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Schadenersatzansprüche bei treuhänderisch gegründeter GmbH

Die Grün­dung einer GmbH, bei wel­cher Geschäfts­an­tei­le treu­hän­de­risch für nicht genann­te Drit­ten gehal­ten wer­den, ist in der Pra­xis ein nicht sel­ten genutz­tes Gestal­tungs­mit­tel, auch damit die hin­ter der Gesell­schaft ste­hen­den Per­so­nen nicht nach Außen in Erschei­nung tre­ten. Ob sich schon hier­aus im Fall der Insolvenz Ansprü­che erge­ben kön­nen, war eine Frage, mit der sich das OLG Düs­sel­dorf in sei­ner Ent­schei­dung vom 14.11.2022 — 12 W 17/22 zu befas­sen hatte.

Sach­ver­halt

Der Antrag­stel­ler (Ast.) bean­trag­te als Insol­venz­ver­wal­ter der R‑GmbH (fort­an Schuld­ne­rin) Pro­zess­kos­ten­hil­fe für die Gel­tend­ma­chung eines Anspruchs i.H.v. 58.300 € auf­grund vor­sätz­li­cher sit­ten­wid­ri­ger Schä­di­gung. Im Jahr 2018 wurde die Schuld­ne­rin, zunächst als UG mit einem Stamm­ka­pi­tal von 3.000 € gegrün­det. Am 5.11.2020 wurde über das Ver­mö­gen der Schuld­ne­rin das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Allei­ni­ge Gesell­schaf­te­rin der Schuld­ne­rin ist die Antrags­geg­ne­rin Ziff. 1 (Agin. Ziff. 1). Über die Ag. Ziff. 1, deren Geschäfts­füh­re­rin die Antrags­geg­ne­rin zu 2 ist, wer­den Dienst­leis­tun­gen im Zusam­men­hang mit der Grün­dung von Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten der­art ange­bo­ten, dass auf­grund eines Treu­hand­ver­trags eine Kapi­tal­ge­sell­schaft gegrün­det und die Geschäfts­an­tei­le treu­hän­de­risch für den Treu­ge­ber gehal­ten wer­den, wofür die Agin. Ziff. 1 eine Ver­gü­tung erhält. Eine Prü­fung der Gesell­schaft und der ein­ge­tra­ge­nen Geschäfts­füh­rer wird nicht vor­ge­nom­men. Die Agin. Ziff. 1 hielt auch die Geschäfts­an­tei­le der Schuld­ne­rin treu­hän­de­risch für einen nicht genann­ten Treu­ge­ber. Zum Geschäfts­füh­rer der Schuld­ne­rin wurde A bestellt. Der Ast. ver­trat die Auf­fas­sung, das Han­deln der Agin Ziff. 1 habe aus­schließ­lich dazu gedient, die Iden­ti­tät der eigent­lich han­deln­den Per­son zu ver­schlei­ern und deren per­sön­li­che Haf­tung zu ver­hin­dern und sei des­halb sit­ten­wid­rig. Zudem sei der ein­ge­setz­te Geschäfts­füh­rer untaug­lich gewe­sen. Das Land­ge­richt wies den PKH-Antrag zurück. Hier­ge­gen rich­tet sich die sofor­ti­ge Beschwer­de des Ast.

