ArbeitArbeitsrecht

Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen

Seit Ein­füh­rung des TzBfG und AGG ist bekannt, dass sowohl eine Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Teil­zeit (§ 4 Absatz 1 TzBfG) als auch eine Dis­kri­mi­nie­rung wegen des Geschlechts (§ 7 Absatz 1 AGG i.V.m. § 1 AGG) unzu­läs­sig ist.

Beim Ver­such einer gerech­ten und dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Gestal­tung von Ent­gel­ten tref­fen Unter­neh­men jedoch schnell auf Schwie­rig­kei­ten. Die jüngs­te Ent­schei­dung des BAG hier­zu sorg­te jeden­falls dahin­ge­hend für Klar­heit, indem das Gericht die soge­nann­te „Voll­zeit­quo­te“ bei Über­stun­den­zu­schlä­gen im Ergeb­nis ver­warf. Die Bri­sanz die­ser Ent­schei­dung folgt dar­aus, dass etli­che tarif­ver­trag­li­che Rege­lun­gen, ins­be­son­de­re im öffent­li­chen Dienst, ähn­li­che Klau­seln ent­hal­ten. Diese soll­ten daher nicht mehr unge­prüft ange­wen­det wer­den.

Sach­ver­halt

Im kon­kre­ten Fall wies das Arbeits­zeit­kon­to der Klä­ge­rin, wel­che in Teil­zeit arbei­te­te, ein Über­stun­den­gut­ha­ben aus. Die auf das Arbeits­ver­hält­nis anwend­ba­re Tarif­ver­trags­re­ge­lung sah einen Zuschlag von 30 % bei Über­stun­den vor, die über die monat­li­che Arbeits­zeit eines voll­zeit­be­schäf­tig­ten Arbeit­neh­mers hin­aus geleis­tet wer­den und nicht durch Frei­zeit­ge­wäh­rung aus­ge­gli­chen wer­den kön­nen. Der Arbeit­ge­ber bezahl­te der Klä­ge­rin weder Über­stun­den­zu­schlä­ge, noch nahm er im Arbeits­zeit­kon­to eine Zeit­gut­schrift vor.

Die Klä­ge­rin ver­lang­te die Gut­schrift von Über­stun­den­zu­schlä­gen sowie die Zah­lung einer Ent­schä­di­gung nach § 15 Absatz 2 AGG auf­grund Dis­kri­mi­nie­rung ihres Geschlechts.

Ent­schei­dung des BAG: Über­stun­den­zu­schlä­ge für Teil­zeit­kräf­te bereits ab der ers­ten Über­sun­de und Beja­hung einer Dis­kri­mi­nie­rung

Das BAG sprach der Klä­ge­rin die ver­lang­te Zeit­gut­schrift sowie eine Ent­schä­di­gung i.H.v. € 250,00 zu.

Der Senat begrün­de­te seine Ent­schei­dung damit, dass die streit­ge­gen­ständ­li­che Tarif­re­ge­lung keine der Teil­zeit­quo­te ent­spre­chen­de antei­li­ge Absen­kung der Gren­ze für die Gewäh­rung eines Über­stun­den­zu­schlags vor­sah. Eben­so sei kein sach­li­cher Grund erkenn­bar gewe­sen, der die Ungleich­be­hand­lung zwi­schen Teilzeit- und Voll­zeit­be­schäf­tig­ten hätte recht­fer­ti­gen kön­nen.

Im Hin­blick auf den Ent­schä­di­gungs­an­spruch bejah­te der Senat das Vor­lie­gen einer mit­tel­ba­ren Benach­tei­li­gung des Geschlechts, da im Betrieb des Arbeit­ge­bers inner­halb der betrof­fe­nen Grup­pe der Teil­zeit­be­schäf­tig­ten erheb­lich mehr Frau­en als Män­ner ver­tre­ten waren.

Die Ent­schei­dung steht im Ein­klang mit dem EuGH Urteil vom 29.07.2024 – C‑184/22, C‑185/22 /KfH Kura­to­ri­um für Dia­ly­se und Nie­ren­trans­plan­ta­ti­on eV, wel­cher sich zuvor mit dem Fall beschäf­tigt hatte.

Rechts­fol­gen für die Pra­xis

Der­zeit ver­öf­fent­lich­te das BAG ledig­lich eine Pres­se­mit­tei­lung. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Unter­neh­men schon zum jet­zi­gen Zeit­punkt ihre Über­stun­den­re­ge­lun­gen auf dem Prüf­stand stel­len soll­ten, um unan­ge­neh­me Über­ra­schun­gen oder gar Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­wür­fe zu ver­mei­den. Ins­be­son­de­re beim Abschluss von Neu­ver­trä­gen soll­te die Ent­schei­dung des BAGs berück­sich­tigt wer­den.

BAG, Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20

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