Über die praktisch relevante Frage, wer im laufenden Insolvenzverfahren wirksam einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung stellen kann, hat das FG Münster, Bescheid vom 15.5.23 – 7 K 2627/20 E zu entscheiden.
Sachverhalt
Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts aus 10/2019 wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und RA O. zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser reichte am 17.7.20 beim beklagten Finanzamt für den Insolvenzschuldner eine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2019 ein. Im Antrag wurde das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners für die Monate
07–12/ 2019 aufgeführt sowie Vorsorgeaufwendungen
Mit Bescheid vom 27.7.2020 teilte der Beklagte mit, dass die ausschließlich vom Insolvenzverwalter unterzeichnete Einkommensteuererklärung keine wirksame Steuererklärung sei, und daher einer Nichtabgabe gleichstehe. Es sei stets die eigenhändige Unterschrift des Insolvenzschuldners erforderlich. Ein hiergegen gerichteter Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Der Kläger verstarb im Juni 2021. Mi Beschluss des Insolvenzgerichts aus Juli 2021 wurde feststellt, dass das Amt des bisherigen Insolvenzverwalters durch dessen Tod beendet wurde und an seiner Stelle zum neuen Insolvenzverwalter der jetzige Kläger, Herr RA N., bestellt werde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat erklärt, dass er den Rechtsstreit aufnehme.
Entscheidung des Finanzgerichts: Insolvenzverwalter alleine antragsbefugt
Das Finanzgericht führt zunächst aus, dass das Klageverfahren nicht durch den Tod des erstbestellten Insolvenzverwalters unterbrochen war. Da der Insolvenzverwalter vorliegend durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten war, sei eine Unterbrechung nach § 239 ZPO nicht automatisch eingetreten (vgl. auch § 246 ZPO).
Die Klage sei auch begründet. Im Streitfall sei allein der Insolvenzverwalter antragsbefugt im Sinne von § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, da sich als Ergebnis der Veranlagung eine Erstattung ergeben werde. Im Streitfall komme unstreitig allein eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in Betracht, da das Einkommen des Insolvenzschuldners im Streitjahr 2019 aus einer nicht-selbstständigen Tätigkeit bestehe und die Voraussetzungen der §§ 46 Abs. 2 Nr. 1–7 EStG für 2019 nicht vorlägen.
Der Insolvenzverwalter habe durch Einreichung des von ihm unterzeichneten Mantelbogens mit Anlage N einen formwirksamen Antrag gestellt. Nach der für die Angabe einer Einkommensteuererklärung maßgeblichen Grundnorm aus § 95 Abs. 3 EStG habe der Steuerpflichtige die Einkommensteuererklärung eigenhändig zu unterzeichnen, womit er auch die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung übernimmt (vgl. auch § 150 Abs. 2 AO). Der Antrag sei in der Praxis nach dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu stellen. Er müsse allerdings zur Erfüllung der Voraussetzung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nur so erschöpfend ausgefüllt sein, dass das Veranlagungsverfahren in Gang gesetzt werden könne. Nicht zwingend für einen formell wirksamen Antrag sei, dass der Vordruck vollständig und richtig ausgefüllt wurde. Insoweit sei die Frage der formellen Wirksamkeit des Antrags von der Frage der vollständigen Erfüllung von steuerlichen Mitwirkungspflichten und deren Folgen abzugrenzen.
Vorliegend habe der Insolvenzverwalter eine Einkommensteuererklärung mit den erforderlichen Mindestabgaben abgegeben. Der Beklagte durfte die Durchführung der Veranlagung auch nicht aufgrund der theoretischen Möglichkeit ablehnen, dass der Insolvenzschuldner im Jahr 2019 Arbeitseinkünfte erzielt hätte, die dem Insolvenzverwalter unbekannt waren. Zumindest bestünden im Streitfall nach dem Ergebnis des Gerichtsverfahrens keine konkreten Anhaltspunkte für solche. Etwaige Unklarheiten im Rahmen der Veranlagung wären seitens des Finanzamtes zudem durch Rückfragen beim Insolvenzschuldner auszuräumen gewesen.
Ein wirksamer Antrag setzt im vorliegenden Fall auch nur die Unterschrift des Insolvenzverwalters voraus. Eine Mitunterzeichnung durch den Insolvenzschuldner sei für das Ingangsetzen der Veranlagung nicht erforderlich. Nach der Insolvenzeröffnung könne ein Insolvenzschuldner grundsätzlich weder Einkommensteuererklärungen noch Anträge im Sinne von § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG selbst unterzeichnen und einreichen, soweit die Insolvenzmasse betroffen sei. Besteuerungsgrundlagen, die in den insolvenzfreien Bereich fallen, seien dagegen grundsätzlich vom Insolvenzschuldner allein zu erklären. Im Erstattungsfall, wie vorliegend, stehe die Erklärungsbefugnis allein dem Insolvenzverwalter zu. Der nach § 46 Abs. 1 AO auch pfändbare Lohn- und Einkommensteuererstattungsanspruch gehöre in vollem Umfang zur Insolvenzmasse, unabhängig davon, ob er auf die Zeit vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfalle. Der Steuerpflichtige erlange bereits mit der Leistung der Vorauszahlungen einen Anspruch auf Erstattung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Jahres die Steuerschuld geringer sei als die Summe der Vorauszahlungen.
Gemäß § 80 Abs. 1 InsO gehe mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und jeweils zur Verfügung auf den Insolvenzverwalter über. Dieser habe als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO auch die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Der Umstand, dass bei Arbeitseinkommen stets ein pfändungsfreier und damit insolvenzfreier Anteil vorhanden ist stehe der alleinigen Erklärungsbefugnis des Insolvenzverwalters im Erstattungsfall nicht entgegen.
Eine Veranlagung wäre im Streitfall selbst dann auf Antrag des Klägers durchzuführen gewesen, wenn man dieser Ansicht nicht folge. Die Einkommensteuererklärung des Insolvenzverwalters wäre dann eine zulässige Teil-Einkommensteuererklärung, die ebenfalls einen formell wirksamen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG darstellen würde.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung geht zutreffend davon aus, dass der Insolvenzverwalter, jedenfalls im Erstattungsfalle, alleine zur Abgabe einer entsprechenden Einkommenssteuererklärung berechtigt ist. Dies trägt auch dem Bedürfnis der Praxis, gerade bei nicht kooperationsbereiten Insolvenzschuldnern Rechnung Gleichwohl ist die Rechtsfrage noch nicht abschließend entschieden, dass FG hat die Revision zugelassen, die noch beim BFH anhängig ist.