Immer wieder kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kapitalanlegern und zu der Frage, ob an die Anleger ausgezahlte Scheingewinne an die Insolvenzmasse erstattet werden müssen. Auch das OLG Frankfurt am Main hatte in seinem Urteil vom 24.05.2022 — 4 U 310/19 eine solche Konstellation zu beurteilen.
Sachverhalt
Die X‑KGaA (Schuldnerin) hatte für die Geschäftsjahre 2009 bis 2012 Jahresabschlüsse bestätigt, in denen hohe Gewinne ausgewiesen wurden. Basierend auf diesen Jahresabschlüssen kam es zu Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass der persönlich haftende Gesellschafter der Schuldnerin sowie weitere Personen ein Betrugssystem aufgebaut hatten, in die die Schuldnerin eingebunden war. Die beteiligten Personen wurden wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aufgrund eines Insolvenzantrags vom 12.11.2013 wurde der Kläger am 01.04.2014 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt und das Verfahren eröffnet. Der Kläger erhob Nichtigkeitsfeststellungsklagen, um die Jahresabschlüsse 2009 bis 2012 für nichtig zu erklären, nachdem er selbst neue Jahresabschlüsse in Auftrag gegeben hatte. Im weiteren Verlauf wurden die alten Jahresabschlüsse für nichtig erklärt. Die neuen Jahresabschlüsse wiesen durchgehend Jahresfehlbeträge und Bilanzverluste aus.
Der Kläger forderte von dem beklagten Aktionär die Dividenden zurück, die dieser aufgrund der fehlerhaften Jahresabschlüsse erhalten hatte. Nachdem der Beklagte außergerichtlich eine Zahlung verweigerte, erhob der Kläger Klage. Das LG wies die Klage ab, mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Entscheidung des OLG Frankfurt am Main: Anfechtungsanspruch gegeben
Das OLG Frankfurt am Main folgt dem Kläger und spricht ihm den Anspruch auf Rückzahlung der Dividenden nach §§ 143 Abs. 1 i.V.m. §§ 129, 134 InsO zu. Es handele sich bei den fehlerhaft ausgezahlten Dividenden um gläubigerbenachteiligende Leistungen der Schuldnerin nach § 129 Abs. 1 InsO, die innerhalb von vier Jahren vor Antrag der Insolvenzeröffnung erfolgt seien. Es handele sich um unentgeltliche Zahlungen nach § 134 Abs. 1 InsO. Einen Rechtsgrund für die Dividendenzahlungen gebe es nicht, da zwischenzeitlich die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse, auf denen die Dividendenzahlungen basierten, festgestellt worden seien. Infolge dessen sei auch der Dividendenanspruch rückwirkend weggefallen.
Daran ändere auch nichts, dass die Auszahlungen zunächst auf einen nach § 174 AktG gefassten Gewinnverwendungsbeschluss erfolgt seien. Diese Beschlüsse seien nämlich nichtig.
Gegen eine Anfechtung nach § 134 InsO spreche auch nicht § 62 Abs. 1 S. 2 AktG. Im Gegensatz zu § 31 Abs. 2 GmbHG sehe § 62 Abs. 1 AktG keinen Rückforderungsvorbehalt gegenüber dem gutgläubigen Empfänger vor, nach der die Leistung zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sein muss.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung reiht sich in die Rechtsprechung ein, nach der Anleger Leistungen erstatten müssen, die sie aufgrund unrichtiger Jahresabschlüsse erhalten haben. Der gute Glauben an richtige Jahresabschlüsse schützt Anleger vor einer Rückforderung nicht.