Gesellschaften und Ihre Organe

Einziehung einer an die Bank abgetretenen Forderung auf debitorisches Konto

Zah­lun­gen an Gläu­bi­ger einer Gesell­schaft als auch For­de­rungs­ein­zie­hun­gen in der wirt­schaft­li­chen Krise einer Gesell­schaft beinhal­ten erheb­li­che Haf­tungs­ri­si­ken für die Geschäfts­lei­ter. In sei­nem Urteil vom 8.12.2015 hatte der BGH einen Sach­ver­halt zu ent­schei­den, in dem der GmbH-Geschäftsführer eine abge­tre­te­ne For­de­rung auf ein debi­to­ri­sches Konto der GmbH ein­zah­len ließ.

Sach­ver­halt

Der Beklag­te war Geschäfts­füh­rer der L. GmbH (Schuld­ne­rin). Diese unter­hielt bei der Volks­bank K. (Bank) ein Kon­to­kor­rent­kon­to. Das Konto wurde durch­gän­gig im Soll geführt. Am 31.8.2007 trat die Schuld­ne­rin durch Glo­bal­ab­tre­tungs­ver­trag sämt­li­che gegen­wär­ti­gen und künf­ti­gen Ansprü­che aus dem Geschäfts­ver­kehr, ins­be­son­de­re aus Lie­fe­rung und Leis­tung gegen Drit­te unter Beach­tung ent­ge­gen­ste­hen­der ver­län­ger­ter Eigen­tums­vor­be­hal­te zur Absi­che­rung sämt­li­cher Ansprü­che der Bank aus der bank­mä­ßi­gen Geschäfts­ver­bin­dung ab. Im Zeit­raum 15.12.2007 bis 22.2.2011 wurde auf dem debi­to­ri­schen Kon­to­kor­rent­kon­to das Saldo durch ein­ge­hen­de Zah­lun­gen in Höhe von 58.179,14 € ver­rin­gert. Über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin wurde sodann am 1.7.2011 das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Klä­ger zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Die­ser for­der­te vom Beklag­ten die Erstat­tung von 58.179,14 €. Vor dem Land- und Beru­fungs­ge­richt war die Klage ohne Erfolg. Mit sei­ner Revi­si­on ver­folg­te der Klä­ger sein Kla­ge­be­geh­ren wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Ent­schei­dend ist Zeit­punkt der Wert­hal­tig­ma­chung

Der BGH hat das Urteil des Beru­fungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Ange­le­gen­heit zurück ver­wie­sen. Zunächst bestä­tigt der BGH dabei die Ansicht des Beru­fungs­ge­richts, nach der der Ein­zug von For­de­run­gen auf ein debi­to­ri­sches Konto grund­sätz­lich eine mas­se­schmä­lern­de Wir­kung nach § 64 Satz 1 GmbHG habe. Durch die Ver­rech­nung mit dem Soll­sal­do wür­den Gesell­schafts­mit­tel an einen Gläu­bi­ger geleis­tet.

Wei­ter­hin bestä­tigt der BGH die Ansicht des Beru­fungs­ge­rich­tes, sofern die­ses eine Mas­se­schmä­le­rung in Fäl­len aus­schließt, in denen die ein­ge­zo­ge­ne For­de­rung einem Glo­bal­ab­tre­tungs­ver­trag unter­fällt.

Das Beru­fungs­ge­richt habe aber nach Ansicht des BGH fol­gen­des unbe­ach­tet gelas­sen: Eine mas­se­schmä­lern­de Leis­tung durch die unmit­tel­ba­re Zah­lung an die Bank könne vor­lie­gen, wenn eine vor Insol­venz­rei­fe zur Sicher­heit abge­tre­te­ne zukünf­ti­ge For­de­rung erst nach Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe ent­stan­den ist, oder wenn sie zwar vor Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe ent­stan­den, aber erst danach wert­hal­tig gewor­den ist und der Geschäfts­füh­rer die Ent­ste­hung der For­de­rung oder deren Wert­hal­tig­wer­den hätte ver­hin­dern kön­nen. Zwar könne ein Geschäfts­füh­rer eine Ver­wer­tung der Sicher­heit durch den Zes­sio­nar nach Insol­venz­rei­fe nicht ver­hin­dern, aber er dürfe auch nicht bewir­ken, dass der Zes­sio­nar zu Las­ten der Masse noch nach Insol­venz­rei­fe eine wert­hal­ti­ge For­de­rung erhal­te.

