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Gläubigerbenachteiligung in Folge einer außerordentlichen Kündigung

Wann eine anfecht­ba­re Her­stel­lung einer Auf­rech­nungs­la­ge vor­liegt, ist immer wie­der Gegen­stand von gericht­li­chen Ent­schei­dun­gen. Vor­lie­gend hatte der BGH hier­über im Zusam­men­hang mit einer außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung nach § 8 Abs. 2 VOB/B zu ent­schei­den (BGH, Urteil vom19.10.2023 –IX ZR 249/22).

Sach­ver­halt

Der Klä­ger ist Ver­wal­ter des am 1.5.2018 eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der R GmbH, im Fol­gen­den: Schuld­ne­rin. Die Beklag­te beauf­trag­te die Schuld­ne­rin im August 2017 auf Grund­la­ge zwei­er Auf­trags­schrei­ben mit Metall­bau­ar­bei­ten. Nach­dem die Beklag­te vom Insol­venz­an­trag der Schuld­ne­rin Kennt­nis erlang­te, kün­dig­te sie mit Schrei­ben vom 9.3.2018 u.a. diese bei­den Ver­trä­ge gem. § 8 Abs. 2 VOB/B außer­or­dent­lich frist­los und nahm am 21.3.2018 die bereits erbrach­ten Arbei­ten ab. Der Klä­ger nimmt die Beklag­te auf Zah­lung zwei­er Schluss­rech­nun­gen vom 28.3.2018 in Höhe von ins­ge­samt € 182.464,43 in Anspruch. Die Beklag­te rech­net mit strei­ti­gen Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen aus einem ande­ren, eben­falls mit Schrei­ben vom 9.3.2018 gem. § 8 Abs. 2 VOB/B außer­or­dent­lich frist­los gekün­dig­ten Bau­vor­ha­ben in Höhe von € 383.103,55 auf.

Das Land­ge­richt hat der Klage im Wesent­li­chen statt­ge­ge­ben. Die Beru­fung blieb im Wesent­li­chen erfolg­los. Hier­ge­gen rich­tet sich die vom Beru­fungs­ge­richt zuge­las­se­ne Revi­si­on der Beklag­ten.

Ent­schei­dung des BGH: Her­stel­lung der Auf­rech­nungs­la­ge anfecht­bar

Der BGH weist die Revi­si­on zurück. Er führt aus, dass gegen­über die in der Revi­si­ons­in­stanz nicht im Streit ste­hen­de Ver­gü­tungs­an­sprü­che der Schuld­ne­rin die Auf­rech­nung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO insol­venz­recht­lich unzu­läs­sig sei.

Gegen­stand der Anfech­tung sei das Her­stel­len der Auf­rech­nungs­la­ge. Da § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf die all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten über die Insol­venz­an­fech­tung (§ 129 ff InsO) Bezug nehme, müss­ten sämt­li­che Merk­ma­le einer anfecht­ba­ren Rechts­hand­lung erfüllt sein. Als Rechts­hand­lung kommt jede Hand­lung in Betracht, die zum Ent­ste­hen der Auf­rech­nungs­la­ge führe, ins­be­son­de­re auch die Kün­di­gung eines Ver­tra­ges. Durch die in Kennt­nis des Eröff­nungs­an­tra­ges der Schuld­ne­rin erklär­te und auf § 8 Abs. 2 VOB/B gestütz­te Kün­di­gung vom 9.3.2018 habe die Beklag­te eine Auf­rech­nungs­la­ge mit etwa­igen Gegen­for­de­run­gen aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 VOB/B her­ge­stellt. Es könn­te aber dahin­ste­hen, ob das Erlan­gen der Auf­rech­nungs­la­ge eine kon­gru­en­te oder inkon­gru­en­te Deckung dar­stel­le, da in jedem Fall die Vor­aus­set­zun­gen des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO als Auf­fang­tat­be­stand vor­lie­gen wür­den, der auch inkon­gru­en­te Deckun­gen erfas­se.

