Krise, Sanierung und Insolvenz

Anforderungen an eine wirksame Forderungsanmeldung

Bei der Anmel­dung einer For­de­rung ist die Begrün­dung viel­fach knapp, was durch die Ver­wen­dung der ent­spre­chen­den For­mu­la­re begüns­tigt wird. Wel­che Vor­aus­set­zun­gen für eine hin­rei­chen­de Anmel­dung erfor­der­lich sind, hat nun­mehr der BGH, Urteil vom 25.6.2020 — IX ZR 47/19 näher kon­kre­ti­siert.

Sach­ver­halt

Die R GmbH ver­kauf­te mit Ver­trag vom 10.10.2011 Solar­mo­du­le an die S KG, fort­an Schuld­ne­rin. Der Klä­ger ist Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der R GmbH. Er erhob gegen die Schuld­ne­rin und deren per­sön­lich haf­ten­de Gesell­schaf­te­rin am 29.12.2015 Klage auf Zah­lung eines Kauf­prei­ses in Höhe von 4.243.200,00 € zuzüg­lich Umsatz­steu­er, Zin­sen und Kos­ten. Der Rechts­streit gegen die per­sön­lich haf­ten­de Gesell­schaf­te­rin ist auf­grund der Eröff­nung deren Insol­venz­ver­fah­rens unter­bro­chen. Mit Beschluss vom 6.5.2016 schließ­lich wurde auch das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin eröff­net und der Beklag­te zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Der Klä­ger mel­de­te im Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin mit Schrei­ben vom 23.5.2016 eine Haupt­for­de­rung über 5.049.408,00 € zzgl. Zin­sen und Kos­ten zur Insol­venz­ta­bel­le an. Im Prü­fungs­ter­min vom 20.7.2016 bestritt der Beklag­te die ange­mel­de­te For­de­rung in vol­lem Umfang. Mit Schrift­satz vom 17.8.2016 hat der Klä­ger das Ver­fah­ren gegen den Beklag­ten als Insol­venz­ver­wal­ter im Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin auf­ge­nom­men. Der Klä­ger bean­tragt eine For­de­rung über ins­ge­samt 6.513.014,60 € zur Tabel­le fest­zu­stel­len.

Das Land­ge­richt hat die Klage man­gels Fäl­lig­keit abge­wie­sen. Auf die Beru­fung des Klä­gers hat das Beru­fungs­ge­richt die Klage als unzu­läs­sig abge­wie­sen. Mit sei­ner vom Senat zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folgt der Klä­ger sein Begeh­ren wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Wirk­sa­me For­de­rungs­an­mel­dung

Der BGH hebt das Beru­fungs­ur­teil auf und ver­weist die Sache zurück. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts sei die Klage zuläs­sig. Das Beru­fungs­ge­richt meine zu Unrecht, eine unwirk­sa­me For­de­rungs­an­mel­dung stehe einer Auf­nah­me eines nach § 240 ZPO unter­bro­che­nen Pro­zes­ses nicht ent­ge­gen, son­dern führe zur Unzu­läs­sig­keit der Klage. Der Gläu­bi­ger könne viel­mehr einen auf­grund Insol­venz­er­öff­nung unter­bro­che­nen Rechts­streit erst auf­neh­men, wenn die For­de­run­gen im Insol­venz­ver­fah­ren ange­mel­det und geprüft wor­den, sowie bestrit­ten geblie­ben sind. Das Erfor­der­nis des insol­venz­recht­li­chen Fest­stel­lungs­ver­fah­rens sei nicht abding­bar, es han­delt sich um eine zwin­gen­de Sach­ur­teils­vor­aus­set­zung, sowohl im Fall einer neu erho­be­nen Fest­stel­lungs­kla­ge als auch bei Auf­nah­me eines unter­bro­che­nen Rechts­streits. Fehle es hier­an, so sei die Auf­nah­me des Pro­zes­ses durch den Gläu­bi­ger nicht wirk­sam. Dabei setze eine wirk­sa­me Auf­nah­me nicht ledig­lich vor­aus, dass die For­de­rung im Prü­fungs­ter­min geprüft wor­den sei. Unwirk­sam sei auch die Auf­nah­me eines unter­bro­che­nen Pro­zes­ses auch dann, wenn es an einer wirk­sa­men Anmel­dung der For­de­rung fehle. Die dies­be­züg­li­che Rege­lung des § 180 Abs. 2 InsO diene dazu, den Kosten- und Zeit­auf­wand eines selb­stän­di­gen Insol­venz­fest­stel­lungs­pro­zes­ses zu ver­mei­den und die bis­he­ri­gen Pro­zess­ergeb­nis­se zu erhal­ten. Aus die­ser Ziel­set­zung folge, dass die Bestim­mun­gen über das insol­venz­recht­li­che Fest­stel­lungs­ver­fah­ren zugleich Vor­aus­set­zung für die wirk­sa­me Auf­nah­me eines gemäß § 240 ZPO unter­bro­che­nen Pro­zes­ses seien. Recht­schutz­be­den­ken stün­den der Ein­ord­nung als Vor­aus­set­zung einer wirk­sa­men Auf­nah­me eines unter­bro­che­nen Pro­zes­ses eben­falls nicht ent­ge­gen. Bestehe Streit über die Wirk­sam­keit der Auf­nah­me, so sei hier­über durch Zwi­schen­ur­teil zu ent­schei­den. Wenn das Gericht die Auf­nah­me für unwirk­sam halte, sei die­ses wie ein End­ur­teil anfecht­bar.

