Krise, Sanierung und Insolvenz

Rechtsschutzinteresse bei Gläubigerantrag

Das Insol­venz­ver­fah­ren wird von Gläu­bi­gern häu­fig als Druck­mit­tel ver­wen­det. Der BGH (Beschluss vom 15.09.2016 – IX ZB 32/16) hatte im Rah­men eines Beschwer­de­ver­fah­rens zu prü­fen, ob ein rechts­kräf­tig abge­schlos­se­ner Vor­pro­zess das Rechts­schutz­in­ter­es­se eines Gläu­bi­gers an einem Insol­venz­an­trag aus­schlie­ßen kann.

Sach­ver­halt

Die Schuld­ne­rin war Gesell­schaf­te­rin der Auto­haus R. OHG, die ihrer­seits im Jahr 2006 ein Dar­le­hen bei einem Kre­dit­in­sti­tut, der Betei­lig­ten zu 1 auf­nahm. Zugleich war die Schuld­ne­rin hälf­ti­ge Mit­ei­gen­tü­me­rin eines in D. gele­ge­nen Haus­grund­stücks. Zwi­schen der Betei­lig­ten zu 1 und der Schuld­ne­rin bestand Einig­keit dar­über, dass die­ser hälf­ti­ge Anteil nicht als Sicher­heit für das Dar­le­hen belas­tet wer­den soll. Am 27.05.2011 über­trug die Schuld­ne­rin ihren hälf­ti­gen Mit­ei­gen­tums­an­teil auf ihre Toch­ter. Am 22.6.2011 wurde das Dar­le­hen der OHG gekün­digt und hin­sicht­lich des Anspruchs in Höhe von 862.587,19 € am 06.10.2011 ein Teil­be­trag in Höhe von € 300.000,00 gegen die Schuld­ne­rin im Rah­men eines Voll­stre­ckungs­be­schei­des titu­liert.
Von der Toch­ter der Schuld­ne­rin ver­lang­te die Betei­lig­te zu 1 auf­grund Gläu­bi­ger­an­fech­tung die Dul­dung in die Zwangs­voll­stre­ckung auf den über­tra­ge­nen Grund­stücks­an­teil. Die ent­spre­chen­de Klage wurde jedoch rechts­kräf­tig abge­wie­sen. Begrün­det wurde die Kla­ge­ab­wei­sung damit, dass der Schuld­ne­rin ein Scha­den­er­satz­an­spruch gegen die Betei­lig­te zu 1 zuste­he. Hin­ter­grund des Scha­den­er­satz­an­spruchs sei es, dass die Betei­lig­te zu 1 die Schuld­ne­rin nicht über die Mög­lich­keit unter­rich­tet habe, dass sie eine Zwangs­voll­stre­ckung trotz feh­len­der ding­li­cher Belas­tung in das Grund­stück vor­neh­men könne.
Die Betei­lig­te zu 1 stell­te in der Folge einen Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin, wel­ches am 13.03.2015 eröff­net wurde. Die Schuld­ne­rin legte hier­ge­gen Beschwer­de ein, die zurück­ge­wie­sen wurde. Das Beschwer­de­ge­richt hat die Rechts­be­schwer­de zuge­las­sen.

Ent­schei­dung des BGH: Antrag zuläs­sig

Der BGH bejaht ein recht­li­ches Inter­es­se der Betei­lig­ten zu 1 an der Eröff­nung eines Insol­venz­ver­fah­rens. Durch die Vor­la­ge des Voll­stre­ckungs­be­schei­des vom 06.10.2011 habe die Betei­lig­te zu 1 ihre For­de­rung gegen die Schuld­ne­rin nach­ge­wie­sen. Mit der Titu­lie­rung seien der Schuld­ne­rin Ein­wen­dun­gen gegen die For­de­rung an sich genom­men. Sie hätte diese Ein­wen­dun­gen gegen die For­de­rung in dem ent­spre­chen­den Ver­fah­ren vor­brin­gen müs­sen. Es sei nicht Auf­ga­be des Insol­venz­ge­richts, recht­lich und tat­säch­lich zwei­fel­haf­ten Ein­wen­dun­gen gegen eine titu­lier­te For­de­rung nach­zu­ge­hen. Der von der Schuld­ne­rin gel­tend gemach­te Scha­den­er­satz­an­spruch dage­gen sei strei­tig. Hier­an wür­den auch die Fest­stel­lun­gen des Pro­zess­ge­rich­tes im Ver­fah­ren zwi­schen der Toch­ter der Schuld­ne­rin und der Betei­lig­ten zu 1 nichts ändern, da die Schuld­ne­rin selbst nicht an dem Ver­fah­ren betei­ligt war. Eine Rechts­krafter­stre­ckung des Titels auf das Ver­hält­nis zwi­schen der Schuld­ne­rin und der Betei­lig­ten zu 1 erge­be sich folg­lich nicht.
Ein Rechts­schutz­in­ter­es­se ent­fal­le auch nicht, weil einer poten­ti­el­len Anfech­tungs­kla­ge der Insol­venz­mas­se gegen die Toch­ter der Schuld­ne­rin nach §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO keine Erfolgs­aus­sich­ten zuzu­mes­sen wären. Eine Rechts­kraft aus dem Ver­fah­ren zwi­schen der Toch­ter der Schuld­ne­rin und der Betei­lig­ten zu 1 erwach­se näm­lich auch für den Insol­venz­ver­wal­ter nicht. Auch hier man­ge­le es an einer Iden­ti­tät der Pro­zess­par­tei­en. Ein Gläu­bi­ger könne auch nicht über den der Insol­venz­mas­se zuste­hen­den materiell-rechtlichen Anfech­tungs­an­spruch nach §§ 129 ff. InsO durch eige­ne Pro­zess­füh­run­gen dis­po­nie­ren.
Das Rechts­schutz­in­ter­es­se der Betei­lig­ten zu 1 ent­fal­le auch nicht des­halb, weil sie im eröff­ne­ten Ver­fah­ren nicht mit einer Befrie­di­gung rech­nen könne. Eine Insol­venz­an­trag­stel­lung sei auch bei völ­li­ger Mas­se­un­zu­läng­lich­keit mög­lich. Ein Insol­venz­ver­fah­ren sei nach § 26 InsO dann zu eröff­nen, wenn die Ver­fah­rens­kos­ten gedeckt seien. Auch der Umstand, dass die Betei­lig­te zu 1 die ein­zi­ge Gläu­bi­ge­rin des Ver­fah­rens sei, sei kein Argu­ment für ein feh­len­des Rechts­schutz­in­ter­es­se.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die betrei­ben­de Gläu­bi­ge­rin sieht in dem Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin eine „zwei­te Chan­ce“, um zumin­dest teil­wei­se einen Aus­gleich ihrer For­de­rung zu errei­chen. Der Insol­venz­ver­wal­ter ist erneut berech­tigt, mit­tels der insol­venz­recht­li­chen Anfech­tung eine Rück­for­de­rung des Immo­bi­li­en­an­teils zu errei­chen.

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