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Schutz aus D&O‑Versicherung bei verspäteter Insolvenzantragstellung

Das OLG Frank­furt am Main hatte in sei­nem Urteil vom 5.3.2025 — 7 U 134/23 zu ent­schei­den, ob der D&O‑Versicherer Ver­si­che­rungs­schutz gewäh­ren muss, nach­dem der ver­si­cher­te Geschäfts­füh­rer nach § 64 S. 2 GmbHG a.F. zur Zah­lung ver­ur­teilt wurde.

Sach­ver­halt

Der Klä­ger wurde mit Beschluss des zustän­di­gen Gerich­tes vom 28.3.2018 zum Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der A GmbH (Schuld­ne­rin) bestellt, deren allei­ni­ger Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer der Hand­werks­meis­ter B war.

Dem Insol­venz­ver­fah­ren ging eine wirt­schaft­li­che Krise der Schuld­ne­rin vor­aus. Wegen rück­stän­di­ger Steu­ern und Abgaben für den Zeit­raum 10.1.2016 bis 10.5.2016 wurde die Zwangs­voll­stre­ckung gegen die Schuld­ne­rin betrie­ben. Dabei hatte das FA wegen bestehen­der Rück­stän­de und nach­hal­ti­ger Ver­let­zung steu­er­li­cher Pflich­ten gedroht, die Gewer­be­be­hör­den zu infor­mie­ren. Das ent­spre­chen­de Schrei­ben war an B per­sön­lich gerich­tet. Im Janu­ar 2017 voll­streck­te das FA wegen For­de­run­gen aus dem Zeit­raum 10.11.2016 bis 10.4.2017 gegen die Schuld­ne­rin. Eine wei­te­re Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nah­me betraf den Zeit­raum 10.5.2017 bis 10.7.2017. Am 30.6.2017 waren zudem die Rech­nung eines Auto­hau­ses, Bei­trä­ge zur Berufs­ge­nos­sen­schaft und zur Kran­ken­kas­se rück­stän­dig, die sich zusam­men mit der For­de­rung des FA auf 47.950,72 € belie­fen. Am 26.1.2018 kam es zu Bar­ent­nah­men aus der Kasse in Höhe von 37.949,20 €. Am 27.9.2017 wurde dann ein Fremd­an­trag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens gestellt, der durch Zah­lung von Rück­stän­den aber abge­wen­det wurde. Wei­ter erwirt­schaf­te­te die Schuld­ner 2018 ein nega­ti­ves Betriebs­er­geb­nis von 64.609,87 € und 2017 ein nega­ti­ves Betriebs­er­geb­nis von 30.843,11 €. Die Geschäfts­jah­re 2015 und 2016 wur­den jeweils mit posi­ti­ven Betriebs­er­geb­nis­sen abge­schlos­sen.

Der Klä­ger ver­klag­te B nach § 64 GmbH a. F. auf Ersatz von Aus­zah­lun­gen, die nach Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe durch die Schuld­ne­rin erfolg­ten. Mit rechts­kräf­ti­gem Ver­säum­nis­ur­teil vom 9.4.2020 wurde B antrags­ge­mäß ver­ur­teilt. In der Folge hat der Klä­ger die Ansprü­che des B gegen den Beklag­ten, einem D&O‑Versicherer, gepfän­det. Der Beklag­te unter­hielt einen D&O‑Versicherungsvertrag, in dem B als ver­si­cher­te Per­son ein­be­zo­gen war.

Der Beklag­te lehn­te Leis­tun­gen man­gels einer Leis­tungs­ver­pflich­tung ab. B, so die Behaup­tun­gen des Beklag­ten, habe wis­sent­lich die Kar­di­nal­pflich­ten aus § 15a InsO bzw. § 64 S. 1 GmbHG a.F. ver­letzt, so dass der Beklag­te von sei­ner Leis­tungs­pflicht frei sei.

Die Klage hatte vor dem LG Erfolg. Mit der Beru­fung begehr­te der Beklag­te die Auf­he­bung des Urteils und die Zurück­wei­sung der Klage.

Ent­schei­dung des OLG Frank­furt a.M.: berech­tig­te Leis­tungs­ab­leh­nung

Das OLG Frank­furt a.M. folgt dem Beklag­ten in der recht­li­chen Bewer­tung. Bei einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung, wie sie vor­lie­gend anzu­neh­men sei, sehe der Ver­si­che­rungs­ver­trag vor, dass der Beklag­te nicht leis­ten müsse. Eine Leis­tungs­frei­heit sei dann gege­ben, wenn der Ver­si­cher­te eine Pflicht­ver­let­zung in dem Bewusst­sein der Pflicht und in dem Bewusst­sein, sich nicht pflicht­ge­mäß zu ver­hal­ten, began­gen habe. Das Vor­lie­gen sol­cher Umstän­de müsse der Ver­si­che­rer dar­le­gen. Dazu habe der Ver­si­che­rer zunächst einen Sach­ver­halt vor­zu­tra­gen, der auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung durch die ver­si­cher­te Per­son hin­deu­te. Würde sich aus dem Vor­trag die Ver­let­zung ele­men­tar­e­rer beruf­li­cher Pflich­ten erge­ben, deren Kennt­nis nach der Erleb­nis­er­fah­rung bei einem Berufs­an­ge­hö­ri­gen vor­aus­ge­setzt wer­den kann, so müss­ten im Wei­te­ren nicht noch wei­te­re Indi­zi­en vor­ge­tra­gen wer­den, die auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung hin­wei­sen. Viel­mehr könne dann von dem äußer­li­chen Gesche­hens­ab­lauf und dem Aus­maß des objek­ti­ven Pflich­ten­ver­sto­ßes auf die inne­ren Umstän­de bei dem Ver­si­cher­ten geschlos­sen wer­den.

