befrei­ung von der Inan­spruch­nah­me durch den Insol­venz­ver­wal­ter. Das LG gab dem Zah­lungs­an­trag statt. Auf die Beru­fung des Beklag­ten hin wurde die Klage abge­wie­sen. Mit der Revi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihr Begeh­ren wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Klau­sel unwirk­sam

Der BGH lehnt einen ver­trag­li­chen Frei­stel­lungs­an­spruch aus § 3.2.b AGB ab. Die ent­spre­chen­de Klau­sel sei wegen Intrans­pa­renz nach § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S 1 BGB unwirk­sam, da die Rege­lung nicht klar und ver­ständ­lich sei. Das Trans­pa­renz­ge­bot gebe dem Ver­wen­der von AGB vor, dass er die Rech­te und Pflich­ten sei­nes Ver­trags­part­ners klar und durch­schau­bar fest­le­gen müsse. Die Trans­pa­renz müsse sich nicht nur in Bezug auf die Rege­lung selbst, son­dern auch in einer Gesamt­schau mit wei­te­ren ver­trag­li­chen Rege­lun­gen erge­ben. Dem Ver­trags­part­ner aus der Klau­sel erwach­sen­de wirt­schaft­li­che Nach­tei­le müss­ten für einen durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ner erkenn­bar sein. Diese Anfor­de­run­gen würde die Rege­lung in § 3.2.b AGB nicht genü­gen. Weder würde die Rege­lung für sich allei­ne, noch in einer Gesamt­schau mit den wei­te­ren ver­trag­li­chen Rege­lun­gen in § 3 AGB dem Trans­pa­renz­ge­bot genü­gen.

Die Umstän­de, wie die Kom­man­di­tis­ten­haf­tung vor bzw. ab dem Stich­tag „begrün­det“ wer­den und damit zwi­schen den Par­tei­en ver­teilt wer­den solle, sei nicht hin­rei­chend bestimmt. Sofern die Klä­ge­rin die Ansicht ver­tre­te, die Bestim­mun­gen über die haf­tungs­aus­lö­sen­den Umstän­de seien von Geset­zes wegen ein­deu­tig und in § 172 Abs. 4 HGB gere­gelt, grei­fe nicht. Die Inan­spruch­nah­me eines aus­ge­schie­de­nen Kom­man­di­tis­ten nach §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB sei gesetz­lich durch §§ 160, 161 HGB beschränkt. Ein aus­ge­schie­de­ner Kom­man­di­tist hafte nur für die bis zu sei­nem Aus­schei­den begrün­de­ten Ver­bind­lich­kei­ten und zeit­lich nur für einen fünf­jäh­ri­gen Zeit­raum nach Aus­schei­den. Infol­ge des­sen könne der Begriff der haf­tungs­be­grün­de­ten Umstän­de in § 3.2.b AGB auch so zu ver­ste­hen sein, dass nicht nur eine haf­tungs­schäd­li­che Aus­zah­lung vor dem Aus­schei­den an den Käu­fer erfolgt sein müsse, son­dern dar­über hin­aus auch die wei­te­re Vor­aus­set­zung nach § 160 HGB vor­lie­gen müs­sen. Da inso­fern eine Prä­zi­sie­rung in § 3.2.b AGB nicht gege­ben sei, könne ein Ver­trags­part­ner der Klä­ge­rin nicht erken­nen, wel­che Nach­tei­le und Belas­tun­gen ihm aus der Ver­trags­re­ge­lung erwach­sen.

Die For­mu­lie­rung in § 3.2 AGB sug­ge­rie­re zudem, dass § 3.2.a und § 3.2.b AGB ledig­lich Kon­kre­ti­sie­run­gen zu § 3.1 AGB ent­hal­te, ohne diese aber zulas­ten oder zuguns­ten einer der Par­tei­en abzu­än­dern. § 3.2.a bestä­ti­ge dies auch mit sei­nem Inhalt. Dage­gen würde § 3.2.b AGB über eine Prä­zi­sie­rung hin­aus­ge­hen. Sie führt zu einer erheb­li­chen Aus­wei­tung der Haf­tung des Ver­käu­fers im Innen­ver­hält­nis zwi­schen den Kauf­ver­trags­par­tei­en. Ins­be­son­de­re in zeit­li­cher Hin­sicht würde eine Aus­deh­nung erfol­gen, die über die 5‑Jahresregelung des § 160 HGB hin­aus­ge­he.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die in AGBs ent­hal­te­ne Haf­tungs­ver­tei­lung ist prä­zi­se zu for­mu­lie­ren und muss dar­auf abzie­len, auf der Hand lie­gen­den Risi­ken der Rück­for­de­rung von erhal­te­nen Aus­schüt­tun­gen genau zu regeln. Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn der Ver­wen­der zu Las­ten sei­nes Ver­trags­part­ners von gesetz­li­chen Regeln abwei­chen will.

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