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Sind Auflagen nach § 153a StPO als inkongruente Leistungen analog § 131 InsO anfechtbar?

Der Sach­ver­halt:

Gegen den Schuld­ner und eine Reihe wei­te­rer Per­so­nen wurde wegen ver­schie­de­ner wert­pa­pier­recht­li­cher Ver­stö­ße von ver­schie­de­nen Staats­an­walt­schaf­ten ermit­telt. Schon ganz zu Beginn des Ermitt­lungs­ver­fah­rens im Jahr 2014 erging ein Arrest­be­schluss über einen mitt­le­ren sechs­stel­li­gen Betrag, der das gesam­te Ver­fah­ren hin­durch auf­recht­erhal­ten wurde. Das gesam­te Ver­mö­gen des Schuld­ners wurde gepfän­det. Ankla­ge wurde erst 2017 erho­ben, der Schuld­ner wurde 2019 von der Straf­kam­mer ver­ur­teilt und die Ein­zie­hung eines sie­ben­stel­li­gen Betra­ges ange­ord­net. Die Revi­si­on hat Erfolg, der BGH hebt die Ver­ur­tei­lung auf und ver­weist die Sache an eine ande­re Kam­mer. Dort ver­han­deln die Betei­lig­ten dann über eine Ein­stel­lung gegen Zah­lung von Auf­la­gen nach § 153a StPO.

2021 einigt man sich, dass der Schuld­ner als Auf­la­ge einen fünf­stel­li­gen Betrag an den Fis­kus und an zwei nam­haf­te gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­tio­nen zah­len soll. Dabei wird allen Betei­lig­ten offen kom­mu­ni­ziert, dass die Mit­tel für die Auf­la­ge von jeman­dem zur Ver­fü­gung gestellt wird, der zugleich der größ­te Gläu­bi­ger ist. Der Schuld­ner ver­fügt nicht über liqui­de Mit­tel, nach­dem seit sie­ben Jah­ren alle Regis­ter der Arrest­voll­stre­ckung gezo­gen wur­den. Der Gläu­bi­ger zahlt den Betrag an den Schuld­ner, die­ser zahlt die Auf­la­gen wie ver­ein­bart und das Ver­fah­ren wird 2021 end­gül­tig ein­ge­stellt.

Zwei Mona­te spä­ter stellt der Schuld­ner Insol­venz­an­trag und das Ver­fah­ren wird eröff­net. Der Insol­venz­ver­wal­ter stellt die magi­sche Frage nach der Anfecht­bar­keit der Auf­la­gen­zah­lung.

Die bis­he­ri­ge Rechts­la­ge:

In der Recht­spre­chung des BGH ist aner­kannt, dass die Ein­stel­lung gegen Auf­la­ge nach § 153a StPO eine sog. unvoll­kom­me­ne Ver­bind­lich­keit begrün­det, so dass dem Staat kein Anspruch auf Zah­lung des im Wege der Auf­la­ge zu zah­len­den Betra­ges zusteht (IX ZR 17/07). Der Staat wird daher nicht zum Insol­venz­gläu­bi­ger i.S.d. §§ 130 f. InsO. Fest­steht, dass die Zah­lung der Auf­la­ge der Vor­satz­an­fech­tung nach § 133 InsO unter­liegt. Hier muss der Insol­venz­ver­wal­ter jedoch nach­wei­sen, dass der Schuld­ner die Absicht hatte, seine Gläu­bi­ger durch die Leis­tung zu benach­tei­li­gen, und dass der Anfech­tungs­geg­ner von die­ser Absicht posi­ti­ve Kennt­nis hatte. Die Vor­aus­set­zun­gen sind sehr hoch und las­sen in der Pra­xis nur schwer nach­wei­sen.

Da die Zah­lung im kri­ti­schen Zeit­punkt vor dem Insol­venz­an­trag erfolg­te, stellt sich die Frage nach der Anwend­bar­keit des § 131 InsO. In des­sen Anwen­dungs­be­reich genügt die objek­ti­ve Fest­stel­lung, dass zum frag­li­chen Zeit­punkt fäl­li­ge Ver­bind­lich­kei­ten bestan­den, die bis zur Ver­fah­rens­er­öff­nung nicht mehr begli­chen wor­den sind. Das lässt sich durch die Fest­stel­lung die­ser For­de­run­gen zur Insol­venz­ta­bel­le leicht nach­wei­sen. Für zivil­recht­lich begrün­de­te unvoll­kom­me­ne Ver­bind­lich­kei­ten, wie etwa die Ver­bind­lich­kei­ten aus Spiel und Wette, die nicht klag­bar sind und daher eben­falls keine Insol­venz­for­de­run­gen dar­stel­len, ent­spricht die ana­lo­ge Anwen­dung des § 131 InsO der ein­hel­li­gen Ansicht in der Lite­ra­tur. Recht­spre­chung hier­zu gibt es bis­her keine.