Diese Umstän­de sieht das OLG Frank­furt a.M. für gege­ben an. B habe eine Kar­di­nal­pflicht ver­letzt, da er bei Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe kei­nen Insol­venz­an­trag gestellt habe, son­dern sich viel­mehr ent­schloss, die Geschäf­te wei­ter zu füh­ren. Das Gericht qua­li­fi­ziert dabei die Insol­venz­an­trags­pflicht als Kar­di­nal­pflicht. B habe mit der ver­letz­ten Rechts­norm eine zen­tra­le, fun­da­men­ta­le Grund­re­gel miss­ach­tet.

Es han­de­le sich zudem um das Ele­men­tar­wis­sen eines Geschäfts­füh­rers, dass er sich jeder­zeit über die wirt­schaft­li­che Lage der Gesell­schaft infor­mie­ren müsse. Würde er erken­nen, dass die Gesell­schaft nicht mehr in der Lage ist, die Ver­bind­lich­kei­ten voll­stän­dig zu bedie­nen, so sei er ver­pflich­tet, mit­hil­fe einer Liqui­di­täts­bi­lanz die Zah­lungs­fä­hig­keit zu über­prü­fen. Das OLG Frank­furt a.M. sieht ins­be­son­de­re in dem „blind in die Krise segeln“ die Ver­let­zung einer Kar­di­nal­pflicht. Im vor­lie­gen­den Fall sei durch die gehäuf­ten Zwangs­voll­stre­ckun­gen und die ver­spä­te­ten Zah­lun­gen und die bestehen­den Zah­lungs­rück­stän­de von einer vor dem Insol­venz­an­trag lie­gen­de Zah­lungs­un­fä­hig­keit aus­zu­ge­hen. B habe sich bewusst die­sen Umstän­den ver­schlos­sen.

Ent­las­ten könne B auch nicht der Umstand, dass er als Hand­werks­meis­ter tätig sei. Als sol­cher habe er schon im Rah­men der Prü­fung nach­zu­wei­sen, dass er in der Lage sei, ein Unter­neh­men zu füh­ren.

Das OLG folgt dem Klä­ger nicht, wenn die­ser die Mei­nung ver­tritt, es sei zwi­schen dem Ver­stoß gegen die Insol­venz­an­trags­pflicht auf der einen Seite und dem Zah­lungs­ver­bot nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. zu unter­schei­den. Von der Ver­let­zung der Antrags­pflicht sei auf einen Cha­rak­ter des § 64 S. 1 GmbHG a.F. als Kar­di­nal­pflicht zu schlie­ßen. Ein Ver­stoß gegen die Mas­seer­hal­tungs­pflicht sei meist ursäch­lich auf einen Ver­stoß gegen die Insol­venz­an­trags­pflicht zurück­zu­füh­ren. Das OLG Frank­furt a.M. ver­kennt dabei nicht die bestehen­de Dis­kus­si­on zu dem Thema, schließt sich aber der Ansicht an, die in der Ver­let­zung der Insol­venz­an­trags­pflicht die wesent­li­che Ursa­che der Mas­se­schmä­le­rung sieht, da durch das schuld­haf­te Unter­las­sen der Antrag­stel­lung die Mas­se­si­che­rungs­maß­nah­men ver­hin­dert wür­den. Folg­lich, so dass OLG, liege in dem Ver­stoß gegen das Mas­se­schmä­le­rungs­ver­bot in aller Regel auch ein Ver­stoß gegen die Insol­venz­an­trags­pflicht.

Soweit der Insol­venz­ver­wal­ter ange­führt habe, die erhöh­ten Dar­le­gungs­las­ten könne er man­gels Infor­ma­tio­nen nicht erfül­len, so wird er durch das OLG Frank­furt am Main auf die Auskunfts- und Mit­wir­kungs­pflich­ten des B im Insol­venz­ver­fah­ren ver­wie­sen. So könne er sich die not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen ein­ho­len.

Recht­li­che Wür­di­gung

Das OLG Frank­furt a.M. begrün­det seine Ent­schei­dung nach­voll­zieh­bar, wenn man die Recht­spre­chung und bestehen­de Dis­kus­si­on betrach­ten. Aller­dings wird es span­nend zu beob­ach­ten sein, wie die Ver­si­che­rer auf der­ar­ti­ge Ent­schei­dun­gen reagie­ren. Bereits in der Ver­gan­gen­heit war ein­mal eine stren­ge Aus­le­gung ein­zel­ner Ver­si­che­rer zum Ver­si­che­rungs­schutz zu beob­ach­ten, nach der im Insol­venz­fall der Ver­si­che­rungs­schutz ver­wehrt wer­den könne. Diver­se Ver­si­che­rer hat­ten sodann Erklä­run­gen abge­ge­ben, dass sie auch für Aus­ein­an­der­set­zun­gen nach § 64 GmbHG a.F. – heute § 15b InsO — Ver­si­che­rungs­schutz gewäh­ren.

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