Nach Ansicht des BGH müss­te man zwi­schen dem Ver­fü­gungs­tat­be­stand und dem Rechts­über­gang unter­schei­den. Mit dem Abschluss des Abtre­tungs­ver­trags sei der Ver­fü­gungs­tat­be­stand über die For­de­rung abge­schlos­sen. Der tat­säch­li­che Rechts­über­gang auf den Gläu­bi­ger voll­zie­he sich jedoch erst, wenn die For­de­rung tat­säch­lich ent­ste­he. Die Mas­se­schmä­le­rung liege damit nicht in dem Umstand, dass bereits vor Insol­venz­rei­fe künf­ti­ge For­de­run­gen abge­tre­ten wor­den seien. Viel­mehr sei die Schmä­le­rung darin zu sehen, dass die siche­rungs­ab­ge­tre­te­ne For­de­rung nicht zuguns­ten des Ver­mö­gens der Gesell­schaft, son­dern zuguns­ten eines ein­zel­nen Gläu­bi­gers ent­ste­he. Es oblie­ge der Ent­schei­dung des Geschäfts­füh­rers, die Abtre­tung, z. B. durch Kün­di­gung des Kon­to­kor­rent­ver­tra­ges oder das Ent­ste­hen der For­de­rung nach Insol­venz­rei­fe zu ver­hin­dern. Gera­de dann, wenn die Schuld­ne­rin Ver­trä­ge nach Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe ein­ge­he und der Anspruch auf Gegen­leis­tung in die Zes­si­on falle, sei eine Mas­se­schmä­le­rung gege­ben.

Im Ergeb­nis sei ent­schei­dend, zu wes­sen Guns­ten eine Wert­schöp­fung erfol­ge. Im Fall der Insol­venz­rei­fe würde eine Wert­schöp­fung zuguns­ten der Bank zugleich zu Las­ten der Gläu­bi­ger­ge­samt­heit bzw. Insol­venz­mas­se gehen. Da im vor­lie­gen­den Fall das Beru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt habe, wann die von der Schuld­ne­rin ein­ge­zo­ge­nen For­de­run­gen ent­stan­den bzw. wert­hal­tig gewor­den seien und zugleich es unter­las­sen wurde, den Zeit­punkt des Ein­tritts der Insol­venz­rei­fe zu bestim­men, könne – so der BGH — im vor­lie­gen­den Fall keine abschlie­ßen­de Ent­schei­dung getrof­fen wer­den.

Recht­li­che Wür­di­gung

Der BGH bestä­tigt in der vor­lie­gen­den Ent­schei­dung noch ein­mal, dass es für die mög­li­che Haf­tung eines Geschäfts­lei­ters nicht nur auf den Zeit­punkt der Abtre­tung einer For­de­rung ankommt, son­dern dar­über hin­aus­ge­hend ent­schei­dend ist, wann die Wert­hal­tig­keit der For­de­rung ein­tritt. Dies müs­sen Geschäfts­lei­ter in der wirt­schaft­li­chen Krise drin­gend beach­ten, da von die­sem Umstand ein erheb­li­ches Haf­tungs­ri­si­ko aus­geht.

BGH, Urteil vom 08.12.2015 ‑II ZR 68/14

Ihr Ansprech­part­ner: Rechts­an­walt Dr. Oli­ver Jenal

Vorheriger Beitrag
Absicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeit
Nächster Beitrag
Vorstand einer Krankenkasse haftet für Pflichtverletzungen

Auch interessant