Welcher Anforderungen in einem Rechtsstreit an die Individualisierung von Forderungen zu stellen ist, ist immer wieder problematisch und kann erhebliche Auswirkungen, z.B. im Hinblick auf die Verjährung haben. Über eine solche Konstellation hat der BGH in seinem Urteil vom 23.2.2021 — II ZR 89/20 entschieden.
Sachverhalt
Kläger (K) ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondgesellschaft in Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, über deren Vermögen mit Beschluss vom 21.2.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte (B) ist als Kommanditist mit einer Einlage von 70.000 € an der Schuldnerin beteiligt und erhielt in den Jahren 2004 bis 2008 gewinnunabhängige Ausschüttungen i. H. v. 34.300 €. Im Rahmen eines Sanierungsprogramms zahlte B 12.000 € im Jahre 2010 an die Schuldnerin zurück und später weitere 600 €. K verlangt von dem B unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr geleisteter Kommanditeinlage die noch offene Differenz i. H. v. 21.700 €.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Forderung verjährt sei, da der klägerische Vortrag noch die vorgelegte Insolvenztabelle zur Individualisierung der Gläubigerforderungen genüge. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidung des BGH: Hinreichende Individualisierung des Klagegrundes
Der BGH hebt das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verweist die Sache an dieses zurück.
Die Forderung sei nicht verjährt. Der Kläger habe den Klagegrund den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend bezeichnet und durch die Bezugnahme auf die vorgelegte Insolvenztabelle hinreichend individualisiert. Entsprechend sei Hemmung der Verjährung eingetreten. Dass die angemeldeten Gläubigerforderungen in der vorgelegten Insolvenztabelle nur schlagwortartig umschrieben wurden, ohne Bezugnahme auf eine konkrete Berechnung oder einen Leistungszeitraum stünde einer hinreichenden Individualisierung nicht entgegen. Für eine Individualisierung des Klageanspruchs komme es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klagschrift vollständig beschrieben und der Klaganspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden sei. Vielmehr sei es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist indem er durch Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage einer der materiellen Rechtkraft fähigen Vollstreckungstitel sein könne. Dabei genüge eine konkrete Bezugnahme auf die der Klagschrift beigefügten Anlagen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Der Kläger habe mit der Klage eine später aktualisierte Forderungsaufstellung vorgelegt, die durch Kennzeichnung der Forderung mit laufender Nummer, Gläubiger und Betrag auf die Forderungsanmeldungen nach § 174 Abs. 1 und Abs. 2 InsO Bezug nimmt. Damit sei eine Zuordnung der einzelnen Forderungsbeträge erfolgt, die den Klagegegenstand auch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft eines späteren ausreichend individualisiere. Entsprechend sei das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Die Sache sei nicht entscheidungsreif, da noch Feststellungen zur Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten nach den §§ 171, 172, 161 Abs. 2, 128 HGB zu treffen wären. Der Senat wies insoweit vorsorglich darauf hin, dass auch nachrangige Gläubigerforderungen berücksichtigt werden könnten und dem Beklagten der Erfüllungseinwand zustehen könne. Soweit sich der Beklagte nicht darauf berufen könne, dass die Forderungen für die die Gesellschafter haften durch Zahlung anderer Kommanditisten bereits gedeckt seien, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben ob die Inanspruchnahme des Beklagten unter Berücksichtigung der sonst zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse erforderlich sei. Diese Prüfung sei von einer Prognose abhängig die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet sei. Der Kläger sei angesichts dessen zu einer Schätzung berechtigt.
Rechtliche Würdigung
Der Bundesgerichtshof schiebt einer schnellen Klagabweisung wegen angeblicher mangelnder Individualisierung erneut einen Riegel vor. Die Anforderungen dürfen hier nicht überspannt werden, was der BGH zutreffend ausführt. Die weiteren Hinweise des Gerichts bewegen sich auf der bisherigen, zunehmend ausdifferenzierten Rechtsprechung.[:]