Das OLG Schleswig hatte in seinem Urteil vom 27.11.2024 — 9 U 22/24 über einen von einem Insolvenzverwalter gegen einen externen CRO (Chief Revenue Officer) erhobenen Haftungsanspruch zu entscheiden.
Sachverhalt
Die Schuldnerin (GmbH) schloss mit dem Beklagten einen Beratervertrag, nach welchem dieser als CRO der Schuldnerin ohne Entscheidungsberechtigung tätig werden sollte. Als externer CRO sollte der Beklagte im Rahmen der betriebliche Optimierung und Restrukturierung diverse, im Vertrag aufgeführte, sogenannte Kernaufgaben bearbeiten. Der Beratervertrag regelte darüber hinaus, dass der Beklagte während seiner Zeit bei der GmbH auch für andere Auftraggeber tätig sein dürfe. Ferner enthielt der Beratervertrag die Klausel, dass von der Möglichkeit eines Anstellungsvertrages bewusst kein Gebrauch gemacht werde und dass eine über den Umfang der Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit nicht begründet würden. Tatsächlich nahm der Beklagte neben seiner Tätigkeit bei der Schuldnerin verschiedene Geschäftsführungs‑, Vorstands- und Aufsichtsratspositionen wahr. Zudem war er Gesellschafter und Geschäftsführer einer Unternehmensberatung. Zum Geschäftsführer der Schuldnerin wurde der Beklagte nicht bestellt.
In der Folge wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten den Ersatz von Zahlungen, die während der Dauer des Beratungsvertrags erfolgt seien und für die der Beklagte als faktischer Geschäftsführer die Verantwortung trage.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidung des OLG Schleswig: Keine Haftung des Beraters
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Ein Anspruch nach § 64 GmbHG a.F. bestehe nicht.
Die Haftung des Beklagten scheitere zunächst daran, dass er kein formell bestellter Geschäftsführer gewesen sei. Daher käme eine Haftung nur nach den Grundsätzen der faktischen Geschäftsführung in Betracht. Für die Prüfung dieser Umstände zog das OLG Schleswig insbesondere den Beratervertrag und die tatsächlichen Handlungen des Beklagten heran.
Maßgeblich dafür, ob jemand als faktisches Organmitglied handelt, sei das Gesamterscheinungsbild und das Auftreten. Nicht erforderlich sei dabei auf der einen Seite das völlige Verdrängen der Geschäftsleitung. Auf der anderen Seite sei es aber auch nicht ausreichend, wenn eine Person auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer intern einwirke. Es müsse vielmehr auch ein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln vorliegen. Ein solches Handeln konnte auch das OLG nicht erkennen. Der Beklagte sei mit seiner Expertise als Sanierungsberater tätig gewesen und habe intern maßgeblich auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer der Schuldnerin eingewirkt. Entscheidungen anstelle der Geschäftsführer habe er jedoch nicht getroffen.
Die Position eines CRO mit bestimmten Kernaufgaben indiziere an sich nicht bereits die Rolle eines faktischen Geschäftsführers. Werde ein Unternehmensberater in seiner beruflichen Eigenschaft CRO eines Unternehmens, so spreche dies zunächst lediglich für die Rolle eines externen Beraters. Es fehle die für Geschäftsführer bestehendes Wettbewerbsverbot. Dieses sei mit dem Beratervertrag für den Beklagte ausdrücklich ausgeschlossen worden. Er habe vielmehr auch während seiner Beratung weitere Aufträge annehmen können. Eine persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit sei ebenfalls nicht begründet worden.
Soweit der Beklagte niederschwellige Zahlungen durch die Schuldnerin hätte veranlassen können, so sei dies alleine kein ausreichendes Kennzeichen für eine Geschäftsführung. Auch kaufmännische Angestellte könnten Rechnungen in moderatem Rahmen ausstellen und Zahlungen veranlassen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Schleswig beschäftigt sich tiefgehend mit der Frage, wann eine faktische Geschäftsführung auch bei einem Berater angenommen werden kann. Richtigerweise geht das OLG zunächst auf die im Beratervertrag festgelegten Umstände ein. Wichtig ist aber, dass die Vereinbarung auch gelebt wird. Dieses Urteil kann somit der Orientierung für Berater dienen.