Das LG Hamburg musste sich in seinem Beschluss vom 20.04.2023 — 304 T 15/23 damit auseinandersetzen, welche gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn ein Restrukturierungsplan nur Maßnahmen auf der Gesellschaftsebene festlegt, die grundsätzlich einer Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung (Mehrheit von 75 %) unterliegen.
Sachverhalt
An der Schuldnerin sind die Gesellschafter A mit 66,6 % und der B mit 34,4 % beteiligt. Ihr Zweck war die Errichtung und anschließende Veräußerung von vier Wohneinheiten in Hamburg. Die Umsetzung des Vorhabens geriet ins Stocken. U. a. war eine Darlehensforderung von 500.000 € kurzfristig zurückzuführen. Die Gesellschafter stritten und konnten sich nicht über die weitere Finanzierung der Gesellschaft einigen.
Der Geschäftsführer zeigte daraufhin für die Schuldnerin beim zuständigen AG die geplante Umsetzung eines Restrukturierungsvorhabens an und beantragte die Bestätigung eines Insolvenzplans nach §§ 60, 65 StaRUG. Der Restrukturierungsplan sah vor, die fällig werdende Forderung im Rahmen eines Debt-to-Equity-Swaps in Geschäftsanteile umzuwandeln. Eine Zustimmung der Gesellschafter in Beschlussform holte der Geschäftsführer zuvor nicht ein. Vielmehr erklärte er, dass das Restrukturierungsziel erwartungsgemäß nur gegen den Widerstand von B durchgesetzt werden könne. B seinerseits behauptete mittels des Plans aus der Gesellschaft gedrängt werden zu sollen.
Das zuständige AG Hamburg[2] hob das Restrukturierungsverfahren unter anderem mit der Begründung auf, die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens nach § 31 StaRUG sei infolge mangelnder Vertretungsmacht des Geschäftsführers unwirksam. Vor Einreichung der Anzeige hätte der Geschäftsführer einen Gesellschafterbeschluss einholen müssen, was er aber nicht getan habe. Die Beschränkung aus dem gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis schlage auch auf das Außenverhältnis durch. Der hiergegen eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.
Entscheidung: Verfahren ist aufzuheben
Das LG bestätigte die Entscheidung des AG. Die Anzeige nach § 31 StaRUG sei mangels ausreichender Vertretungsmacht des Geschäftsführers der Schuldnerin nicht wirksam eingereicht worden. Das gesellschaftsrechtlich bindende Erfordernis einer Zustimmung durch die Gesellschafter wirke vorliegend im Außenverhältnis der Gesellschaft fort. Zwar setze sich das LG mit dieser Bewertung in Widerspruch zu zahlreichen Literaturmeinungen.
Der vorgelegte Restrukturierungsplan sähe ausschließlich gesellschaftliche Maßnahmen für eine Sanierung vor. Diese fielen in die alleinige Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung und unterlägen einem Mehrheitserfordernis von 75 %. Es sei nicht Zweck des StaRUG, gesellschaftsrechtliche Zustimmungserfordernisse durch Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens zu unterlaufen und auszuhöhlen.
Das Gericht sei auch berechtigt, die Einhaltung eines gesellschaftsrechtlichen Zustimmungserfordernisses zu prüfen, da das Restrukturierungsgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln habe, die für das Verfahren in Restrukturierungssachen von Bedeutung sind. Hierzu zähle auch die Wirksamkeit der Antragstellung.
Eine Analogie zu § 18 InsO, wonach bei drohender Zahlungsunfähigkeit die gesellschaftsinterne Zustimmung nicht durch das Gericht zu prüfen sei, scheide aus. Die unterschiedliche Behandlung sei deshalb gerechtfertigt, weil bei einem Insolvenzantrag der zugrundeliegende Gesellschafterbeschluss keine Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags sei, während die Amtsermittlungspflicht des Restrukturierungsgerichts nach § 39 Abs. 1 StaRUG eine wirksame Anzeige nach § 31 StaRUG erfordere.
Rechtliche Würdigung
Der Entscheidung des LG Hamburg ist uneingeschränkt zuzustimmen. Zumindest vereinzelt wird immer wieder Versuch getätigt, Gesellschafterstreitigkeiten über insolvenzrechtliche Maßnahmen zu lösen. Zwar ist festzustellen, dass Gesellschafterstreitigkeiten immer wieder Hürden für erfolgreiche Sanierungen sind, die übersprungen werden müssen. Das StaRUG darf aber mit seinen bewusst schlank gehaltenen Vorgaben nicht zum Instrument dafür werden, die regelmäßig bewusst geschaffene Sperrminorität von Gesellschaftern auszuhebeln.