Dass eine einfache vorweggenommene Erbfolge fürchterliche Folgen haben kann, haben wir schon einmal an einem drastischen Fall demonstriert. Heute möchten wir Ihnen einen weiteren Fall aus dieser Kategorie vorstellen. Auch dieser Fall kommt zunächst wie einer von tausenden daher, bis sich dann aufgrund einer winzigen Unaufmerksamkeit höchst unerfreuliche Konsequenzen entfalten.
Ein Vater übertrug seinem Sohn die Hälfte seiner Immobilie und behielt sich den Rücktritt vom Schenkungsvertrag und die Rückforderung der Immobilie vor für den Fall, dass der Sohn vor ihm versterben sollte. Der Rücktritt sollte beurkundungspflichtig sein und musste dem Rückübereignungsverpflichteten binnen sechs Monaten seit Kenntnis vom Rücktrittsgrund zugehen. Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen.
Als der Sohn verstarb, war der Vater, für den zwischenzeitlich Betreuung angeordnet worden war, zum gesetzlichen Alleinerben berufen. Die vom Vater erhaltene Miteigentumshälfte war der einzige Aktivposten im Nachlass des Sohnes. Die Immobilie war in schlechtem Zustand, ihr Wert unklar. Auch die Nachlassverbindlichkeiten waren überschaubar. Der Betreuer schlug die Erbschaft aus, aber das Betreuungsgericht verweigerte die Genehmigung, weil die Überschuldung des Nachlasses nicht feststand. Der Betreuer beantragte Nachlassverwaltung, um die Haftung des Vaters für die Verbindlichkeiten des Sohnes auf dessen Nachlass zu begrenzen.
Die Beantragung der Nachlassverwaltung war die naheliegende und zweckdienliche Vorgehensweise. Zwar tritt durch die Anordnung der Nachlassverwaltung wieder eine Trennung zwischen dem Vermögen des Erben und dem Nachlass ein, so dass die verschenkte Miteigentumshälfte wieder aus dem Vermögen des Vaters ausgesondert wurde und in den Nachlass zurückfiel. Zugleich aber leben nach § 1976 BGB auch der Anspruch auf Rückübertragung und die zu seiner Sicherheit eingetragene Vormerkung wieder auf. Der Vater hat seine Hälfte und einen vormerkungsgesicherten und damit werthaltigen Anspruch gegen den Nachlass des Sohnes auf Rückübertragung des verschenkten Miteigentumsanteils. Die übrigen Gläubiger des Nachlasses wären leer ausgegangen.
Bedauerlicherweise ließ jedoch der Betreuer die Rücktrittsfrist verstreichen. Dadurch ging der Rückübertragungsanspruch unter und die verschenkte Miteigentumshälfte verblieb endgültig im Nachlass des Sohnes. Da nun Masse vorhanden war, wurde auf Antrag des Nachlassverwalters das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Sohnes eröffnet.
Kurz danach verstarb auch der Vater. Die andere Miteigentumshälfte, die sich noch in seinem Vermögen befand, genügte nicht, um die vorhandenen Verbindlichkeiten zu decken, so dass auf Antrag des Nachlasspflegers auch über seinen Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Statt also lediglich die Verbindlichkeiten des Vaters zu decken, wird der Veräußerungserlös der Immobilie darüber hinaus nicht nur zur Begleichung der gesamten Verbindlichkeiten des Sohnes, sondern auch zur Deckung der Kosten von gleich zwei Nachlassinsolvenzverfahren verwendet.
Wegen der eingetragenen Vormerkung und der dort in Bezug genommenen Schenkungsurkunde wäre es dem Betreuer möglich gewesen, sich eine Abschrift vom Schenkungsvertrag zu beschaffen, die Voraussetzungen des Rückauflassungsanspruchs zu prüfen und ihn nach Anordnung der Nachlassverwaltung gegenüber dem Nachlassverwalter geltend zu machen. Hätte er das getan, wäre das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Sohnes nicht eröffnet worden, die Nachlassverwaltung wäre mangels Masse aufgehoben worden. Sein Betroffener hätte die verschenkte Immobilie zurückerhalten und diese wäre dessen unbekannten Erben zugutegekommen. Der für den Nachlass des Vaters bestellte Insolvenzverwalter wird daher zu prüfen haben, ob die unbekannten Erben des Vaters einen Haftungsanspruch gegen den Betreuer haben, weil dieser den Rückübertragungsanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
Dieser Fall zeigt anschaulich, wie schnell im Erbrecht erhebliche Vermögenswerte vernichtet werden können. Die Themen des Rückforderungsrechts bei vorweggenommener Erbfolge und der Beschränkung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass gehören zum Standardrepertoire des Fachanwalts für Erbrecht.
Ein Betreuer, der mit einer solchen Vormerkung konfrontiert wird, sollte in jedem Fall sofort, also unabhängig davon, ob ein Erbfall bereits eingetreten ist oder nicht, eine Abschrift des Schenkungsvertrags anfordern und im Zweifel anwaltlichen Rat einholen, um zu wissen, wann und unter welchen Voraussetzungen der Rückübertragungsanspruch geltend gemacht werden kann.