Der BGH hat in seinem Urteil vom 13.1.2022 — III ZR 2010/20 die Frage entschieden, ob das im Rechtsverkehr auftretende Gesellschaftsorgan haftet, wenn es die Rechtsform einer UG im Rechtsverkehr nicht ausreichend kenntlich macht.
Sachverhalt
Der Beklagte war zunächst Prokurist und später alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der V. UG. Der Kläger war Kapitalanleger und nahm mit dem Beklagten Kontakt auf, der als Finanzvermittler und Inhaber der V. UG gegenüber dem Kläger auftrat. In der Folge mehrerer Beratungsgespräche zeichnete der Kläger auf Empfehlung des Beklagten eine Fondsbeteiligung als Kapitalanlage. Der Kläger verlangte Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung von dem Beklagten. Weiter begehrte der Kläger von dem Beklagten die Feststellung der Pflicht zum Ersatz zukünftigen Schadens. Begründet wurde die Klage des Klägers damit, dass der Beklagte ihn als selbständigen Anlageberater nicht über das Totalverlustrisiko aufgeklärt habe. Das LG und das OLG wiesen die Klage ab. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Ziel weiter.
Entscheidung des BGH: Anspruch nicht ausgeschlossen
Der BGH hält Ansprüche des Beklagten gegen den Kläger nach Rechtsscheingrundsätzen gem. §§ 311 Abs. 2 und 3, 179 (analog) BGB zumindest für nicht ausgeschlossen. Das OLG habe zwar zutreffend festgestellt, dass der Beratungsvertrag zwischen dem Kläger und der V. UG abgeschlossen worden sei, da bei unternehmensbezogenen Geschäften im Zweifel der Vertragsabschluss mit dem Betriebsinhaber, vertr. d. d. Handelnden, erfolgen solle. Der Beklagte habe sich als Vertreter der V. UG vorgestellt und nicht für sich selbst gehandelt. Auch aus den schriftlichen Unterlagen, wie z. B. die Beitrittserklärung, die der Kläger unstreitig unterschrieben habe, ergebe sich nicht zwingend anderes.
Der BGH geht vorliegend jedoch davon aus, dass neben der Haftung der V. UG auch eine Haftung des Beklagten analog § 179 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2, 3 BGB in Betracht komme und der Beklagte daher passivlegitimiert sei. Dabei stellt der BGH in seiner Begründung aber nicht darauf ab, dass der Beklagte im vorliegenden Fall besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe, denn entsprechende Anhaltspunkte seien vorliegend nicht ersichtlich. Ein Provisionsinteresse alleine sei nicht dafür ausreichend, um ein persönliches Vertrauensverhältnis und eine persönliche Haftung zu begründen.
Der BGH hält jedoch eine persönliche Haftung deswegen für möglich, weil der Beklagte gegenüber dem Kläger die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft nicht eindeutig zum Ausdruck brachte. Vielmehr habe der Beklagte weitgehend auf den Rechtsformzusatz „UG“ im Geschäftsverkehr verzichtet. Bei einem Verstoß gegen § 4 GmbHG komme eine Haftung unter Rechtsscheingesichtspunkten analog § 179 BGB in Betracht, wenn der Verzicht auf den Formzusatz beim Vertragspartner das Vertrauen hervorrufe, es hafte mindestens eine natürliche Person persönlich. § 179 BGB begründe insoweit eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die sich alleine daraus ergebe, dass die auftretende Person durch ein sachlich unzutreffendes Erscheinungsbild Vertrauen schaffe. Eine UG müsse nach § 5a Abs. 1 GmbHG in ihrer Firmierung den Zusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Der Rechtsverkehr müsse aufgrund des geringeren Stammkapitals im Verhältnis zu einer GmbH durch einen deutlichen Hinweis auf die bestehenden Umstände hingewiesen werden. Nur so könnten Vertragspartner vor Dispositionen geschützt werden, die sie bei tatsächlicher Kenntnis der Umstände unterlassen hätten. Die dem OLG vorgelegten Urkunden hätten keinerlei Hinweise auf die Haftungsbeschränkung einer UG enthalten, mit Ausnahme eines einzigen Formulars. Damit komme eine Haftung in Betracht.
Das OLG sei aber nicht der Frage nachgegangen, ob der Kläger trotz des Auftretens des Beklagten über die tatsächlichen Haftungsverhältnisse Kenntnis hatte, diese kennen musste oder für ihn überhaupt eine Rolle spielten. Entsprechende Feststellungen seien nunmehr nachzuholen. Die Darlegungs- und Beweislast für für ihn günstige Umstände trage aber der Beklagte.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des BGH zeigt erneut, dass die korrekte Firmierung und damit auch die Verwendung des Rechtsformzusatzes von erheblicher Bedeutung ist und eine Haftung der handelnden Personen auch dann in Betracht kommen kann, wenn zwar das Vertragsverhältnis mit der haftungsbeschränkenden Gesellschaft begründet wird, aber die Haftungsbegrenzung nicht ausreichend kenntlich gemacht wird.