Im Rahmen von vorläufigen Insolvenzverfahren erfolgen nicht selten Zahlungen von Steuerverbindlichkeiten, die im Nachhinein im eröffneten Verfahren angefochten werden. Wie in diesem Kontext eine Steuererstattung einzuordnen ist, hatte der BGH mit Urteil vom 10.11.2022 — IX ZR 160/21 zu entscheiden .
Sachverhalt
Der Kläger ist Sachwalter des in Eigenverwaltung eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH (fortan: Schuldnerin). Unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung nach § 130 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 InsO verlangt dieser vom beklagten Land die (restliche) Rückgewähr von Steuerzahlungen. Mit Beschluss vom 30.10.2017 hatte das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung über das Vermögen der Schuldnerin angeordnet und den späteren Kläger zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Im Zeitraum vom 13.12.2017 bis 31.1.2018 leistete die Schuldnerin unter dem Vorbehalt einer späteren Insolvenzanfechtung Steuerzahlungen in Höhe von insgesamt 718.470,82 €. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangte der Kläger die Rückgewähr dieser Zahlungen. Die Beklagte zahlte 576.581,46 € zurück. Der offene Restbetrag i.H.v. 141.889,18 € sind Gegenstand des Klagverfahrens. Strittig ist zwischen den Parteien, ob eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Hintergrund ist, dass das beklagte Land am 26.1.2018 einen Betrag i.H.v. 205.555,76 € an die Schuldnerin gezahlt hat, um einen Steuererstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 AO zu erfüllen. Dieser beruhte auf einer Überzahlung, die durch drei der Steuerzahlungen bewirkt worden war. Das Land sieht in der Zahlung eine vorweggenommene Befriedigung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision.
Entscheidung des BGH: Vorweggenommene Befriedigung
Auf die Revision hin hob der BGH das angefochtene Urteil auf und stellte das Urteil des Landgerichts wieder her. Der BGH sah in der Zahlung vom 26.1.2018 eine vorweggenommene Befriedigung des streitgegenständlichen Rückgewähranspruchs. Maßgeblich sei, dass eine einmal eingetretene Gläubigerbenachteiligung hierdurch objektiv rückgängig gemacht worden sei. Der Empfänger einer anfechtbaren Leistung solle nicht erneut zur Rückgewähr oder Erstattung verpflichtet sein, wenn er vorwegnimmt, wozu er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der damit einhergehenden Entstehung des Rückgewähranspruchs verpflichtet wäre. Maßgeblich sei hierbei nicht die Willensrichtung des Leistungsempfängers, sondern die objektive Vermögenslage.
An der Herstellung eben dieser Vermögenslage könne es jedoch fehlen, wenn der in anfechtbarer Weise erlangte Vermögensgegenstand zwar in das Vermögen des Schuldners zurückgeführt wird, damit aber eine sonstige Forderung beglichen werde, die im eröffneten Verfahren einen eigenständigen Vermögenswert dargestellt hätte. Dies sei aber nicht der Fall, wenn diese im eröffneten Verfahren nicht neben dem insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch durchgesetzt werden könnte. Maßgeblich sei deshalb, ob beide Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt stammen und auf ein und dieselbe Leistung gerichtet sind, also eine materiell-rechtliche Anspruchskonkurrenz bestünde. Da der Steuererstattungsanspruch auf einer Überzahlung, die durch drei der acht angefochtenen Steuerzahlungen bewirkt worden war, beruht, waren vorliegend der Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO und der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 S. 1 AO deckungsgleich und hätten im eröffneten Verfahren nicht gemeinsam durchgesetzt werden können.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des BGH führt die bisherige Rechtsprechung in überzeugender Weise fort. Relevant für das Vorliegen einer den Insolvenzanfechtungsanspruch ausschließenden vorweggenommenen Befriedigung bleibt alleine die objektive Vermögenslage.