Krise, Sanierung und InsolvenzSteuern und Abgaben

Sekundäre Darlegungs- und Beweislast bei Zahlungsflüssen

Das OLG Olden­burg hatte in sei­nem Beschluss vom 29.6.2022 — 1 U 233/21 zu ent­schie­den, im wel­chem Umfang das Finanz­amt dem Insol­venz­ver­wal­ter gegen­über zu Anga­ben über die Per­son eines, die Schuld des Steu­er­schuld­ners til­gen­den Drit­ten, ver­pflich­tet ist und wel­che Fol­gen feh­len­de Anga­ben hier­zu im Pro­zess haben.

Sach­ver­halt

Mit­tels einer ELSTER-Abfrage konn­te der kla­gen­de Insol­venz­ver­wal­ter fest­stel­len, dass im Drei­mo­nats­zeit­raum vor dem Insol­venz­an­trag zuguns­ten des Insol­venz­schuld­ners eine Zah­lung an das Finanz­amt (fort­an FA) getä­tigt wurde. Er erklär­te die Anfech­tung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO und for­der­te vom FA Rück­erstat­tung des ver­ein­nahm­ten Betra­ges. Dar­auf­hin teil­te die­ses mit, die Zah­lung stam­me von einem Drit­ten und die Über­wei­sung trage den Ver­wen­dungs­zweck „Aus­la­ge“, ver­wei­ger­te jedoch wei­te­re Aus­künf­te mit dem Ver­weis auf das Steu­er­ge­heim­nis. Eben­so wies es den Anfech­tungs­an­spruch mit der Begrün­dung zurück, der Insol­venz­ver­wal­ter könne man­gels Kennt­nis vom zah­len­den Drit­ten nicht sub­stan­ti­iert vor­tra­gen, dass die Zah­lung auf eine Schuld erfolgt sei. Es liege des­halb keine Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung vor. Dem Insol­venz­ver­wal­ter gelang es auch nach Rück­spra­che mit dem Insol­venz­schuld­ner nicht, auf­zu­klä­ren, ob die Zah­lung tat­säch­lich von einem Drit­ten stammt. Er erhob sodann Zah­lungs­kla­ge gegen das Finanz­amt. Das Land­ge­richt hat der Klage statt­ge­ge­ben, hier­ge­gen rich­tet sich die Beru­fung des FA.

Ent­schei­dung des OLG: Finanz­amt trifft sekun­dä­re Darlegungs- und Beweis­last

Das OLG wies die Beru­fung durch Beschluss zurück. Das FA träfe eine sekun­dä­re Darlegungs- und Beweis­last. Komme es die­ser nicht nach, so gelte die Ver­mu­tung, dass die Zah­lung die Gläu­bi­ger­ge­mein­schaft benach­tei­li­ge.
Für die von dem Drit­ten geleis­te­te Zah­lung an das beklag­te Finanz­amt gäbe es nur drei Mög­lich­kei­ten, näm­lich ent­we­der eine Anwei­sung auf Schuld, bei wel­cher der Drit­te durch die Zah­lung eine gegen­über dem Schuld­ner bestehen­de Ver­bind­lich­keit mit der Folge einer in dem For­de­rungs­ver­lust lie­gen­den Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung tilge, oder eine Anwei­sung auf Kre­dit, bei wel­cher der zah­len­de Drit­te gegen den Schuld­ner künf­tig Rück­griff neh­men will und wegen des damit ver­bun­de­nen blo­ßen Gläu­bi­ger­aus­tauschs eine Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung aus­schei­de oder aber eine Zah­lung des Drit­ten ohne Ver­an­las­sung und nähe­re Kennt­nis des Schuld­ners im aus­schließ­li­chen Inter­es­se der Befrie­di­gung des beklag­ten Finanz­amts aus eige­nem Ver­mö­gen.
Nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung sei grund­sätz­lich anzu­neh­men, dass ein Emp­fän­ger von Zah­lun­gen diese sei­nem Schuld­ner und nicht einem unei­gen­nüt­zi­gen Drit­ten ver­dan­ke.
Sofern der Gläu­bi­ger nicht davon aus­ge­hen dürfe, dass der Zah­lung im Deckungs­ver­hält­nis eine Schen­kung bzw. kein Rechts­grund zugrun­de liegt, müsse er damit rech­nen, mit­tels einer Rechts­hand­lung befrie­digt wor­den zu sein, die die Gläu­bi­ger­ge­mein­schaft benach­tei­ligt. Denn diese bei­den vor­ge­nann­ten Vari­an­ten wür­den die ein­zig rele­van­ten Fall­grup­pen einer Anwei­sung auf Kre­dit dar­stel­len, eine sol­che Gestal­tung sei jedoch im Innen­ver­hält­nis unty­pisch und dürfe des­halb nur ange­nom­men wer­den, wenn hier­für trag­fä­hi­ge und belast­ba­re Anhalts­punk­te bestün­den. Regel­mä­ßig zahle der ange­wie­se­ne Drit­te gera­de nicht, um dem Schuld­ner etwas zu schen­ken, son­dern auf­grund eines zuvor gege­be­nen Dar­le­hens­ver­spre­chens.
Hier­aus folge die Ver­pflich­tung des Anfech­tungs­geg­ners, im Pro­zess Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen und zu bewei­sen, auf­grund derer am Vor­lie­gen einer gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gen­den Anwei­sung auf Schuld Zwei­fel ent­ste­hen. Es bestün­de nach der Recht­spre­chung des BGH die Pflicht des Anfech­tungs­geg­ners, dar­zu­le­gen und ggf. zu bewei­sen, wes­halb im kon­kre­ten Fall aus­nahms­wei­se nicht von einer gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gen­den Rechts­hand­lung aus­zu­ge­hen sei. Den Anfech­tungs­geg­ner träfe eine Erklä­rungs­pflicht im Wege der sekun­dä­ren Darlegungs- und Beweis­last dahin­ge­hend, dass keine Anwei­sung auf Schuld vor­ge­le­gen habe.
Dies habe das beklag­te FA aber nicht kon­kret dar­ge­legt und ins­be­son­de­re nicht den zah­len­den Drit­ten benannt. Ent­spre­chend könne der Klä­ger das beklag­te FA auch unmit­tel­bar auf Rück­zah­lung des in Anspruch neh­men.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Ent­schei­dung des OLG über­zeugt. Die Auf­er­le­gung einer sekun­dä­ren Dar­le­gungs­last ist jeden­falls dann sach­ge­recht, wenn wie vor­lie­gend der Insol­venz­ver­wal­ter selbst keine wei­te­ren Infor­ma­tio­nen ins­be­son­de­re vom Insol­venz­schuld­ner erhal­ten konn­te. Dem FA war es dem­ge­gen­über unschwer mög­lich, den Drit­ten jeden­falls zu benen­nen.

Vorheriger Beitrag
Anfechtung von Dividendenzahlungen
Nächster Beitrag
Nachweis der Insolvenzsituation

Auch interessant