Das OLG München stellt sich in einem Urteil vom 5.3.2020 — 14 U 3393/17 offen gegen eine Entscheidung des OLG Stuttgart vom 31.7.2019 bezüglich der Frage, was die Voraussetzungen dafür sind, dass ein Insolvenzverwalter Ausschüttungen von Kommanditisten zurückfordern kann.
Sachverhalt
Der Beklagte war mit 40.000 € als Kommanditist an der Schuldnerin, einem Schiffsfonds, beteiligt. In den Jahren 2004 bis 2008 erhielt er Ausschüttungen von der Schuldnerin in einer Gesamthöhe von 18.010 €. Das Kapitalkonto des Beklagten wies zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausschüttungen einen Betrag aus, der unter der Hafteinlage lag. Im Rahmen von Sanierungsbemühungen zahlte der Beklagte 2010 einen Betrag i. H. v. 6.000 € an die Schuldnerin zurück.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Insolvenzverfahren meldeten 44 Gläubiger Forderungen an. Der Kläger fordert von dem Beklagten einen Betrag in Höhe von 12.010 €. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil hat er Berufung eingelegt.
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger näher zu den angemeldeten Forderungen ausgeführt. Durch den erfolgreichen Verkauf der beiden Schiffe der Schuldnerin seien erhebliche Mittel an die Insolvenzmasse geflossen. Aufgrund entsprechender Sicherungsrechte seien hiervon jedoch erhebliche Anteile an die finanzierenden Banken abgeführt worden. Nach diversen Korrekturen gab der Kläger den Kontostand für die Insolvenzmasse mit 4.705.159,41 € an. Im Rang des § 38 InsO seien Forderungen von 5.875.316,94 € und im Rang des § 39 InsO Forderungen von 1.398.843,26 € vorbehaltlos festgestellt worden. Von den Kommanditisten habe der Kläger bisher 7.128.570,04 € einziehen können. Offen seien noch Kommanditeinlagen von 896.53,62 €.
Entscheidung des OLG München: Anspruch des Insolvenzverwalters
Das OLG bestätigt die Entscheidung des LG und spricht dem Kläger einen Anspruch auf 2.010 € nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB zu. Nach § 171 Abs. 2 HGB sei der Kläger als Insolvenzverwalter berechtigt, die Ansprüche gegen die Kommanditisten zu verfolgen. Weiter seien die Ausschüttungen als Rückzahlung der Hafteinlage zu qualifizieren, da das Kapitalkonto zum Zeitpunkt der Auszahlungen unter dem Betrag der Hafteinlage gelegen habe.
Der Kläger habe auch ausreichend dargelegt, dass es der Zahlung des Beklagten bedarf. Es sei hierfür ausreichend, wenn ein klagender Insolvenzverwalter unter Vorlage der Tabellenstatistik vortrage. Der Kläger habe Forderungen in einer Gesamthöhe von 7.274.159,75 € als zur Tabelle unbedingt festgestellt dargelegt. Diese Summe sei wesentlich höher als der Betrag, den der Kläger vorliegend mit der Klage verfolge. Die einzelnen Forderungen müssten durch den klagenden Insolvenzverwalter nicht konkreter dargestellt werden. Die Forderungen seien zudem widerspruchslos zur Insolvenztabelle angemeldet. Aus dem Vergleich zwischen den festgestellten Forderungen und der vorhandenen Masse ergebe sich zudem die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme des Beklagten. Ohne eine solche könne keine weitergehende Befriedigung der Insolvenzgläubiger erfolgen. Anderweitiges hätte der Beklagte vorzutragen und zu beweisen. Es sei entgegen dem OLG Stuttgart auch nicht entscheidend, ob mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, ob die Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Befriedigung notwendig sei. Vielmehr, so das OLG München, bedürfe es der vollen Überzeugung des Gerichts, dass eine Inanspruchnahme gerade nicht notwendig ist.
Der klagende Insolvenzverwalter müsse auch nicht darlegen, wie er die vereinnahmten Beträge verwendet habe. Unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter die von ihm vereinnahmten Beträge ordnungsgemäß verwendet habe, stehe jedenfalls tatsächlich kein ausreichender Betrag zur Befriedigung sämtlicher Insolvenzgläubiger zur Verfügung. Die Ansprüche der Insolvenzgläubiger würden auch nicht durch eine ggf. fehlerhafte Verwendung von eingezogenen Geldern tangiert. In diesem Zusammenhang führt das OLG München aus, es sei in seinen Augen nicht richtig, dass es dem Insolvenzverwalter jedenfalls ausnahmslos untersagt sei, eingezogene Kommanditeinlagen zur Begleichung von Masseverbindlichkeiten zu verwenden. Zwar finde eine Sonderzuordnung der eingezogenen Kommanditeinlagen statt, es handele sich aber insoweit nicht um eine Sondermasse. Die Sonderzuordnung wirke sich lediglich rechnerisch aus. Der Verwalter müsse den Betrag so verwalten, dass diejenigen Gläubiger begünstigt würden, denen der Kommanditist gegenüber hafte. Meist handele es sich hierbei – wie vorliegend auch — um sämtliche Insolvenzgläubiger. Eine Ausnahme komme regelmäßig nur dann in Betracht, wenn ein Kommanditist bereits in der Vergangenheit ausgeschieden sei, was bei dem Beklagten nicht der Fall sei. Das Insolvenzverfahren würde im Interesse der Insolvenzgläubiger durchgeführt. Daher entstünden Verfahrenskosten im Interesse der Insolvenzgläubiger. Jedenfalls müssten Aufwendungen, die bei der Verfolgung von Ansprüchen gegen Kommanditisten entstünden, aus Mitteln, die durch den erfolgreichen Einzug generiert würden, ausgeglichen werden können.
Rechtliche Würdigung
In seiner Entscheidung setzt sich das OLG München über den konkreten Einzelfall hinaus mit Fragen zur Anspruchsverfolgung gegen Kommanditisten auseinander. Das Gericht stellt sich bewusst in Teilen gegen Auffassung des OLG Stuttgart. Es wird zu beobachten sein, ob der BGH sich dem vom OLG München angenommenen Widerspruch in der Rechtsprechung annehmen wird und wie er den Widerspruch auflöst.