Dem GmbH-Gesellschafter stehen nach § 51a GmbHG umfangreiche Auskunfts- und Einsichtsrechte zu, die dieser außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen muss. Das LG Berlin hatte in seinem Beschluss vom 7.6.2022 — 103 O 126/21, ZInsO 2022, S. 1916 die Frage zu entscheiden, ob und inwieweit diese Auskunfts- und Einsichtsrechte im Insolvenzverfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist seit 2015 Alleingesellschafter der GBG GmbH und seit 2014 Geschäftsführer deren Tochtergesellschaft der GMI GmbH. Seit April/Mai 2019 war der Antragsgegner Insolvenzverwalter über das Vermögen der beiden Gesellschaften. Die Parteien sind sich uneinig über den Zeitpunkt, bei dem Zahlungsunfähigkeit bzw. die Insolvenzreife bei den Gesellschaften eingetreten ist.
Der Antragsteller wirft dem Antragsgegner vor, er habe die Buchhaltung der Gesellschaften manipuliert. Nachdem der Antragsteller dem Antragsgegner Zugang zu Daten – die Parteien streiten darüber, ob dieser ausreichend war – eingeräumt hat, begehrte der Antragsteller Auskünfte zu verschiedenen buchhalterischen Positionen und die Überlassung von Kopien von Unterlagen, wie beispielsweise zur Liquidität, Briefe und E‑Mails als auch Berichte, Einschätzungen und Kommunikation mit den steuerrechtlichen Beratern. Gleiches galt für die Überlassung der Liquiditätsplanung/Übersicht.
Nachdem der Antragsteller vom Antragsgegner auf seine Einsichtsrechte nach §§ 242, 810 f. BGB verwiesen wurde, stellte er den Antrag nach §§ 51b, 51a GmbHG mit der Begründung, er benötige die Informationen, um sich in einem laufenden Insolvenzanfechtungsprozess gegen den Antragsgegner und gegen Ansprüche auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens verteidigen zu können.
Entscheidung des LG Berlin: Kein Anrecht auf Auskunftserteilung
Das LG Berlin lehnt einen Anspruch auf Auskunftserteilung nach den §§ 51b, 51a GmbHG als unbegründet ab.
Grundsätzlich bestünde aber ein Auskunftsanspruch nach § 51a GmbHG auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft weiter. Der Anspruch richte sich im Insolvenzverfahren gegen den Insolvenzverwalter.
Allerdings komme es aufgrund des Insolvenzrechtes zu einem Funktionswandel in der Gesellschafterstellung, der auch auf die Rechte nach § 51a GmbHG Einfluss nehme. Statt eines umfassenden mitgliedschaftlichen individuellen Informationsrechtes, welches der Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung und mitgliedschaftlichen Eigeninteressen diene, komme es im Insolvenzverfahren zu inhaltlichen Einschränkungen. Die Rechte nach § 51a GmbHG dienten nunmehr nur noch der sachgerechten Ausübung des Gesellschafterstimmrechts. Begründet sei dies darin, dass zwar die Gesellschafterversammlung als Organ fortbestehe, die Verwaltungs- und Verfügungsrechte jedoch auf den Insolvenzverwalter übergegangen seien. Aufgrund der insolvenzrechtlichen Besonderheiten könne sich das Informationsrecht des Gesellschafters nach § 51a GmbHG nicht auf die gesamte Tätigkeit des Insolvenzverwalters beziehen. Den Gesellschaftern stünden insoweit nämlich keine Kontrollrechte zu. Auch sei der Insolvenzverwalter nicht zu Auskünften verpflichtet, die im Zusammenhang mit Anspruchsverfolgungen gegen Dritte stehen. Dem Gesellschafter stünden weder Informations- noch Einsichtsrechte zu, wenn sein Begehren die persönliche vermögensrechtliche Stellung eines Gesellschafters als Mitglied der Gesellschaft betreffe. Weiter beziehe sich das Informationsrecht nur auf diejenigen Unterlagen, die der Insolvenzverwalter bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen habe. Dagegen bestehe kein Recht zur Einsichtnahme in Unterlagen, die spätere Geschäftsvorgänge betreffen, die der Insolvenzverwalter zu verantworten habe. Zudem müsse der Gesellschafter sein konkretes Informationsbedürfnis darlegen und glaubhaft machen sowie die konkreten Unterlagen bezeichnen, in die er Einsicht nehmen will.
Im vorliegenden Fall fehle es bereits an einer schlüssigen Darlegung des individuellen Informationsbedürfnisses. Informationen bezüglich der geltend gemachten Insolvenzanfechtung benötige der Antragsteller nicht, weil er durch Einsicht keinen Mehrwert erlangen würde. Soweit der Antragsteller als Gesellschafter Einsicht nehmen wolle, um feststellen zu können, ob der Insolvenzverwalter richtig den Zeitpunkt der Insolvenzreife festgestellt habe, so stehe ihm ein Kontrollrecht nicht zu. Der Antragsteller sei aber nicht rechtlos, da ihm immer noch die Ansprüche nach §§ 242, 810 f. BGB zustünden.
Rechtliche Würdigung
Die dogmatische Herleitung des LG Berlin zur Modifizierung der Ansprüche auf Auskunft- und Einsicht ist nachvollziehbar. In der Praxis stellt es sich jedoch als schwierig dar, die Interessenssphären des Gesellschafters genau abzugrenzen. Wieso dem Gesellschafter nicht nach § 51a GmbHG eine Einsichtnahme in die buchhalterischen Unterlagen möglich sein soll, um seinerseits prüfen zu können, wann die Insolvenzreife eingetreten ist, erschließt sich nicht. Es besteht auch kein Bedürfnis den Insolvenzverwalter zu schützen, da spätestens in einem gerichtlichen Verfahren die notwendigen Informationen einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens zugänglich gemacht werden müssen.