Nach § 17 KSchG müssen Arbeitgeber vor einer Massenentlassung eine Anzeige an die Agentur für Arbeit erstatten. Dazu müssen eine Vielzahl von Angaben über den Kündigungsgrund und die einzelnen betroffenen Arbeitnehmer gemacht werden. Fehler bei der Massenentlassungsanzeige führen nach der europarechtlichen und deutschen Rechtsprechung dabei zur Unwirksamkeit auch der ausgesprochenen Kündigungen — und damit zu oft exorbitanten Lohnansprüchen der nun wieder ungekündigten Arbeitnehmer an den Arbeitgeber.
Das Ganze ist ein sehr fehleranfälliges Verfahren für die Arbeitgeber, da die Rechtsprechung sich zu den Einzelheiten immer wieder ändert und man selbst bei guter rechtlicher Beratung kaum sicher sein kann, dass die Anzeige wirklich in jeder Hinsicht wasserfest ist. Die Formularfragen der Agentur sind oft missverständlich und teilweise sogar mit den gesetzlichen Regelungen nicht in Einklang. So musste etwa der Insolvenzverwalter der Fluggesellschaft Air Berlin vor kurzem hinnehmen, dass seine Massenentlassungsanzeige nicht vollständig richtig war, weil er einen anderen Betriebsbegriff als die Agentur zugrunde gelegt hatte mit der Folge, dass sämtliche Kündigungen unwirksam waren. Solche Urteile führen dann in der Folge stets zu hohen Abfindungszahlungen und bergen damit ein kaum kalkulierbares Risiko für die betroffenen Arbeitgeber.
Namhafte Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur sehen deshalb in dieser Rechtsprechung sogar einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG.
Dabei ist eine Massenentlassungsanzeige bereits erforderlich, wenn in einem Betrieb mit 20 bis 59 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer binnen eines Monats entlassen werden – bereits dies zählt als Massenentlassung!
Nun kommt Bewegung in die Rechtsprechung zu diesem Thema:
Der 2. Senat und der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts haben dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es europarechtswidrig wäre, wenn Fehler bei der Massenentlassungsanzeige nicht mehr die Unwirksamkeit der Kündigungen zur Folge hätten (Pressemitteilung des BAG 23/23 in NZA aktuell H.10/2023 S.VI). Schließlich ist die Anzeige lediglich eine bürokratische Maßnahme, um nicht zu sagen „Bürokratiemonster“, die noch dazu, wie man von der Bundesagentur vernimmt, oft nicht einmal irgendwelche Reaktionen bzw. besondere Vermittlungsbemühungen bei den angeschriebenen Agenturen auslöst.
Es wäre ein Meilenstein zum Thema Bürokratieabbau, wenn diese oft existenzbedrohende Rechtsfolge der Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen bei kleinen Formfehlern endlich beseitigt werden würde.
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