Der Klä­ger hat den Rechts­streit nach Auf­fas­sung des BGH vor­lie­gend auch wirk­sam auf­ge­nom­men. Die For­de­rungs­an­mel­dung genü­ge den Anfor­de­run­gen nach § 174 InsO. Der Gläu­bi­ger habe bei der Anmel­dung den Lebens­sach­ver­halt dar­zu­le­gen, der in Ver­bin­dung mit einem nicht not­wen­dig eben­falls vor­zu­tra­gen­den Rechts­satz die gel­tend gemach­te For­de­rung als begrün­det erschei­nen lasse. Diese Anfor­de­run­gen bezie­hen sich allei­ne dar­auf, ob der Streit­ge­gen­stand hin­rei­chend bestimmt sei. Hin­ge­gen sei es für eine wirk­sa­me For­de­rungs­an­mel­dung nicht erfor­der­lich, dass der Gläu­bi­ger einen Sach­ver­halt vor­tra­ge, aus dem sich bei zutref­fen­der recht­li­cher Wür­di­gung schlüs­sig die gel­tend gemach­te For­de­rung erge­be. Die Auf­fas­sung im Schrift­tum zu die­ser Frage, ob auch eine schlüs­si­ge Dar­le­gung erfor­der­lich sei oder nicht, sei geteilt. Der Bun­des­ge­richts­hof habe diese Frage bis­lang nicht end­gül­tig ent­schie­den. Rich­ti­ger­wei­se sei zwi­schen der hin­rei­chen­den Indi­vi­dua­li­sie­rung der For­de­rung und der Schlüs­sig­keit der For­de­rungs­an­mel­dung zu unter­schei­den. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 174 Abs. 2 InsO seien erfüllt, wenn die For­de­rung aus­rei­chend indi­vi­dua­li­siert sei, mit­hin der Streit­ge­gen­stand bestimmt wäre. Es sei nicht erfor­der­lich, dass die For­de­rung auch schlüs­sig begrün­det ist. § 174 Abs. 2 InsO meine mit dem Grund der For­de­rung den Kla­ge­grund und damit den Sach­ver­halt, aus dem die For­de­rung ent­sprin­ge. Ins­be­son­de­re müsse die For­de­rung zur Bestim­mung der Reich­wei­te der Rechts­kraft ein­deu­tig kon­kre­ti­siert wer­den und den Insol­venz­ver­wal­ter und die übri­gen Insol­venz­gläu­bi­ger in den Stand ver­set­zen, den gel­tend gemach­ten Schuld­grund einer Prü­fung zu unter­zie­hen. Hier­für spre­che auch, dass die Anmel­dung einer Insol­venz­for­de­rung eine Maß­nah­me der Rechts­ver­fol­gung dar­stel­le. Sie hemme wie eine Klage oder ein Mahn­be­scheid die Ver­jäh­rung. Die Wirk­sam­keit der vom Gesetz eröff­ne­ten Mög­lich­kei­ten der Rechts­ver­fol­gung hänge in der Regel nicht davon ab, ob der gel­tend gemach­te Anspruch schlüs­sig dar­ge­legt sei. Viel­mehr sei es aus­rei­chend, dass der Grund des Anspruchs, also der Lebens­sach­ver­halt, auf des­sen Grund­la­ge die For­de­rung bestehen soll, hin­rei­chend bestimmt fest­ge­legt sei. Auch die Inter­es­sen des Insol­venz­ver­wal­ters und der übri­gen Insol­venz­gläu­bi­ger seien bei einer sol­chen Aus­le­gung aus­rei­chend geschützt. Weder Streit­ge­gen­stand noch Rechts­grund hin­gen davon ab, ob der Vor­trag schlüs­sig sei. Der Zweck, Ver­wal­ter und Insol­venz­gläu­bi­ger in den Stand zu set­zen, den gel­tend gemach­ten Schuld­grund einer Prü­fung zu unter­zie­hen, sei gewahrt und erfor­de­re kei­nen schlüs­si­gen Sach­vor­trag. Es sei aus­rei­chend, dass der Insol­venz­ver­wal­ter und die übri­gen Insol­venz­gläu­bi­ger der For­de­rungs­an­mel­dung wider­spre­chen kön­nen.

