InsolvenzrechtKrise, Sanierung und InsolvenzKrisen- und Sanierungsberatung

Voraussetzung für die Insolvenzeröffnung

Dass sich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit recht­li­chen Fra­gen der Vor­aus­set­zun­gen für eine Insol­venz­er­öff­nung befasst, ist sel­ten. In sei­nem Beschluss vom 13.12.2023 — 2 BvR 2204/21 war dies der Fall.

Sach­ver­halt

Über das Ver­mö­gen der Beschwer­de­füh­re­rin wurde mit Beschluss des Amts­ge­richts Ham­burg vom 20.8.2020 wegen Zah­lungs­un­fä­hig­keit und Über­schul­dung das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Die Eröff­nung erfolg­te auf­grund zwei­er Gläu­bi­ger­an­trä­gen, die For­de­rung war jeweils durch Voll­stre­ckungs­be­scheid titu­liert. Der Eröff­nungs­be­schluss ent­hielt keine wei­te­ren Aus­füh­run­gen zum Ein­wand der Beschwer­de­füh­re­rin, dass beide Insol­venz­an­trä­ge unzu­läs­sig seien. Die Beschwer­de­füh­re­rin legte gegen den Eröff­nungs­be­schluss sofor­ti­ge Beschwer­de ein und führ­te näher aus, dass die Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen für den Gläu­bi­ger­an­trag nicht vor­ge­le­gen hät­ten. Der Insol­venz­an­trag sei rechts­miss­bräuch­lich gestellt. Es fehle auch an der erfor­der­li­chen Glaub­haft­ma­chung der For­de­run­gen. Ins­be­son­de­re seien auch die Voll­stre­ckungs­be­schei­de rechts­wid­rig und unter Vor­lie­gen von Straf­tat­be­stän­den erlangt wor­den. Das Amts­ge­richt half der sofor­ti­gen Beschwer­de nicht ab, das Land­ge­richt Ham­burg wies die sofor­ti­ge Beschwer­de durch Beschluss vom 25.10.2021 als unbe­grün­det zurück. Das Gericht sei zwar davon über­zeugt, dass die Voll­stre­ckungs­be­schei­de auf­grund eines betrü­ge­ri­schen Vor­ge­hens des Antrag­stel­lers erlangt wor­den seien. Aller­dings sei die Schuld­ne­rin bei Ver­fah­rens­er­öff­nung gleich­wohl zah­lungs­un­fä­hig gewe­sen. Die Eröff­nung des Ver­fah­rens sei zuläs­sig, wenn ein Eröff­nungs­grund im Zeit­punkt der Eröff­nungs­ent­schei­dung tat­säch­lich vor­ge­le­gen hätte, auf einen zuläs­si­gen Eröff­nungs­an­trag komme es nicht an. Hier­ge­gen rich­tet sich die Ver­fas­sungs­be­schwer­de der Beschwer­de­füh­re­rin.

Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts: Ent­schei­dung des LG unhalt­bar

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gibt der Beschwer­de statt, hebt die Ent­schei­dung des Land­ge­richts auf und ver­weist an die­ses zurück.

Der Beschluss des Land­ge­richts ver­let­ze das Grund­recht der Beschwer­de­füh­re­rin aus Art. 3 Abs. 1 in der Aus­prä­gung als Will­kür­ver­bot i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG. Ein Rich­ter­spruch ver­sto­ße dann gegen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz in sei­ner Aus­brin­gung als Ver­bot objek­ti­ver Will­kür, wenn er unter kei­nem denk­ba­ren Anspruch recht­lich ver­tret­bar sei und sich der Schluss auf­drän­ge, dass er auf sach­frem­den Erwä­gun­gen beru­he. Schlech­ter­dings unhalt­bar sei eine fach­ge­richt­li­che Ent­schei­dung erst dann, wenn eine offen­sicht­lich ein­schlä­gi­ge Norm nicht berück­sich­tigt, der Inhalt einer Norm in kras­ser Weise miss­ver­stan­den oder sonst in nicht mehr nach­voll­zieh­ba­rer Weise ange­wen­det werde, die Rechts­la­ge also in kras­ser Weise ver­kannt wird.

