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Haftung des Gründers einer Vorgesellschaft

Das OLG Karls­ru­he hatte in sei­nem Urteil vom 24.10.2019 zu ent­schei­den, inwie­weit ein Insol­venz­ver­wal­ter berech­tigt ist, Ansprü­che gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer zu ver­fol­gen, die im Zusam­men­hang mit der Nicht­ein­tra­gung einer Gesell­schaft ste­hen. Dar­über hin­aus hatte das Gericht zu bewer­ten, inwie­weit der Insol­venz­ta­bel­le auch hier Beweis­wert zu kommt.

Sach­ver­halt

Die Schuld­ne­rin wurde mit notariell-beurkundetem Ver­trag im Janu­ar 2016 als A. GmbH errich­tet. Unter­neh­mens­zweck der Schuld­ne­rin soll­te das Betrei­ben eines Fitness-Studios sein. Zur Ein­tra­gung der Schuld­ne­rin kam es nicht, nach­dem der Beklag­te als Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer das Betrei­ben der Ein­tra­gung auf­gab. Hin­ter­grund war inso­fern, dass ein Miet­ver­trag zwi­schen der Schuld­ne­rin und dem Immo­bi­li­en­be­sit­zer nicht zustan­de kam und somit das Fitness-Studio nicht betrie­ben wer­den konn­te. Die ver­trag­lich vor­ge­se­he­ne Stamm­ein­la­ge erbrach­te der Beklag­te nicht. Eben­so ver­füg­te die Schuld­ne­rin nicht über eine Betriebs- und Geschäfts­aus­stat­tung oder ein Kon­to­gut­ha­ben. Auch Mit­glieds­ver­trä­ge wur­den nicht abge­schlos­sen, sodass keine For­de­run­gen hier­aus bestan­den. Die Kran­ken­kas­se A. ver­lang­te von der Schuld­ne­rin die Zah­lung von Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen für 20 Arbeit­neh­mer, da unter der Betriebs­num­mer der Schuld­ne­rin in den Mona­ten Sep­tem­ber 2016 bis Febru­ar 2017 diese gemel­det wor­den waren. Nach­dem die Voll­stre­ckungs­ver­su­che der A. erfolg­los ver­lie­fen, stell­te sie den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens.

Das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin wurde mit Beschluss vom 16.5.2017 eröff­net und die Klä­ge­rin zur Insol­venz­ver­wal­te­rin bestellt. Im Prü­fungs­ter­min am 17.8.2017 wurde die For­de­rung der A. auf Zah­lung der Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zzgl. Säum­nis­zu­schlä­ge, Kos­ten und Aus­la­gen zur Insol­venz­ta­bel­le in Höhe von ins­ge­samt 62.897,28 € fest­ge­stellt.

Die Klä­ge­rin ver­langt von dem Beklag­ten den Aus­gleich der rück­stän­di­gen Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge auf­grund Unterbilanz- bzw. Ver­lust­de­ckungs­haf­tung, wobei sie die per­sön­li­che Haf­tung nach § 93 InsO gel­tend macht. Das LG Hei­del­berg hat die Klage abge­wie­sen. Mit der Beru­fung ver­folg­te die Klä­ge­rin ihr Ziel wei­ter.

OLG Karls­ru­he: Aus­gleichs­pflicht des Beklag­ten

Das OLG Karls­ru­he hebt die Ent­schei­dung des LG auf­ge­ho­ben und spricht der Klä­ge­rin die For­de­rung gegen den Beklag­ten zu.

Zunächst sei die Klä­ge­rin nach § 93 InsO ana­log zur Gel­tend­ma­chung der For­de­rung berech­tigt. Zwar sei eine unmit­tel­ba­re Anwen­dung des § 93 InsO im vor­lie­gen­den Fall nicht mög­lich, da die­ser sich an Gesell­schaf­ten ohne eige­ne Rechts­per­sön­lich­keit oder eine Kom­man­dit­ge­sell­schaft auf Akti­en aus­rich­te. Aller­dings sei auch die Vor-GmbH insol­venz­fä­hig. Zudem sei § 93 InsO auch auf Ansprü­che gegen Grün­der einer Vor­ge­sell­schaft anzu­wen­den, sofern aus­nahms­wei­se eine direk­te Haf­tung vor­lie­ge. Es sei Sinn des § 93 InsO, dass ein Haf­tungs­an­spruch, der sich gegen die Gesell­schaf­ter rich­te, durch den Insol­venz­ver­wal­ter zuguns­ten der Insol­venz­mas­se gel­tend gemacht wer­den könne. Es solle auch hier ein Wett­lauf der Gläu­bi­ger beim Zugriff ver­hin­dert wer­den und eine gleich­mä­ßi­ge Ver­tei­lung gesi­chert sein. Außer­dem sei auch höchst­rich­ter­lich ent­schie­den, dass Insol­venz­ver­wal­ter eine Durch­griffs­haf­tung nach § 93 InsO ver­fol­gen kön­nen. Es sei nicht ersicht­lich, wieso die Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen bei einer Vor-GmbH anders beur­teilt wer­den solle.

Die Klä­ge­rin sei mit dem Hin­weis auf die Insol­venz­ta­bel­le und deren Vor­la­ge ihrer Darlegungs- und Beweis­last betref­fend die For­de­rung der A. aus­rei­chend nach­ge­kom­men. Der Beklag­te könne sich auch nicht damit ver­tei­di­gen, dass die For­de­rung der A. nicht berech­tigt sei. Die For­de­rung sei in Höhe von 62.897,28 € zur Insol­venz­ta­bel­le auf­ge­nom­men wor­den. Die Fest­stel­lung zur Insol­venz­ta­bel­le habe wie­der­um Rechts­kraft­wir­kung, sodass die For­de­rung der A. in der genann­ten Höhe nach § 178 Abs. 3 InsO i.V.m. § 201 Abs. 2 S. 1 InsO rechts­kräf­tig fest­ge­stellt sei. Der Beklag­te als auch ande­re Insol­venz­gläu­bi­ger hät­ten diese For­de­rung nicht bestrit­ten. Ein Wider­spruch sei durch den Beklag­ten nicht erklärt wor­den. Auch der Ein­wand des Beklag­ten, er habe die Klä­ge­rin dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Schuld­ne­rin nicht zur Zah­lung der Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge ver­pflich­tet gewe­sen sei, ände­re an der Beur­tei­lung nichts. Eine ent­spre­chen­de Mit­tei­lung an die Insol­venz­ver­wal­te­rin erset­ze einen Wider­spruch gegen­über dem Insol­venz­ge­richt nicht. Die Rechts­kraft­wir­kung der Ein­tra­gung in die Insol­venz­ta­bel­le müsse daher der Beklag­te gegen sich gel­ten las­sen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Das OLG Karls­ru­he betont die Bedeu­tung der Insol­venz­ta­bel­le. Es ist für die Geschäfts­füh­rer im Hin­blick auf die per­sön­li­che Haf­tung von gro­ßer Bedeu­tung, die zur Insol­venz­ta­bel­le ange­mel­de­ten For­de­run­gen zu prü­fen und einen Wider­spruch im Prü­fungs­ter­min für unbe­rech­tig­te For­de­run­gen abzu­ge­ben.

OLG Karls­ru­he, Urteil vom 24.10.2019 — 11 U 7/18

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