Gläubiger einer GmbH wollen sich häufig nicht auf die Verfolgung von Ansprüchen gegen die Gesellschaft beschränken, wenn diese wirtschaftlich nicht realisierbar sind. In seinem Urteil vom 19.11.2019 — II ZR 233/18 hat der BGH darüber entschieden, inwieweit ein Gläubiger Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Satz 1 GmbHG verfolgen kann, d. h. § 64 Satz 1 GmbHG ein Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ist.
Sachverhalt
Im Jahr 2009 verfolgte der Kläger gegen die M‑GmbH (Schuldnerin) seinen Werklohnanspruch. Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Am 19.6.2009 wurde die DI-GmbH in das Handelsregister eingetragen, deren Geschäftsführer wiederum der Beklagte war. In der Folge kam es zu einer formwechselnden Umwandlung der Schuldnerin in die DI-GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die DI-GmbH war. Am 14.7.2009 wurde das Erlöschen der DI-KG in das Handelsregister eingetragen und am 15.7.2009 die Auflösung der DI-GmbH. Als Liquidator fungierte ebenfalls der Beklagte.
Mit Schriftsatz vom 27.1.2010 teilte der Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin im Prozess zwischen dem Kläger und der Schuldnerin mit, die Gesellschaft sei erloschen. Am 28.1.2010 erging ein Versäumnisurteil gegen die Schuldnerin, welches am 5.2.2010 den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellt wurde. Am 11.7.2010 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss.
Im Zeitraum 8.10.2009 bis 14.11.2011 nahm der Beklagte für die DI-GmbH verschiedene Auszahlungen vor. So u.a. auch auf verschiedene Rechnungen seiner Person in Höhe von insgesamt 28.278,99 € und einen Notar in Höhe von 521,22 €. Die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der DI-GmbH wurden am 7.5.2012 veröffentlicht.
Nachdem der Kläger 2011 Kenntnis von der Umwandlung hatte und die Zwangsvollstreckung erfolglos gegen die DI-GmbH betrieb, forderte er den Beklagten mit Schreiben vom 16.12.2013 zur Zahlung von 35.023,64 € auf, da dieser für die gegenüber der Schuldnerin titulierten Forderungen hafte. Der Beklagte bestreitet den Zugang des Schreibens. Der Kläger beantragte am 17.12.2013 den Erlass eines Mahnbescheides und gab dabei als Forderungsgrund „Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Zahlungsaufforderung vom 16.12.2013“ an. Am 11.1.2014 wurde, nach Korrektur der Adresse, der Mahnbescheid dem Beklagten zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das LG Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Das OLG Frankfurt am Main hat der Klage i. H. v. 28.278,99 € nebst Zinsen stattgegeben. Der Beklagte wendet sich gegen dieses Urteil mit der zugelassenen Revision.
Entscheidung des BGH: Kein Schutzgesetz
Der BGH verneint den Charakter des § 64 Satz 1 GmbHG als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn die Liquidation der Gesellschaft abgeschlossen ist. Der BGH unterscheidet dabei zwischen dem Anspruch der Gesellschaft nach § 64 Satz 1 GmbHG auf der einen Seite und der Insolvenzverschleppungshaftung, die die Gläubiger nach § 15 a InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB selbst geltend machen können. Durch letztgenannten Anspruch führe die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Insolvenzantragspflicht zu einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Er sei damit zur Erstattung des Schadens verpflichtet, der den Gläubigern durch die verspätete oder unterlassende Insolvenzantragstellung entstanden ist. 64 Satz 1 GmbHG erfülle dagegen aber keinen Deliktstatbestand, sondern sei eine eigenständige Anspruchsgrundlage bzw. ein „Ersatzanspruch eigener Art“. Im Insolvenzfalle mache der Insolvenzverwalter diesen geltend. Er diene der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse im Interesse der Gläubigergesamtheit und solle die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern. Auch im Zeitraum nach Abschluss der Liquidation ergebe sich nichts Anderes.
Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht auf § 31 Abs. 1 GmbHG stützen. Auch hier handele es sich um einen Anspruch, der der Gesellschaft zustehe und den der Kläger nicht selbst geltend machen könne. Insoweit könne man auch keine Analogie zu § 62 Abs. 2 AktG ziehen. Eine planwidrige Regelungslücke und eine mit der gesetzlichen Regelung des Aktiengesetzes vergleichbarer Sachverhalt seien nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe im GmbH-Recht die Pflicht des Gesellschafters das Stammkapital der Gesellschaft zu erhalten, auf eine Absicherung der Gesellschaft und damit einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter begrenzt. Es handele sich dabei nicht um eine planwidrige Regelungslücke.
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichtes folglich aufgehoben, aber die Angelegenheit zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Gericht könne nicht beurteilen, ob ein Anspruch nach § 73 Abs. 3 Satz 1 GmbHG bestünde. Infolge dessen müsse das Berufungsgericht noch die Haftung des Beklagten als Liquidator der GmbH prüfen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens die Verbindlichkeiten des Klägers gesetzwidrig nicht berücksichtigt habe. Der Beklagte habe sich selbst Gelder entnommen, in dem er sich eine Vergütung für eine bisher nicht erkennbare Tätigkeit ausgezahlt habe. Insoweit sei, so der BGH, nach den Ausführungen des Berufungsgerichts eine verdeckte Ausschüttung an den Beklagten möglicherweise zu bejahen. Hinsichtlich eines möglichen Anspruchs des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a InsO habe das Berufungsgericht zudem keine Feststellung zu einem ersatzfähigen Schaden vorgenommen.
Rechtliche Würdigung
Den Ausführungen des BGH zur Qualifizierung des Anspruchs nach § 64 Satz 1 GmbHG ist beizupflichten. Es handelt sich insoweit um einen Anspruch der Gesellschaft. Dieser kann nach der Liquidation auch nicht durch einen Gesellschaftsgläubiger geltend gemacht werden. Es verbleiben in der Praxis weitergehende Ansprüche, wie beispielsweise die Ansprüche gegen einen Liquidator als auch aus Insolvenzverschleppung, die einen ausreichenden Schutz der Gläubiger darstellen.