Krise, Sanierung und InsolvenzKrise, Sanierung und InsolvenzSteuern und AbgabenSteuern und Abgaben

Berechtigung zur Vollstreckung aus einem Duldungsbescheid des Finanzamtes

Der BFH hatte in sei­nem Beschluss vom 24.7.2019 ( VII B 65/19) zu ent­schei­den, ob und inwie­weit die Rech­te aus einem durch das Finanz­amt (FA) bewirk­ten Dul­dungs­be­scheid im Fall der Insolvenz auf den Insol­venz­ver­wal­ter über­ge­hen.

Sach­ver­halt

Der Antrags­geg­ner (FA) hatte gegen die Ehe­frau des spä­te­ren Insol­venz­schuld­ners einen Dul­dungs­be­scheid nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 1, 2, 3 Abs. 2, 4 und 11 AnfG erlas­sen und mit dem Dul­dungs­be­scheid die Dul­dung der Voll­stre­ckung in einem ursprüng­lich dem Schuld­ner zuste­hen­den Anteil an einer Part­ner­schafts­ge­sell­schaft begrenzt. Die Ehe­frau des Schuld­ners hatte die Beschei­de ange­grif­fen. Das FG hat mit Urteil vom 22.3.2017 die Klage abge­wie­sen. Im Novem­ber 2017 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen des Schuld­ners eröff­net und der Antrag­stel­ler zum Insol­venz­ver­wal­ter bestellt. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der Ehe­frau zum BFH wurde mit Beschluss vom 4.5.2018 als unzu­läs­sig ver­wor­fen.

Der Antrag­stel­ler bean­trag­te mit Schrei­ben vom 24.7.2018 die Ertei­lung einer voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung des Urteils vom 22.3.2017 mit dem Inhalt: „Die Klä­ge­rin (…) ist dazu ver­ur­teilt, an Herrn (…) als Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen des Herrn (…) abzu­tre­ten: ihren (…) Anteil an der Part­ner­schaft (…) ein­schließ­lich ihres (…) etwa­igen Anspruchs auf Zah­lung einer Abfin­dung bei Aus­schei­den aus der vor­ge­nann­ten Part­ner­schaft“. Der Antrag­stel­ler berief sich dabei dar­auf, dass aus­schließ­lich er nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG als Insol­venz­ver­wal­ter berech­tigt sei, die von den Insol­venz­gläu­bi­gern erho­be­nen materiell-rechtlichen Anfech­tungs­an­sprü­che zu ver­fol­gen. Der Antrag­stel­ler ist der Ansicht, er könne den vor­ma­li­gen Kla­ge­an­trag auf­neh­men und nach Maß­ga­be der §§ 143, 144 und 146 InsO erwei­tern. Eine Anfech­tungs­kla­ge werde zur Leis­tungs­kla­ge des Insol­venz­ver­wal­ters.

Das FG lehn­te den Antrag mit Beschluss vom 7.5.2019 ab, da das FA aus einem Ver­wal­tungs­akt nicht aus dem kla­ge­ab­wei­sen­den Urteil voll­stre­cke. Ver­wal­tungs­ak­te könn­ten jedoch nur von Hoheits­trä­gern voll­streckt wer­den und nicht durch den Insol­venz­ver­wal­ter. Zudem sei das gericht­li­che Ver­fah­ren durch den Beschluss des BFH vom 4.5.2018 rechts­kräf­tig been­det. Der Insol­venz­ver­wal­ter könne daher nicht mehr in das Ver­fah­ren ein­tre­ten. Es bestün­de aber für den Antrag­stel­ler die Mög­lich­keit, die Voll­stre­ckung aus dem Dul­dungs­be­scheid gegen­über dem FA frei­zu­ge­ben und die Aus­zah­lung des Erlang­ten anzu­ord­nen (§ 16 Abs. 2 AnfG).

Mit der Beschwer­de ver­folgt der Antrag­stel­ler sei­nen Antrag wei­ter.

