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Freigabe eines Anspruchs vor Verfahrensabschluss

Das FG hat ent­schie­den, dass die „Frei­ga­be“ eines Anspruchs nach dem Anfech­tungs­ge­setz „zur wei­te­ren Rechts­ver­fol­gung“ durch die Behör­de vom Insol­venz­ver­wal­ter vor Been­di­gung des Insol­venz­ver­fah­rens nicht mög­lich ist (FG Schleswig-Holstein, Bescheid vom 01.11.2023 – 3 K 101/16).

Sach­ver­halt

Der Schuld­ner und Ehe­mann der Klä­ge­rin hatte mit die­ser 2010 eine Ände­rung des gesetz­li­chen Güter­stands hin zur Güter­tren­nung ver­ein­bart. In Erfül­lung des hier­durch ent­stan­de­nen Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs über­trug er sei­ner Ehe­frau Geschäfts­an­tei­le an ver­schie­de­nen Immo­bi­li­en­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten. Diese Über­tra­gun­gen foch­te das FA nach dem AnfG an und erließ gegen die Klä­ge­rin Dul­dungs­be­schei­de zur Voll­stre­ckung in Teile der über­tra­ge­nen Ver­mö­gens­wer­te. Hier­ge­gen wand­te sich die Klä­ge­rin kla­ge­wei­se. Nach Kla­ge­er­he­bung wurde über das Ver­mö­gen des Ehe­manns das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net, was zur Unter­bre­chung des Anfech­tungs­klag­ver­fah­rens nach § 17 Abs. 1 AnfG führ­te. Der Insol­venz­ver­wal­ter erteil­te in der Folge dem FA die „Frei­ga­be“ der Ansprü­che „zur wei­te­ren Rechts­ver­fol­gung“. Das FA bean­trag­te dar­auf­hin, den Still­stand des Ver­fah­rens zu been­den, wor­über das FG zu ent­schei­den hatte.

Ent­schei­dung des FG Schleswig-Holstein: Frei­ga­be nicht mög­lich

Zur Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens war das FA nicht berech­tigt, so die Ent­schei­dung des FG Schleswig-Holstein. Mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens, mit­hin ab dem Zeit­punkt der Unter­bre­chung des Anfech­tungs­klag­ver­fah­rens, sei der mit dem Dul­dungs­be­scheid gel­tend gemach­te Ein­zel­gläu­bi­ger­an­fech­tungs­an­spruch des FA erlo­schen und gehö­re nun­mehr zur Insol­venz­mas­se. Die Anfech­tungs­an­sprü­che wei­ter zu ver­fol­gen sei ab die­sem Zeit­punkt allein Sache des Insol­venz­ver­wal­ters. Der Insol­venz­ver­wal­ter könne, müsse aber nicht das Ver­fah­ren auf­neh­men. Unter­las­se er die Wie­der­auf­nah­me, so sei es den ursprüng­li­chen Par­tei­en selbst aus­schließ­lich hin­sicht­lich der Kos­ten mög­lich, das Ver­fah­ren selbst wie­der­auf­zu­neh­men. Den Rechts­streit selbst könn­ten die (ursprüng­li­chen) Par­tei­en erst nach Abschluss des Insol­venz­ver­fah­rens fort­set­zen. Diese von Geset­zes wegen ent­stan­de­ne Unter­bre­chung könne nicht durch­bro­chen wer­den, indem der Insol­venz­ver­wal­ter die Ansprü­che „frei­ge­be“. Hier­für man­ge­le es an einer gesetz­li­chen Grund­la­ge. Sinn und Zweck der Unter­bre­chungs­re­ge­lung sei die Ver­drän­gung der ein­zel­nen Gläu­bi­ger aus den vor Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ent­stan­de­nen Anfech­tungs­an­sprü­chen. Ab Eröff­nung gäbe es grund­sätz­lich keine Son­der­rech­te mehr für ein­zel­ne Gläu­bi­ger, sodass aus­schließ­lich der Insol­venz­ver­wal­ter ent­schei­de, ob sich die Wie­der­auf­nah­me für die Masse lohnt. Es gebe keine Anhalts­punk­te für eine durch den Gesetz­ge­ber gewoll­te Mög­lich­keit der Frei­ga­be der Ansprü­che durch den Insol­venz­ver­wal­ter.

Soweit nach Ansicht des FA die Frei­ga­be mög­lich sein soll, wenn die erfolg­rei­che Anfech­tung kei­nen Ein­fluss auf die Insol­venz­mas­se hat und daher kein Betei­lig­ter des Insol­venz­ver­fah­rens mehr schutz­wür­dig sei, sei dem nicht zu fol­gen. Hier­für sei eine teleo­lo­gi­sche Reduk­ti­on des § 17 AnfG not­wen­dig, die wie­der­um eine plan­wid­ri­ge Rege­lungs­lü­cke als Vor­aus­set­zung habe. Eine sol­che aber nicht ersicht­lich.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Ent­schei­dung des FG folgt der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BFH. Nach­dem die Revi­si­on wegen grund­sätz­li­cher Bedeu­tung zuge­las­sen wurde, bleibt abzu­war­ten, ob der BFH das Argu­ment der nicht mehr gege­be­nen Mög­lich­keit einer Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung als Aus­nah­me zu sei­ner Recht­spre­chung aner­kennt.

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