In einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hatte das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 21.8.2024 — 20 U 30/24 zu entscheiden, ob ein Gesellschafterbeschluss der Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG voran gehen muss, wenn das Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens ist.
Sachverhalt
Die Verfügungsklägerin (K) wendet sich als Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten (B) gegen die Vollziehung eines Gesellschafterbeschlusses der B.
Da sich B in einer wirtschaftlichen Krise befand, schloss die B in einem außergerichtlichen Restrukturierungs- und Sanierungsprozess mit diversen Gläubigern eine Sanierungsvereinbarung ab. In dieser wurde u.a. vereinbart, dass Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 350 Mio. € am 30.6.2024 zur Zahlung fällig werden. 2024 boten die Gläubiger an, die Sanierungsvereinbarung bis Ende 2027 zu verlängern, wenn die Kommanditisten der B (darunter auch K) eine 100%ige Verkaufstreuhand abschließen, um einen neuen Verkaufsprozess zur Ablösung der Fremdfinanzierung oder ein Verfahren nach dem StaRUG für die B durchführen zu können. Beides lehnte B ab.
Am 28.6.2024 wurde eine Gesellschafterversammlung durchgeführt und in dieser ein Gesellschafterbeschluss über die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG gefasst. K bzw. ihr Treuhänder wurden von der Stimmabgabe ausgeschlossen, da K zuvor die Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten vorgeworfen und das Stimmrecht entzogen wurde. Noch am selben Tag erfolgte die Restrukturierungsanzeige beim AG Stuttgart.
Gegen die Einleitung des Verfahrens wendet sich K. Vor dem LG Ulm wurde B aufgegeben, es zu unterlassen, den Gesellschafterbeschluss vorläufig zu vollziehen, bis über die Wirksamkeit der Beschlussfassung rechtskräftig entschieden oder die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. B legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.
Entscheidung des OLG Stuttgart: Kein Gesellschafterbeschluss notwendig
Der von B gestellte Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil einstweilen einzustellen, hatte Erfolg. B konnte, so die Ansicht des OLG Stuttgart, das StaRUG-Verfahren einleiten, ohne hierfür zuvor einen Gesellschafterbeschluss einzuholen. Ein solcher sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn ein Restrukturierungsverfahren die „einzige hinreichend erfolgsversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren“ ist.
Infolgedessen, so das OLG, habe es keiner Entscheidung darüber bedurft, ob der Beschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen als auch Vorgaben der Satzung würden durch die die Willensbildung betreffenden Regelungen des StaRUG verdrängt. Dem StaRUG sei zu entnehmen, dass die Gesellschafter nicht erfolgsversprechende Sanierungsmöglichkeiten verhindern können sollen. So eröffne § 7 Abs. 4 StaRUG die Möglichkeit, in die Rechtsstellung der Gesellschafter einzugreifen. Es könne das Kapital herabgesetzt, das Bezugsrecht ausgeschlossen oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten vorgesehen werden. Weiter sei es nach § 28 StaRUG möglich, auch größere Gruppen von Planbetroffenen durch gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen zu überstimmen und damit Restrukturierungsmaßnahmen gerade gegen den Widerstand der Gesellschafter umzusetzen.
Die angeführten Regelungen seien nicht nur im Außenverhältnis beachtlich, sondern würden auch Geltung im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern entfalten. Würde man dies anders sehen, so sei nach Ansicht des OLG der Zweck des Restrukturierungsverfahrens gefährdet, da die Gesellschafter die Durchführung durch Verweigerung eines notwendigen Beschlusses verhindern könnten.
Die Anteilseigner selbst seien zudem nicht schutzlos, da ihnen die Vorschriften der §§ 60, 63 ff. StaRUG Schutz gewähren.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Stuttgart betont, dass die sinnvolle Durchführung eines StaRUG-Verfahrens nicht durch die Gesellschafter verhindert werden soll. Bildet ein solches Verfahren die einzige vernünftige Möglichkeit zur Sanierung und Verhinderung eines Regelinsolvenzverfahren, so muss der Geschäftsleiter nicht die Zustimmung der Gesellschafter einholen.