Ent­schei­dung des BFH: Keine Voll­stre­ckung aus Dul­dungs­be­scheid

Der BFH folgt dem FG inso­weit, als dass die Durch­set­zung eines Anfech­tungs­an­spruchs durch Dul­dungs­be­scheid nach § 191 AO aus­schließ­lich den Finanz­be­hör­den zuste­he, da es sich um eine hoheit­li­che Maß­nah­me han­de­le. Infol­ge des­sen müsse der Antrag­stel­ler einen Voll­stre­ckungs­ti­tel selbst gericht­lich bewir­ken.

Der Insol­venz­ver­wal­ter sei grund­sätz­lich berech­tigt, erho­be­ne Anfech­tungs­an­sprü­che selbst zu ver­fol­gen, da Anfech­tungs­an­sprü­che zur Insol­venz­mas­se gehö­ren wür­den. Nach § 11 AnfG seien die Ein­zel­gläu­bi­ger­an­fech­tungs­an­sprü­che erlo­schen. Das gericht­li­che Ver­fah­ren werde durch die Insol­venz­er­öff­nung unter­bro­chen, der Insol­venz­ver­wal­ter nach § 17 Abs. 1 S. 2 AnfG sei aber zur Auf­nah­me des Ver­fah­rens berech­tigt. In finanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren wür­den so die Betei­lig­ten aus­ge­wech­selt. Der Insol­venz­ver­wal­ter könne näm­lich nicht die Betei­lig­ten­stel­lung des FA erlan­gen. Viel­mehr müsse er den Kla­ge­an­trag umstel­len.

Die auf­ge­zeig­ten Grund­sät­ze wür­den im vor­lie­gen­den Fall jedoch nicht zu dem von dem Antrag­stel­ler gewünsch­ten Ergeb­nis füh­ren, da das Ver­fah­ren vor dem FG bei Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens nicht mehr anhän­gig gewe­sen sei. Es sei damit dem Antrag­stel­ler nicht mehr mög­lich gewe­sen, das Ver­fah­ren auf­zu­neh­men und den Kla­ge­an­trag umzu­stel­len. Der Antrag des Antrag­stel­lers sei dabei auch inso­weit aus­zu­le­gen, dass er die Umschrei­bung des Tenors ver­lan­ge. Eine nach­träg­li­che Umschrei­bung des rechts­kräf­ti­gen Urteils kenne aber die FGO nicht.

Der von dem FG auf­ge­zeig­te Weg, dem FA die Voll­stre­ckung aus dem Dul­dungs­be­scheid zu gestat­ten und in der Folge die Mög­lich­keit der Anord­nung der Aus­zah­lung des Erlang­ten an die Insol­venz­mas­se, sei keine Opti­on. Das AnfG lasse nicht zu, dass der Insol­venz­ver­wal­ter den Rück­ge­währ­an­spruch mit der Folge „frei­ge­be“, dass der Anspruch vor Been­di­gung des Insol­venz­ver­fah­rens wei­ter­ver­folgt wer­den könne. Im Ergeb­nis müsse der Insol­venz­ver­wal­ter sich daher selbst einen Titel ver­schaf­fen.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Über­nah­me des gericht­li­chen Ver­fah­rens durch den Insol­venz­ver­wal­ter auf­grund Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ist nach Rechts­kraft des finanz­ge­richt­li­chen Urteils nicht mehr mög­lich. In die­sen Fäl­len muss der Insol­venz­ver­wal­ter, will er sich einen Titel ver­schaf­fen, ein neu­er­li­ches gericht­li­ches Ver­fah­ren durch­füh­ren. Eine Über­nah­me der Hoheits­ak­te des FA ist rich­ti­ger­wei­se nicht mög­lich.

Vorheriger Beitrag
Faktische Geschäftsführung
Nächster Beitrag
Verfolgung von Ansprüchen gegen Kommanditisten

Auch interessant