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Verteidigung eines Kommanditisten gegen Insolvenzverwalter

Immer wie­der beschäf­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Insol­venz­ver­wal­ter und Kom­man­di­tis­ten die Gerich­te. In sei­nem Urteil vom 21.7.2020 — II ZR 175/19 hat sich der BGH mit der Frage aus­ein­an­der­ge­setzt, inwie­weit sich der beklag­te Kom­man­di­tist mit der Behaup­tung ver­tei­di­gen kann, die wei­te­ren Kom­man­di­tis­ten hät­ten bereits aus­rei­chen­de Zah­lun­gen geleis­tet, um die Insol­venz­gläu­bi­ger zu befrie­di­gen.

Sach­ver­halt

Mit Beschluss vom 21.2.2013 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin, einer Schiffs­fonds­ge­sell­schaft in Rechts­form einer KG, eröff­net und der Klä­ger wurde zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Die Beklag­te ist an der Schuld­ne­rin mit einer Haft­ein­la­ge von 50.000 € als Kom­man­di­tis­tin betei­ligt. In den Jah­ren 2005 bis 2007 zahl­te die Schuld­ne­rin ins­ge­samt 18.500 € an die Beklag­te, ohne dass die Schuld­ne­rin Gewin­ne ver­zeich­ne­te. Nach­dem die Beklag­te vor Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens bereits 7.500,00 € im Rah­men eines Sanie­rungs­pro­gramms an die Schuld­ne­rin geleis­tet hatte, for­der­te der Klä­ger von der Beklag­ten 11.000,00 €. Das LG hat die Beklag­te ver­ur­teilt und die Beru­fung der Beklag­ten blieb erfolg­los. Mit der Revi­si­on ver­folgt die Beklag­te ihr Ziel der Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.