Ent­schei­dung des OLG: Keine Ansprü­che des Insol­venz­ver­wal­ters

Das OLG weist die Beschwer­de zurück, da die beab­sich­tig­te Rechts­ver­fol­gung keine hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Erfolg habe. Es sei schon kein Gesamt­scha­den i.S.d. § 92 InsO ersicht­lich. Diese Vor­schrift diene dazu, eine gleich­mä­ßi­ge Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger aus dem Ver­mö­gen des wegen Mas­se­ver­kür­zung haf­ten­den Schä­di­gers zu sichern und erfas­se ledig­lich sol­che Ansprü­che, die auf der Ver­kür­zung der Insol­venz­mas­se beru­hen. Gesamt­scha­den sei folg­lich der Scha­den, den ein Gläu­bi­ger aus­schließ­lich auf­grund sei­ner Gläu­bi­ger­stel­lung und damit als Teil der Gesamt­heit der Gläu­bi­ger erlit­ten habe. Ein sol­cher Gesamt­scha­den sei aller­dings schon nicht hin­rei­chend dar­ge­legt. Soweit die Schä­di­gung der Gläu­bi­ger darin gese­hen werde, dass keine For­de­run­gen bestün­den, wenn die Errich­tung der Schuld­ne­rin unter­blie­ben wäre, han­de­le es sich um einen Ein­zel­scha­den, da es dann nicht darum ginge, dass sich die Insol­venz­quo­te für alle Gläu­bi­ger ver­rin­gert hätte. Soweit der Antrag­stel­ler einen Gesamt­scha­den gel­tend machen wolle, habe er schon nicht schlüs­sig dar­ge­legt, dass inso­weit durch ein delikt­i­sches Ver­hal­ten die Insol­venz­mas­se ver­kürzt wurde. Viel­mehr sei es im Geschäfts­ver­kehr nicht unüb­lich und als sol­ches recht­lich nicht bedenk­lich, dass Gesell­schaf­ten mit beschränk­ter Haf­tung gegrün­det und dabei die Geschäfts­an­tei­le für ande­re, nicht genann­te Per­so­nen treu­hän­de­risch gehal­ten wür­den.
Hin­sicht­lich der Ein­set­zung eines „untaug­li­chen“ Geschäfts­füh­rers ent­hal­te § 6 V GmbHG einen eige­nen Haf­tungs­tat­be­stand für Aus­wahl­ver­schul­den der Gesell­schaf­ter. Dass die ent­spre­chen­den Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen sei nicht ersicht­lich oder dar­ge­legt. Die Bestel­lung eines fach­lich nicht geeig­ne­ten oder unzu­ver­läs­si­gen Geschäfts­füh­rers, wel­cher seine Lei­tungs­pflich­ten ver­letzt und der Gesell­schaft hier­durch einen Scha­den ver­ur­sacht, führe – bis zur Gren­ze des § 826 BGB – auch nicht zu einer Haf­tung der Gesell­schaf­ter. Sit­ten­wid­rig­keit liege auch nicht des­halb vor, weil die Antrags­geg­ne­rin Ziff. 1 die Aus­wahl des Geschäfts­füh­rers dem wirt­schaft­li­chen Inha­ber der Gesell­schafts­an­tei­le über­las­sen hat. Dies ent­spre­che viel­mehr der übli­chen Gestal­tung von Treu­hand­ver­hält­nis­sen.
Es fehle dar­über hin­aus an einer Ver­kür­zung der Insol­venz­mas­se durch das ver­meint­lich sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten. Weder die Grün­dung der Schuld­ne­rin noch die Bestel­lung des A zum Geschäfts­füh­rer habe zu einer Ver­kür­zung der Aktiv­mas­se geführt oder Ver­bind­lich­kei­ten der Schuld­ne­rin erhöht. Ins­be­son­de­re könne eine „Ver­hin­de­rung des Ent­ste­hens von Haf­tungs­mas­se“ bei Grün­dung einer Gesell­schaft nicht mit einer Ver­kür­zung der Aktiv­mas­se gleich­ge­setzt wer­den. Es bestün­de grund­sätz­lich kein Anspruch der Gläu­bi­ger auf Bestel­lung eines sol­ven­ten Geschäfts­füh­rers, wel­cher im Falle einer schuld­haf­ten Pflicht­ver­let­zung oder einer etwa­igen Insol­venz­ver­schlep­pung die dadurch ein­tre­ten­de Mas­se­ver­kür­zung finan­zi­ell aus­glei­chen könne.
Ein Anspruch unter dem Gesichts­punkt des exis­tenz­ver­nich­ten­den Ein­griffs schei­de eben­falls aus. Tat­be­stand­li­che Vor­aus­set­zung sei u.a. ein Ver­mö­gen­s­trans­fer weg von der Gesell­schaft zum eige­nen Vor­teil des Gesell­schaf­ters oder unmit­tel­bar oder mit­tel­bar zum Vor­teil eines Drit­ten. Hier­an fehle es, durch die gel­tend gemach­te „Ver­hin­de­rung der Haf­tung der wah­ren Akteu­re“ sei schon kein Ver­mö­gen über­tra­gen wor­den.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die aus­führ­lich begrün­de­te Ent­schei­dung des OLG über­zeugt. Das im Sach­ver­halt gewähl­te Kon­strukt ist kein Ein­zel­fall und eine ander­wei­ti­ge Ent­schei­dung hätte in vie­ler­lei Fäl­len zu erheb­li­chen, nicht gerecht­fer­tig­ten Haf­tungs­ri­si­ken geführt. Aber auch dog­ma­tisch ist dem Gericht ins­be­son­de­re dahin­ge­hend zu fol­gen, dass die haf­tungs­be­grün­den­den Umstän­de nicht bereits auf den Zeit­punkt der Grün­dung der Gesell­schaft vor­ver­la­gert und gleich­sam unter­stellt wer­den kön­nen.

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