Die Ermittlung des Schadens, der einem Altgläubiger aufgrund einer verspäteten Insolvenzantragstellung des Geschäftsführers entstanden ist, war Gegenstand des Urteils des OLG Brandenburg vom 2.2.2024 — 7 U 175/19.
Sachverhalt
Mit Beschluss vom 1.7.2015 wurde nach einem Eigenantrag vom 14.6.2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger machte gegen die beiden Beklagten als ehemaligen (faktischen) Geschäftsführer der Schuldnerin Ansprüche wegen angeblich verspäteter Insolvenzantragstellung geltend. Dabei behauptete er, dass die Schuldnerin spätestens zum 1.1.2015 zahlungsunfähig gewesen sei. Aufgrund der verspäteten Insolvenzantragstellung sei die Insolvenzmasse durch Lohnzahlungen in den Monaten Februar und März 2015 um 220.593,94 € reduziert worden. Diesen Betrag fordert der Kläger von den Beklagten. Bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung hätte der Kläger Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen können.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der geltend gemachte Schaden ohne Quotenberechnung zu leisten sei. Auf einen entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung hin, teilte der Kläger mit, dass am 1.1.2015 Altgläubigerverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 3.550.133,79 € bestanden hätten, dem aber ein vorhandenes Aktivvermögen von 3.069.874,40 € gegenüber standen, wovon Kosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von 182.463,56 € und 10.000 € für die Einlagerung von Unterlagen abzuziehen seien. Die Soll-Quote der Gläubiger zum 1.1.2015 betrage 81,05%.
Die Forderungen der Altgläubiger hätten sich zum 1.1.2015 auf 3.425.967,83 € belaufen. Ausgehend von den Gesamteinnahmen bis zum 12.9.2019 abzüglich streitiger Absonderungsrechte im Wert von 241.576,99 € und nach Abzug von Massekosten in Höhe von 519.789,52 € und unter Berücksichtigung von Forderungen, die nach dem 1.1.2015 entstanden seien hat der Gläubiger eine zu erwartende Quote der Altgläubiger von 11,72 % und aller Gläubiger von 7,43 % berechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, mit seiner Berufung hat der Kläger sein Ziel weiterverfolgt.
Entscheidung des OLG Brandenburg: Kein Anspruch des Insolvenzverwalters
Grundsätzlich sieht das OLG Brandenburg den Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO als erfüllt an. Die Klage scheitere aber, d der Kläger die Anspruchshöhe nicht ausreichend dargelegt habe.
Nach den Angaben der streitigen Parteien müsse man von einer Zahlungsunfähigkeit ab dem 1.12.2014 ausgehen. Eine vorherige Zahlungsunfähigkeit sei trotz verspäteter Zahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen für September und Oktober 2014 nicht zur Überzeugung des Gerichtes belegt.
Es obliege aber dem klagenden Insolvenzverwalter, eine ordnungsgemäße Schadensberechnung vorzulegen, aus der sich die negativen wirtschaftlichen Folgen einer verspäteten Insolvenzantragstellung ergebe. Dabei müsse der Kläger einen Quotenverringerungsschaden der Altgläubiger darlegen. Altgläubiger seien die Gläubiger, die ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben hätten, in dem der Insolvenzantrag – vorliegend der 1.12.2014 — durch ein Gesellschaftsorgan hätte gestellt werden müssen. Fehlerhaft habe der Kläger vorliegend nicht den fiktiven Verlauf des Insolvenzverfahrens dargelegt, insbesondere nicht zu den Liquidationswerten von Vermögensgegenständen Stellung genommen, sondern vielmehr die Verwertung des Vermögens zu Buchwerten fiktiv angenommen. Tatsächlich habe es aber erhebliche Abweichungen zwischen den Buchwerten und den tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten und Erlösen gegeben. Weiter habe der Kläger seiner Vortragsverpflichtung zu Aus- und Absonderungsrechten nicht erfüllt. Auch habe er die Gruppe der zu berücksichtigenden (Alt-)Gläubiger nicht ordnungsgemäß umrissen. Infolge dessen hat das OLG die Klage als unbegründet abgewiesen.
Rechtliche Würdigung
Der Entscheidung des OLG Brandenburg ist zu entnehmen, dass eine Anspruchsverfolgung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO in der Praxis wesentlich aufwendiger und schwieriger zu begründen ist als Ansprüche nach § 15b InsO. Vorliegend scheiterte die Darlegung durch den Insolvenzverwalter. Da das Gericht die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen für gegeben ansah, kommen Haftungsansprüchen gegen den Verwalter in Betracht, wenn er den Prozess fehlerhaft geführt hat. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn er die notwendigen Informationen hätte ermitteln können, um einen Schaden darzulegen.