Ent­schei­dung des BGH: Zurück­ver­wei­sung

Der BGH hebt das Urteil auf und ver­weist die Ange­le­gen­heit zurück an das Beru­fungs­ge­richt.
Dabei stellt der BGH jedoch zunächst fest, dass der Klä­ger hin­rei­chend sub­stan­ti­iert dar­ge­legt habe, wel­che For­de­run­gen der Insol­venz­gläu­bi­ger bestün­den. Hier­bei habe er zumin­dest die For­de­rung der H. Bank AG durch Unter­la­gen belegt. Wei­ter sei das Beru­fungs­ge­richt rich­ti­ger­wei­se davon aus­ge­gan­gen, dass durch die Bezug­nah­me auf die Insol­venz­ta­bel­le der Kla­ge­an­spruch hin­rei­chend indi­vi­dua­li­siert sei. Einer nähe­ren Dar­le­gung der ein­zel­nen in der Insol­venz­ta­bel­le auf­ge­nom­me­nen Ansprü­che bedür­fe es zunächst nicht. Der Klä­ger habe zudem im Ver­lauf des gericht­li­chen Ver­fah­rens eine wei­ter­ge­hen­de For­de­rungs­auf­stel­lung über­las­sen. Aus die­ser erge­ben sich Gläu­bi­ger­for­de­run­gen in einer Gesamt­hö­he, die die Kla­ge­for­de­rung zumin­dest errei­che. Die Insol­venz­ta­bel­le rei­che dabei für die Dar­le­gung aus, weil sich aus ihr die wider­spruchs­lo­se Fest­stel­lung der For­de­run­gen erge­be. Damit habe die jewei­li­ge Fest­stel­lung zur Insol­venz­ta­bel­le die Wir­kung eines rechts­kräf­ti­gen Urteils.
Dage­gen sei es rechts­feh­ler­haft, wenn das Gericht den Ein­wand der Beklag­ten für uner­heb­lich halte, nach der die For­de­rung, für die die Kom­man­di­tis­ten haf­ten, bereits durch Zah­lun­gen ande­rer Gesell­schaf­ter gedeckt sei. Der in Anspruch genom­me­ne Kom­man­di­tist könne sehr wohl den Ein­wand erhe­ben, dass das von ihm gefor­der­te zur Til­gung der Gesell­schafts­schul­den nicht erfor­der­lich sei. Zwar oblie­ge die Darlegungs- und Beweis­last für diese Behaup­tung grund­sätz­lich dem Gesell­schaf­ter, einem Insol­venz­ver­wal­ter oblie­ge jedoch die Pflicht, die für die Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger bedeut­sa­men Ver­hält­nis­se der Gesell­schaft dar­zu­le­gen, sofern ihm dies mög­lich ist. Es sei umstrit­ten, ob der Insol­venz­ver­wal­ter dar­zu­stel­len müsse, in wel­chem Umfang ande­re Gesell­schaf­ter Zah­lun­gen geleis­tet hät­ten. Eine Ansicht ver­tre­te die Mei­nung, es komme ledig­lich dar­auf an, ob zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung eine ver­füg­ba­re Insol­venz­mas­se vor­lie­ge, die zur Deckung der Gesell­schafts­ver­bind­lich­kei­ten aus­rei­che. Die Gegen­an­sicht ver­tre­te die Auf­fas­sung, ein Insol­venz­ver­wal­ter sei ver­pflich­tet, bis zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung ein­ge­gan­ge­ne Rück­zah­lun­gen der Kom­man­di­tis­ten vor­zu­tra­gen. Die­ser Ansicht folgt nun auch der BGH. Nur dem Insol­venz­ver­wal­ter sei es mög­lich, die bis zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung ein­ge­gan­ge­nen Zah­lun­gen dar­zu­le­gen. Zudem würde den Gesell­schafts­gläu­bi­gern die eigent­lich nach § 171 Abs. 2 HGB vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit zur Inan­spruch­nah­me der Kom­man­di­tis­ten abge­schnit­ten und zur Umset­zung des Grund­sat­zes der gleich­mä­ßi­gen Befrie­di­gung im Insol­venz­ver­fah­ren auf den Insol­venz­ver­wal­ter über­tra­gen. Der Insol­venz­ver­wal­ter han­de­le inso­weit als gesetz­li­cher Pro­zess­stand­schaft­ler der ein­zel­nen Gläu­bi­ger und brin­ge Gläu­bi­ger­for­de­run­gen zum Erlö­schen. Der Insol­venz­ver­wal­ter könne die Ansprü­che nur inso­weit gel­tend machen, als dies zur gleich­mä­ßi­gen (antei­li­gen) Befrie­di­gung der berech­tig­ten Gläu­bi­ger not­wen­dig sei. Die ein­zel­nen Gesell­schaf­ter wür­den als Gesamt­schuld­ner zusam­men und jeweils beschränkt auf die offe­ne Haft­ein­la­ge haf­ten. Das Beru­fungs­ge­richt müsse daher in Abhän­gig­keit von der Höhe der von den wei­te­ren Gesell­schaf­tern bereits auf­ge­brach­ten Summe fest­stel­len, in wel­cher Höhe For­de­run­gen, für die die Gesell­schaf­ter haf­ten (noch) bestehen. Es müsse also die Erfor­der­lich­keit einer Inan­spruch­nah­me der Beklag­ten durch das Beru­fungs­ge­richt geprüft wer­den. Dabei sei dem Klä­ger in sei­nem Vor­trag nach­ge­las­sen, dass er den für die Gläu­bi­ger­be­frie­di­gung erfor­der­li­chen Betrag unter Berück­sich­ti­gung von Unsi­cher­hei­ten schät­ze.

Recht­li­che Wür­di­gung

Der BGH zieht eine drin­gend not­wen­di­ge Gren­ze, nach­dem er in der Ver­gan­gen­heit den Insol­venz­ver­wal­tern große Frei­hei­ten bei der Dar­le­gung von Ansprü­chen zusprach. Es obliegt nun­mehr dem Insol­venz­ver­wal­ter, die Not­wen­dig­keit für die Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen durch die Anga­be dar­zu­le­gen, wel­che Beträ­ge er bereits von ande­ren Kom­man­di­tis­ten ein­ge­zo­gen hat.

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