Der bis­he­ri­ge Pro­zess­ver­lauf:

Wir erhe­ben Klage und ver­tre­ten den Stand­punkt, dass die Vor­schrift des § 131 InsO auf Auf­la­gen­zah­lun­gen nach § 153a StPO ana­lo­ge Anwen­dung fin­den muss. Mehr noch: Es ent­spricht der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH, dass die Rück­ge­währ­pflicht aus der Insol­venz­an­fech­tung den­je­ni­gen trifft, der einen Drit­ten als “Emp­fangs­be­auf­trag­ten” ein­ge­schal­tet hat (IX ZR 53/08). Wir ver­lan­gen daher vom beklag­ten Land nicht nur die an den Fis­kus, son­dern die auch die an die NPO’s geleis­te­ten Zah­lun­gen zurück.

Das Land­ge­richt weist die Klage lapi­dar ab, wir legen Beru­fung ein. In der Beru­fungs­ver­hand­lung vom 30.10.2024 lässt das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt durch­bli­cken, dass es der von uns ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung sowohl hin­sicht­lich der ana­lo­gen Anwen­dung von § 131 InsO als auch hin­sicht­lich der Anwen­dung der Anwei­sungs­recht­spre­chung fol­gen werde.

Wenn sich diese Rechts­auf­fas­sung durch­setzt, hätte das gra­vie­ren­de Fol­gen für die gesam­te Straf­rechts­pfle­ge.

Die Impli­ka­tio­nen die­ser Ankün­di­gung:

Die Ein­stel­lung von Straf­ver­fah­ren gegen die Zah­lung einer Auf­la­ge an gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­tio­nen gehö­ren zum All­tag in der Straf­rechts­pra­xis. Wenn der Fis­kus künf­tig fürch­ten muss, Gel­der, die er gar nicht erhal­ten hat, aus der Staats­kas­se erstat­ten zu müs­sen, ist schwer­lich vor­stell­bar, dass diese Pra­xis in Zukunft fort­ge­setzt wird. Diese Zah­lun­gen bil­den für viele gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­tio­nen einen wich­ti­gen Bau­stein ihres Fun­dings.

Zu beach­ten ist außer­dem die wirt­schaft­li­che Kom­po­nen­te für den Beschul­dig­ten als (zukünf­ti­gen) Insol­venz­schuld­ner. In unse­rem Fall wurde das Dar­le­hen für die Auf­la­ge von dem wesent­li­chen Gläu­bi­ger gewährt. Nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens und erfolg­rei­cher Anfech­tung fließt die Auf­la­ge in die Masse und damit jeden­falls teil­wei­se über die Insol­venz­quo­te an eben die­sen Gläu­bi­ger zurück. Fin­di­ge Straf­ver­tei­di­ger wer­den in gro­ßen Wirt­schafts­straf­ver­fah­ren künf­tig genau kal­ku­lie­ren, inwie­fern durch einen recht­zei­ti­gen Insol­venz­an­trag und die anschlie­ßen­de Anfech­tung der Auf­la­gen­zah­lung wesent­li­che Teile der Auf­la­ge wie­der an die Geld­ge­ber zurück­flie­ßen kön­nen. Staats­an­wäl­te und Straf­ge­rich­te auf der ande­ren Seite wer­den sich künf­tig genau über­le­gen, ob sie das Anfech­tungs­ri­si­ko über­schau­en kön­nen und ein­ge­hen wol­len oder ob sie die Ein­stel­lung gegen Zah­lung einer Geld­auf­la­ge grund­sätz­lich ableh­nen.

Wegen die­ser grund­sätz­li­chen Fra­gen und der erheb­li­chen Rele­vanz für die all­täg­li­che straf­recht­li­che Pra­xis hat das beklag­te Land eine ver­gleichs­wei­se Bei­le­gung abge­lehnt. Das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt hat ange­kün­digt, die Revi­si­on zum Bun­des­ge­richts­hof zuzu­las­sen. Ver­kün­dungs­ter­min ist auf Mitte Janu­ar 2025 bestimmt. Sobald das Urteil vor­liegt, wer­den wir ein Update ver­öf­fent­li­chen.

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