Die For­de­rungs­an­mel­dung des Klä­gers sei auch hin­rei­chend indi­vi­dua­li­siert. Maß­geb­li­cher Zeit­punkt sei inso­weit der Prü­fungs­ter­min. Eine erst im Prü­fungs­ter­min aus­rei­chend erfolg­te Indi­vi­dua­li­sie­rung wirke nicht auf den Zeit­punkt der Anmel­dung zurück. Damit ent­sprä­che der Prü­fungs­ter­min der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung im strei­ti­gen Pro­zess. Auch dort sei aner­kannt, dass die feh­len­de Indi­vi­dua­li­sie­rung bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung nach­ge­holt wer­den könne. Es seien keine Grün­de ersicht­lich, im Ver­fah­ren über die Fest­stel­lung von Insol­venz­for­de­run­gen stren­ge­re Anfor­de­run­gen zu stel­len. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts habe der Klä­ger Grund und Betrag der For­de­rung hin­rei­chend bestimmt ange­ge­ben. In der For­de­rungs­an­mel­dung habe der Klä­ger meh­re­re For­de­run­gen getrennt, nach Haupt­for­de­rung, Zin­sen und Kos­ten im Ein­zel­nen auf­ge­lis­tet. Auch habe er die ent­spre­chen­den For­de­run­gen hin­rei­chend bezeich­net und zur Begrün­det­heit der Ansprü­che auch auf die anhän­gi­gen Recht­strei­te ver­wie­sen. Es ergä­be sich dem­entspre­chend, dass der Streit­ge­gen­stand der ange­mel­de­ten For­de­run­gen aus Kauf­ver­trag bzw. die Kauf­preis­zah­lung und von ihr abhän­gig bestimm­te Neben­for­de­run­gen seien. Mit der Anga­be des Kauf­ver­tra­ges, des Datums der Klag­s­chrift, des Datums der Kla­ge­er­wei­te­rung und des Gerichts vor dem die Kauf­preis­kla­ge erho­ben wor­den sei, habe der Klä­ger die ein­zel­nen For­de­rungs­be­trä­ge unver­wech­sel­bar einem Lebens­sach­ver­halt zuge­ord­net. Das Beru­fungs­ge­richt habe auch keine Umstän­de fest­ge­stellt, dass es ande­re For­de­run­gen als die im Streit ver­folg­ten Kauf­preis­an­sprü­che gegen den Schuld­ner geben könn­te, wel­che mit den Anga­ben in der For­de­rungs­an­mel­dung gemeint sein könn­ten. Die Gläu­bi­ger seien in der Lage, auf­grund der Anga­ben in der For­de­rungs­an­mel­dung zu ent­schei­den, wel­che For­de­run­gen auf­grund wel­chen Lebens­sach­ver­halts der Klä­ger zur Insol­venz­ta­bel­le fest­ge­stellt haben möch­te. Damit seien die For­de­run­gen auch im Hin­blick auf mate­ri­el­le Rechts­kraft aus­rei­chend indi­vi­dua­li­siert.

Recht­li­che Wür­di­gung

Mit die­ser Ent­schei­dung ver­ein­facht der Bun­des­ge­richts­hof die Anmel­dung von For­de­run­gen und weist über­spann­te Anfor­de­run­gen zu Recht zurück. Dies ist gera­de im Hin­blick auch auf die Ver­jäh­rungs­hem­mung der For­de­rungs­an­mel­dung von erheb­li­cher Bedeu­tung.

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