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Der Sanierungserlass oder Bundesfinanzhof gegen Bundesministerium für Finanzen

Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) hat in sei­nem Beschluss vom 28.11.2016, der erst am 08.02.2017 ver­öf­fent­licht wurde, den soge­nann­ten „Sanie­rungs­er­lass“ (BStBl. I 2003, S. 240; BStBl. I 2010, S. 18) des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums (BMF) ver­wor­fen. Damit wider­spricht der BFH den Finanz­be­hör­den, die Gewin­ne, die im Rah­men von Sanie­rungs­maß­nah­men anfal­len, von der Steu­er befrei­en wol­len. Nach der Ansicht des BFH kommt ein Erlass von Steu­er­be­las­tun­gen, die durch Sanie­rungs­ge­win­ne ent­ste­hen, nur auf der Grund­la­ge einer Ein­zel­fall­prü­fung und unter dem Gesichts­punkt der Bil­lig­keit in Betracht.

Der BFH begrün­det seine Ansicht damit, dass Gewin­ne eines Unter­neh­mens, resul­tie­ren sie auch auf Sanie­rungs­maß­nah­men (z. B. Erlass eines Gläu­bi­gers) steu­er­lich bei der Bemes­sung berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Mit Wir­kung zum 01.01.1998 habe der Gesetz­ge­ber bewusst die Steu­er­be­frei­ung von Sanie­rungs­ge­win­nen auf­ge­ho­ben und auf die Fälle der Bil­lig­keit redu­ziert. Das BMF habe zwar in der Folge mit dem “Sanie­rungs­er­lass” eine Rege­lung für die prak­ti­sche Hand­ha­bung der Bil­lig­keits­prü­fung geschaf­fen, aber sich mit die­ser gegen die Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers gestellt. Der mit dem “Sanie­rungs­er­lass” ein­her­ge­hen­de Ver­zicht auf eine Steu­er­zah­lung bedür­fe einer gesetz­li­chen Grund­la­ge. Diese sei gera­de für Sanie­rungs­ge­win­ne durch den Gesetz­ge­ber zum 01.01.1998 abge­schafft wor­den. Es sei dem BMF nicht mög­lich, diese Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers durch einen Erlass zu umge­hen, viel­mehr sei der “Sanie­rungs­er­lass” als (verfassungs-)rechtlicher Ver­stoß anzu­se­hen.

Betrach­tet man sich die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung der natio­na­len Gerich­te, aber auch des EuGH, so kann das Urteil im Ergeb­nis nicht über­ra­schen. Auf­fäl­lig ist ledig­lich, in wel­cher Vehe­menz der BFH den “Sanie­rungs­er­lass” als rechts­wid­rig bewer­tet. Die recht­li­che Unsi­cher­heit des “Sanie­rungs­er­las­ses”, die bis­her schon vor­lag, wird zu einem vor­läu­fi­gen End­punkt und zu der Gewiss­heit geführt, dass eine Steu­er­be­frei­ung grund­sätz­lich nicht besteht. Man wird in der Zukunft nicht davon aus­ge­hen kön­nen, dass der Sanie­rungs­er­lass noch eine Wir­kung ent­fal­tet. Ärger­lich ist, dass die Sanie­rung von Unter­neh­men wei­ter erschwert wird. Ver­sucht der Gesetz­ge­ber auf der einen Seite, eine Erleich­te­rung der Sanie­rung — gera­de auch der außer­ge­richt­li­chen Sanie­rung — her­bei­zu­füh­ren, so kon­ter­ka­rie­ren die steu­er­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen diese Ver­su­che. Regel­mä­ßig sind die im Rah­men von Sanie­run­gen bewil­lig­ten Ver­zich­te von Gläu­bi­gern als reine “Buch­ge­win­ne” anzu­se­hen. Es wird zwar die Liqui­di­tät des wirt­schaft­lich ange­schla­ge­nen Unter­neh­mens durch den Ver­zicht geschont, aber neue liqui­de Mit­tel flie­ßen nicht an das Unter­neh­men. Die­ser posi­ti­ve Effekt wird aber redu­ziert, wenn der Ver­zicht eines Gläu­bi­gers gleich­zei­tig gegen­über den Finanz­be­hör­den eine Zah­lungs­pflicht aus­löst.

Zwar mag in vie­len Fäl­len ein bestehen­der Ver­lust­vor­trag die Fol­gen abmil­dern, aber eine grund­le­gen­de Sanie­rung von Unter­neh­men darf sich weder am Erhalt von Ver­lust­vor­trä­gen aus­rich­ten, noch darf die steu­er­li­che Belas­tung von Sanie­rungs­maß­nah­men die gemein­sa­men Bemü­hun­gen von Schuld­nern und Gläu­bi­gern ent­ge­gen­ste­hen. Daran ändert auch nichts, dass wei­ter­hin Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen der Finanz­be­hör­den selbst nach Ansicht des BFH mög­lich blei­ben, den sol­che Beur­tei­lun­gen ber­gen immer eine Unsi­cher­heit in sich und dies ist für einen Sanie­rungs­pro­zess immer schäd­lich. Zumal die Betei­lig­ten klare Kri­te­ri­en für ihre Ent­schei­dun­gen brau­chen und Sanie­rungs­pro­zes­se einem Zeit­druck unter­lie­gen, die eine lang­wie­ri­ge Prü­fung durch Finanz­be­hör­den nicht mög­lich machen.

Im Ergeb­nis — und inso­weit ist dem BFH bei­zu­pflich­ten — ist der Gesetz­ge­ber gefor­dert. Es bedarf des poli­ti­schen Wil­lens, Sanie­rungs­ge­win­ne von der Steu­er zu befrei­en. Folgt man der Ten­denz in der Recht­spre­chung des EuGH, so muss der euro­päi­sche und nicht nur der natio­na­le Gesetz­ge­ber han­deln, um viele Sanie­rungs­pro­zes­se nicht schluss­end­lich an den steu­er­li­chen Belas­tun­gen schei­tern zu las­sen.

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