Vermögensnachfolge und Erben

Vorweggenommene Erbfolge und Insolvenzanfechtung

Dass eine ein­fa­che vor­weg­ge­nom­me­ne Erb­fol­ge fürch­ter­li­che Fol­gen haben kann, zeigt fol­gen­der Fall, den unser Kol­le­ge Dr. Sebas­ti­an Over­kamp jüngst im Saar­land abge­schlos­sen hat.

Zwei Ehe­leu­te waren in bei­der­seits zwei­ter Ehe ver­hei­ra­tet. Es gab jeweils eine Toch­ter aus ers­ter Ehe, keine gemein­sa­men Kin­der. Das Haus gehör­te den Ehe­leu­ten je zur Hälf­te. In einem Erb­ver­tag setz­ten sich beide gegen­sei­tig zu allei­ni­gen Voll­erben ein, bestimm­ten aber keine bin­den­de Schluss­erbfol­ge.

Der Ehe­mann ver­starb zuerst, seine Toch­ter macht den Pflicht­teil gegen die Ehe­frau gel­tend. Beide waren anwalt­lich ver­tre­ten. Schrei­ben wur­den aus­ge­tauscht. Es dau­er­te, bis das Wert­gut­ach­ten und das nota­ri­el­le Nach­lass­ver­zeich­nis vor­ge­legt wur­den. Wäh­rend des­sen über­trug die Ehe­frau das (jetzt ihr allein gehö­ren­de) Haus auf ihre Toch­ter und behielt sich ein Wohn­recht vor. Als auch die Ehe­frau starb, war zwar das Haus weg, der Pflicht­teil aber noch nicht bezahlt. Die Toch­ter der Ehe­frau schlug die Erb­schaft aus.

Die Pflicht­teils­be­rech­tig­te bean­trag­te die Anord­nung der Nach­lass­pfleg­schaft und das Nach­lass­ge­richt bestell­te einen erfah­re­nen Nach­lass­pfle­ger. Der fand Kon­to­gut­ha­ben in nur drei­stel­li­ger Höhe und Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten in Form des Pflicht­teils im hohen fünf­stel­li­gen Bereich vor. Er bean­trag­te die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über den Nach­lass. Wegen der offen­sicht­li­chen Anfecht­bar­keit der Immo­bi­li­en­über­tra­gung wurde das Ver­fah­ren vom Amts­ge­richt Saar­brü­cken zügig eröff­net. Der Insol­venz­ver­wal­ter beauf­trag­te uns mit der Gel­tend­ma­chung des Anfech­tungs­an­spruchs nach § 134 InsO.

Wir machen den Anspruch vor­ge­richt­lich gel­tend und for­dern zusätz­lich zur Bewil­li­gung der Ein­tra­gung einer Vor­mer­kung auf, um das Grund­buch zu sper­ren. Nach Frist­ab­lauf erlässt das Land­ge­richt Saar­brü­cken auf unse­ren Antrag ohne Anhö­rung eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung, auf deren Grund­la­ge die Vor­mer­kung im Grund­buch ein­ge­tra­gen wird. Die Anfech­tungs­geg­ne­rin erhebt Wider­spruch mit dem Argu­ment, das vor­be­hal­te­ne Wohn­recht stel­le eine Gegen­leis­tung dar, wes­halb die Über­tra­gung nicht unent­gelt­lich erfolgt sei. Diese Über­le­gung liegt nahe, sie hilft bei der Schen­kungs­steu­er, dem Rück­for­de­rungs­an­spruch nach §§ 528, 530 BGB und regel­mä­ßig auch bei der Pflicht­teils­er­gän­zung. Nicht aber so bei der Insol­venz­an­fech­tung. Hier führt das zurück­be­hal­te­ne Wohn­recht nur dazu, dass der Gegen­stand der Schen­kung, der nach § 143 InsO zurück zu gewäh­ren ist, vor der Schen­kung belas­tet wird. Der Anfech­tungs­geg­ner muss den belas­te­ten Gegen­stand zurück­ge­wäh­ren, ist aber auch nicht zur Besei­ti­gung der Belas­tung ver­pflich­tet. Die Belas­tung jedoch, die ihrer­seits in einem Wohn­recht bestand, ist durch den Tod der Ehe­frau als Berech­tig­ter bereits weg­ge­fal­len. Das Land­ge­richt Saar­brü­cken erhält daher die einst­wei­li­ge Ver­fü­gung auf­recht, die Anfech­tungs­geg­ne­rin legt Beru­fung ein, wir erhe­ben Klage in der Haupt­sa­che. Als das Saar­län­di­sche Ober­lan­des­ge­richt wegen der offen­sicht­lich feh­len­den Erfolgs­aus­sicht die Beru­fung durch ein­stim­mi­gen Beschluss zurück­weist, schlie­ßen wir einen Ver­gleich. Die Anfech­tungs­geg­ne­rin zahlt zur Abgel­tung des Anfech­tungs­an­spruchs annä­hernd den Ver­kehrs­wert der Immo­bi­lie.