So läge der Fall hier. Die Ent­schei­dung des Land­ge­richts sei schlech­ter­dings untrag­bar. Die tra­gen­de Erwä­gung, auf die Zuläs­sig­keit des Insol­venz­an­trags komme es nicht an, sofern zum Zeit­punkt der Ver­fah­rens­er­öff­nung ein Insol­venz­grund tat­säch­lich gege­ben sei, ver­ken­ne die Bedeu­tung der Vor­schrift des § 14 Abs. 1 S. 1 InsO, der im Zusam­men­spiel mit § 16 InsO und dem Prü­fungs­um­fang des Gerichts in nicht mehr nach­voll­zieh­ba­rer Weise und sei damit unter kei­nem denk­ba­ren Aspekt recht­lich ver­tret­bar. Vor­aus­set­zung für die Eröff­nung sei ein Insol­venz­an­trag der zuläs­sig und begrün­det sein müsse. Stellt ein Gläu­bi­ger einen Insol­venz­an­trag setz­te die Zuläs­sig­keit des­sel­ben vor­aus, dass der Gläu­bi­ger ein recht­li­ches Inter­es­se an der Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens habe und seine For­de­rung sowie den Insol­venz­grund glaub­haft mache. Begrün­det sei der Insol­venz­an­trag, wenn nach Über­zeu­gung des Gerichts ein Eröff­nungs­grund (hier: Über­schul­dung oder Zah­lungs­un­fä­hig­keit) gege­ben sei.

Mit die­ser Rechts­la­ge lasse sich die Auf­fas­sung des Land­ge­richts, das Vor­lie­gen der Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen könne dahin­ste­hen, wenn ein Eröff­nungs­grund im Sinne von § 16 InsO gege­ben sei, nicht in Ein­klang brin­gen. Das Gesetz ver­lan­ge im Abschnitt „Eröff­nungs­vor­aus­set­zun­gen und Eröff­nungs­ver­fah­ren“ nicht nur das Vor­lie­gen eines Eröff­nungs­grun­des, son­dern setz­te in §§ 13 – 15b InsO zusätz­lich – sogar vor­an­ste­hend – einen zuläs­si­gen Insol­venz­an­trag vor­aus. Dies ent­spre­che auch der Auf­fas­sung in Recht­spre­chung und Lite­ra­tur. Nach der vom Land­ge­richt außer Acht gelas­se­nen ein­deu­ti­gen Recht­spre­chung des BGH hat sich die Prü­fung des Insol­venz­ge­richts bis zum Erlass der Eröff­nungs­ent­schei­dung auch auf die Frage zur erstre­cken, ob Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen feh­len. Sei dies der Fall, sei der Insol­venz­an­trag als unzu­läs­sig abzu­wei­sen, ohne dass es auf die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen der Insol­venz­er­öff­nung, ins­be­son­de­re auf die Über­zeu­gung vom Vor­lie­gen eines Eröff­nungs­grun­des ankom­me. Glei­ches gelte für das Beschwer­de­ge­richt im Falle einer gegen den Eröff­nungs­be­schluss ein­ge­leg­ten sofor­ti­gen Beschwer­de. Aus der vom Land­ge­richt zitier­ten höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dun­gen ließe sich nichts Gegen­tei­li­ges her­lei­ten. Diese Ent­schei­dun­gen des BGH beträ­fen allei­ne die Frage, ob im Rah­men einer Beschwer­de­ent­schei­dung bei der Prü­fung des Vor­lie­gens eines Eröff­nungs­grun­des also für die Begrün­det­heit des Antrags auf den Zeit­punkt der letz­ten Tat­sa­chen­in­stanz oder – so der BGH – auf den Zeit­punkt der Eröff­nungs­ent­schei­dung unter Berück­sich­ti­gung vom neuen Vor­brin­gen in der Beschwer­de­instanz abzu­stel­len sei. Mit den Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen befas­sen sich die Ent­schei­dun­gen an kei­ner Stel­le, diese stün­den dort jeweils nicht in Frage. Auch soweit das Land­ge­richt auf die im Schrift­tum ver­tre­te­ne Auf­fas­sung hin­weist, dass das Gericht das Insol­venz­ver­fah­ren auf­grund eines ande­ren Insol­venz­grun­des eröff­nen dürfe, ergä­be sich hier­aus kein Argu­ment, auf das das Land­ge­richt sei­nen Ver­zicht auf die Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen ver­tret­bar stüt­zen könne. Auch diese Ansicht bezie­he sich auf Fälle, in denen ein zuläs­si­ger Insol­venz­an­trag vor­lie­ge. Eine Ver­fah­rens­er­öff­nung von Amts wegen sei vom Gesetz­ge­ber bewusst nicht vor­ge­se­hen wor­den.

Ent­spre­chend wurde der Beschluss des Land­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sache zur erneu­ten Ent­schei­dung über die sofor­ti­ge Beschwer­de an die­ses zurück­ver­wie­sen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Dem Land­ge­richt ist hier in der Tat vor­zu­hal­ten, dass es sich mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs nicht aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Diese ver­langt zu Recht, ent­spre­chend auch der Sys­te­ma­tik einen zuläs­si­gen Eröff­nungs­an­trag.

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