Die vom BGH bejah­te Wirk­sam­keit der insol­venz­ab­hän­gi­gen Lösungs­klau­sel des § 8 Abs. 2 VOB/B in Bezug auf die §§ 103, 119 InsO sowie § 307 BGB sei von der vor­lie­gend zu ent­schei­den­den Frage der Anfecht­bar­keit der Her­stel­lung der Auf­rech­nungs­la­ge zu tren­nen. Die insol­venz­recht­li­che Unwirk­sam­keit ergrei­fe nur die gläu­bi­ger­be­nach­tei­lig­te Wir­kung der Her­stel­lung der Auf­rech­nungs­la­ge, nicht jedoch das Grund­ge­schäft (hier: die Kün­di­gung).

Die Erlan­gung der Auf­rech­nungs­mög­lich­keit werde genau­so beur­teilt wie, wenn das Insol­venz­ver­fah­ren im Zeit­punkt des Erwerbs bereits eröff­net gewe­sen wäre. Der Ver­wal­ter könne sich unmit­tel­bar auf die Unwirk­sam­keit der Auf­rech­nung beru­fen und auf die­sem Wege die For­de­rung der Masse, gegen die auf­ge­rech­net wor­den ist, durch­set­zen, als sei die Auf­rech­nung nicht erfolgt.

Es fehle auch nicht an einer objek­ti­ven Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung nach § 129 InsO. Diese sei beim Her­stel­len der Auf­rech­nungs­la­ge regel­mä­ßig schon des­halb zu beja­hen, weil die For­de­rung der Masse im Umfang der Auf­rech­nung zur Befrie­di­gung einer ein­zel­nen Insol­venz­for­de­rung ver­braucht werde und inso­weit nicht für die Ver­tei­lung zur Ver­fü­gung stehe. Der Masse ent­geht dadurch die Dif­fe­renz zwi­schen dem Nenn­wert der For­de­rung und der Quote auf die Gegen­for­de­rung des Insol­venz­gläu­bi­gers.

Eine Kün­di­gung habe die Benach­tei­li­gung der Insol­venz­gläu­bi­ger zur Folge, wenn sie, wie hier, zur Mög­lich­keit der Auf­rech­nung führe wel­che die Haupt­for­de­rung der Gesamt­heit der Gläu­bi­ger ent­zie­he. Eine Sal­die­rung der Vor- und Nach­tei­le finde Insol­venz­ver­fah­ren grund­sätz­lich nicht statt, auch ein Vor­teils­aus­gleich nach scha­dens­er­satz­recht­li­chen Grund­sät­zen sei im Insol­venz­an­fech­tungs­recht grund­sätz­lich nicht zuläs­sig. Viel­mehr sei die Gläu­bi­ger­nach­tei­lung iso­liert in Bezug auf die kon­kret bewirk­te Min­de­rung des Aktiv­ver­mö­gens und die Ver­meh­rung der Pas­si­va des Schuld­ners zu beur­tei­len.

Dass die Rechts­hand­lung der Masse auch einen Vor­teil ver­schafft haben mag, stün­de einer Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung nicht ent­ge­gen. Diese gelte jeden­falls für den Fall, dass die ein­an­der auf­re­chen­bar gegen­über­ste­hen­de For­de­run­gen aus unter­schied­li­chen Ver­trä­gen stam­men.

Recht­li­che Wür­di­gung

Der BGH bekräf­tigt und fes­tigt seine Recht­spre­chung zur Her­stel­lung einer Auf­rech­nungs­la­ge und bejaht diese auch bei einer Kün­di­gung nach § 8 Abs. 2 VOB/B. Die Ent­schei­dung hat damit für den Bau­be­reich eine erheb­li­che prak­ti­sche Bedeu­tung, im Ergeb­nis beruht sie aber auf dr bis­he­ri­gen, gut ver­tret­ba­ren Recht­spre­chung des BGH.

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