Ein von einem Geschäftsführer gestellter Eigeninsolvenzantrag kann von einem anderen Geschäftsführer nicht wirksam zurückgenommen werden, wenn aufgrund streitiger Vertretungsverhältnisse nicht feststellbar ist, ob der die Rücknahme Erklärende im Zeitpunkt der Rücknahme zur alleinigen Vertretung berechtigt ist (LG Lübeck, Beschluss vom 8.1.2024 – 7 T 208/23).
Sachverhalt
Für die Schuldnerin sind im Handelsregister A und B als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer eingetragen. Mit Schriftsatz vom 4.10.2022 stellte A für die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schriftsatz vom 12.10.2022 widersprach B für die Schuldnerin der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 21.10.2022 ordnete das Insolvenzgericht dennoch ein allgemeines Verfügungsverbot an. Die Schuldnerin nahm – wieder handelnd durch B – mit Schriftsatz vom 15.12.2023 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurück.
Bereits 2020 wurden verschiedene Gesellschafterbeschlüsse gefasst, in denen wahlweise A oder B als Geschäftsführer abberufen wurden. Diesbezüglich sind noch diverse Gerichtsverfahren anhängig. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 10.05.2023 das Insolvenzverfahren. Hiergegen hat die Schuldnerin, vertreten durch B, sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der A sei zur Vertretung nicht berechtigt gewesen und der Antrag durch B wirksam zurückgenommen worden. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidung LG Lübeck: Kein Rücknahmerecht
Die Beschwerdekammer des LG Lübeck wies die sofortige Beschwerde als zulässig, aber unbegründet zurück. Die Zulässigkeit ergebe sich daraus, dass die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor der Eröffnung selbst zurückgenommen habe, weshalb sie durch die Eröffnung beschwert sei.
Die Prüfungskompetenz des LG sei aber begrenzt. Im Rahmen der Beschwerde sei allein zu prüfen, ob das Antragsverfahren durch die erklärte Rücknahme beendet worden sei. Dies sei nicht der Fall. Entscheidend sei, ob der für die Schuldnerin antragstellende A auch im Zeitpunkt der Rücknahme des Antrags durch B noch zur Vertretung der Schuldnerin berechtigt gewesen sei. Wäre dies nicht der Fall, hätte B den Antrag wirksam zurücknehmen können. Diese Frage sei allerdings im Rahmen des Verfahrens vor dem Insolvenzgericht nicht zu klären. Zwischen A und B seien verschiedene Gerichtsverfahren anhängig, teils in erster, teils in zweiter Instanz, die sich sämtlich mit der Frage der Vertretungsbefugnis von A und B befassen. Dabei gehe es um rechtlich hochkomplexe Fragestellungen. Es sei deshalb für das Gericht nicht erkennbar und die Beantwortung dieser Frage auch nicht seine Aufgabe, wer zur Zeit der Antragstellung und der Rücknahme des Antrags tatsächlich vertretungsbefugt gewesen sei. Falls A bei Antragsrücknahme noch Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen sei, habe selbst bei einer Einzelvertretungsbefugnis des B auch nur A selbst den Antrag zurücknehmen können. Die rechtliche Unsicherheit gehe deshalb zulasten des B.
Rechtliche Würdigung
Das LG hat mit seiner überzeugenden Entscheidung eine nachvollziehbare Antwort auf die in der Literatur zunehmend umstrittene Frage gebracht, ob und wann ein Eigeninsolvenzantrag bei Personenverschiedenheit von antragstellendem und zurücknehmendem Geschäftsführer wirksam zurückgenommen werden kann.