Wie es sich insbesondere auf die Verjährungsfrist auswirkt, wenn Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis auf einen leistenden privaten Gesamtschuldner übergehen, war Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17.3.2022 – IX ZR 216/20).
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X. GmbH.
M (nachfolgend Schuldner) war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH. Die X GmbH erteilte dem Schuldner eine Pensionszusage und schloss zur Absicherung drei Rückdeckungsversicherungen ab, die Ansprüche hieraus verpfändete sie an den Schuldner. Im Jahr 2010 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte Rechtsanwalt D. zum Insolvenzverwalter. Der Kläger und Rechtsanwalt D. einigten sich Ende des Jahres 2011 darauf, die Versicherungen zu verwerten und den Erlös zu teilen. Das Finanzamt sah dies als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit an und erließ deshalb am 16.10.2013 einen Änderungsbescheid für die Einkommenssteuer des Jahres 2012 gegenüber dem Schuldner und seiner Ehefrau, woraufhin Rechtsanwalt D. Masseunzulänglichkeit anzeigte. Mit Beschluss vom 27.11.2013 entließ das Insolvenzgericht Rechtsanwalt D. aus seinem Amt und bestellte den Beklagten zum neuen Insolvenzverwalter. Der Beklagte legte gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein, das Finanzamt nahm den Kläger mit Bescheid vom 27.11.2013 wegen der offenen Einkommenssteuer i.H.v. 85.641,42 € als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Kläger bezahlte diese Forderung am 27.11.2013. Im Hinblick auf diese Zahlung gab das Finanzamt mit Bescheid vom 18.10.2016 dem Einspruch des Beklagten statt und reduzierte die Einkommenssteuerschuld auf 763,06 €. Der Kläger machte wegen der Zahlung auf den Haftungsbescheid einen Gesamtschuldnerausgleich beim Beklagten geltend. Der Beklagte erstellte am 17.2.2017 seinen Schlussbericht. Danach betrug die verteilungsfähige Masse 81.980,50 €. Die vom Kläger wegen der Einkommenssteuerzahlung als Masseverbindlichkeit geltend gemachte Ausgleichsforderung berücksichtigte der Beklagte nicht, weil er sie als verjährt ansah. Mit Beschluss vom 7.7.2017 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf. Die vom Kläger zuvor gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter hinsichtlich seines Ausgleichsanspruchs angestrengten Zahlungsklage wies das Landgericht Offenburg – nach Parteiwechsel auf den Schuldner – mit Urteil vom 15.12.2017 rechtskräftig Der Kläger nimmt den Beklagten persönlich auf Schadenersatz nach § 60 InsO in Anspruch. Er macht insoweit Ersatz der hälftigen Einkommenssteuer (42.820,71 €) sowie der Kosten des Vorprozesses vor dem Landgericht Offenburg (8.530,82 €) geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidung des BGH: Keine Verjährung des Anspruchs
Der Bundesgerichtshof gibt der Revision statt und verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Der BGH führt zunächst aus, dass ein Schadenersatzanspruch nicht unabhängig von der Verjährung bestünde. Wäre die Masseverbindlichkeit zum Zeitpunkt der Schlussverteilung verjährt, könne der Kläger keinen Schadenersatz verlangen. Zwar habe der Insolvenzverwalter fällig Masseverbindlichkeit zu begleichen. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Insolvenzverwalter der eine fällige Masseverbindlichkeit nicht bezahlt, deshalb persönlich auf Schadenersatz hafte, weil später Verjährung eintritt. Vielmehr sei es grundsätzlich die Aufgabe des Massegläubigers für eine Hemmung der Verjährung zu sorgen. Vorliegend ergäbe sich die Verjährung aus § 228 AO und nicht aus §§ 195, 199 BGB. Mit Übergang des Steueranspruches trete nicht die regelmäßige Verjährung des BGB an die Stelle der Verjährungsvorschrift des § 228 AO. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2 S. 1 BGB lasse den übergegangenen Anspruch unverändert, dieser behalte grundsätzlich seine materiell-rechtlichen und prozessualen Besonderheiten. Er ändere seine Rechtsnatur nicht, dies gelte auch im Hinblick auf die Verjährung. Für den Steueranspruch auf Zahlung der festgesetzten Einkommenssteuer ergäbe sich nichts Anderes. Erfülle ein privater Dritter die Steuerforderung diene die als Steuerforderung entstandene Forderung nach dem Forderungsübergang in der Hand des privaten Dritten lediglich der Durchsetzung der privatrechtlichen Erstattungsansprüche und sei nur noch eine privatrechtliche Geldforderung. Befugnisse, die öffentlich-rechtlicher Natur seien, gehen daher nicht auf den privaten Gläubiger über. Anders sei dies für solche Rechte, die der Forderung selbst anhaften. Nach diesen Maßstäben richte sich auch die Verjährungsfrist nach § 228 AO. Alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterlägen dieser Zahlungsverjährung, sie sei damit Teil des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Für eine Anwendung der Verjährungsvorschriften des BGB bliebe kein Raum. Die Länge der Verjährungsfrist sei nicht an die Person des Gläubigers gebunden, sie stünde daher nach einem Forderungsübergang auch dem neuen Gläubiger offen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Steuerforderung nach dem Forderungsübergang nur noch eine privatrechtliche Forderung darstelle. § 426 Abs. 2 BGB solle vielmehr den Ausgleichsanspruch des leistenden Gesamtschuldners stärken.
Soweit angenommen werde, dass die auf einen privaten Gläubiger übergegangene Steuerforderung grundsätzlich nicht nach steuerlichen Regelungen verjähren können, sei dies nur für die weitere rechtliche Behandlung der Verjährung nach Forderungsübergang richtig. So trete etwa nach dem Forderungsübergang auf den privaten Gläubiger die Möglichkeit einer Hemmung nach § 204 BGB an die Stelle der Bestimmung über die Unterbrechung der Verjährung nach § 231 AO. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 AO sei zum Zeitpunkt der Schlussverteilung durch den Beklagten im Jahr 2017 noch nicht abgelaufen.
Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Offenburg über den Ausgleichsanspruch stünde einem Schadenersatzanspruch des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Stehe rechtskräftig fest, dass die Masseverbindlichkeit nicht bestünde, sei dies allerdings im Haftungsprozess gegen den Insolvenzverwalter zu beachten Es fehle jedoch an der erforderlichen Rechtkrafterstreckung nach § 325 ZPO. Hebe das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren gem. § 200 InsO auf, sei der Insolvenzverwalter nicht Rechtsnachfolger des Schuldners.
Rechtliche Würdigung
Die Ausführungen des BGH vermögen zu überzeugen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es infolge eines Forderungsübergangs ist zu einer Verkürzung der Verjährungsfrist kommen sollte. Vielmehr entspricht die Entscheidung dem Grundgedanken der Legalzession nach § 426 Abs. 2 BGB.