Im Ergeb­nis fal­len für den Anfech­tungs­pro­zess hohe fünf­stel­li­ge Pro­zess­kos­ten für ins­ge­samt drei Instan­zen an. Hinzu kommt eine fünf­stel­li­ge Ver­gü­tung für den Insol­venz­ver­wal­ter und hohe vier­stel­li­ge Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten durch die Ver­gü­tung des Nach­lass­pfle­gers inkl. des­sen Aus­la­gen für die Ver­tre­tung der unbe­kann­ten Erben im Insolvenz-(eröffnungs-)verfahren. Gleich­wohl wer­den im Insol­venz­ver­fah­ren 100% Quote für die Gläu­bi­ger erreicht und sogar die nach­ran­gi­gen Zin­sen und Kos­ten sind gedeckt. Für den Insol­venz­ver­wal­ter, den Nach­lass­pfle­ger und die Gläu­bi­ger sowie deren jewei­li­gen Anwäl­te ist das ein her­vor­ra­gen­des Ergeb­nis. Alle sind zufrie­den.

Nicht so natür­lich die Anfech­tungs­geg­ne­rin. Sie bezahlt im Ergeb­nis für das Haus, das ihre Mut­ter ihr geschenkt hat, den Markt­preis und die Kos­ten des Anfech­tungs­pro­zes­ses oben­drauf. Ohne die vor­weg­ge­nom­me­ne Erb­fol­ge und die Aus­schla­gung hätte sie zwar den Pflicht­teil als Ver­bind­lich­keit, aber eben auch das Haus geerbt. Das wäre ein sehr viel bes­se­rer Deal gewe­sen wäre. Ihr Scha­den liegt deut­lich im sechs­stel­li­gen Bereich.

Die­ser Fall kommt, wenn man nur die auf die Über­tra­gung der Immo­bi­lie schaut, als einer von zig­tau­send jähr­lich in Deutsch­land voll­zo­ge­nen Über­tra­gungs­ver­trä­gen daher. Er zeigt aber auch sehr anschau­lich, was pas­sie­ren kann, wenn sol­che Geschäf­te ohne anwalt­li­che Beglei­tung geschlos­sen wer­den. Hätte die Ehe­frau oder ihre Toch­ter bei der Über­tra­gung oder zumin­dest bei der Erb­aus­schla­gung einen Fach­an­walt für Erbrecht hin­zu­ge­zo­gen, hätte die­ser erken­nen kön­nen und müs­sen, dass eine Nach­lass­in­sol­venz mit Insol­venz­an­fech­tung und ent­spre­chen­dem Kos­ten­an­fall droht. Diese The­men gehö­ren völ­lig zurecht zum Prü­fungs­stoff für den Fach­an­walts­ti­tel. Ein Fach­an­walt hätte der Toch­ter gera­ten, die Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten in Form des Pflicht­teils der Stief­schwes­ter zu beglei­chen, um zumin­dest in den Genuss des übri­gen Nach­las­ses zu kom­men, und ihr damit sehr viel Geld gespart.

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