Das FG München (Urteil vom 10.3.2021 – 3 K 1123/19) musste einen Streit entscheiden, ob der Beklagte (FA) den Kläger als Geschäftsführer zurecht für Umsatzsteuerrückstände einer GmbH & Co. KG für den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum Januar 2015 in Haftung genommen hatte .
Sachverhalt
Kommanditisten der A KG war u.a. der Kläger. Persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A KG war die B Verwaltungs-GmbH. Geschäftsführer war u.a. der Kläger.
Am 23.1.2015 stellte der Kläger den Insolvenzantrag über das Vermögen der A KG wegen Zahlungsunfähigkeit. Über das Vermögen der A KG wurde dann durch Beschluss vom 19.2.2015 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Über das Vermögen der A KG wurde am 2.4.2015 und über das Vermögen der A Verwaltungs-GmbH am 9.4.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Noch am 11.2.2015 meldete der Steuerberater der A KG beim FA für Januar 2015 keine Umsätze, aber Vorsteuerbeträge in Höhe von 10.500 € an. Dieses Guthaben wurde vom FA am 23.2.2015 ausbezahlt. Ausweislich des Vorbringens des Steuerberaters hat er von der Stellung des Insolvenzantrags erst am 18.2.2015 erfahren.
Mit Bescheid vom 7.5.2015 setzte das FA die Umsatzsteuer der A KG für den Januar 2015 fest; durch die erstattete Vorsteuer in Höhe von 10.500 € ergab sich eine Abschlusszahlung. Mit Schreiben vom 30.9.2015 teilte der Steuerberater der A KG dem FA mit, dass die dem insgesamt geltend gemachten Vorsteuerabzug zugrundeliegenden Entgelte in Höhe von 10.000 € unbezahlt geblieben seien und dass diese im Wesentlichen auf Leistungen beruhten, welche der Kläger gegenüber der Schuldnerin erbracht hatte.
Nachdem die Rückstände bei der A KG nicht mehr beigetrieben werden konnten, nahm das FA den Kläger mit Haftungsbescheid vom 18.11.2015 als Geschäftsführer der A Verwaltungs-GmbH nach § 69 AO für den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum Januar 2015 in Höhe von 10.000 € in Haftung. Dagegen war der Einspruch des Klägers gerichtet. Das FA hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage eingereicht.
Entscheidung des FG München: Haftung des Geschäftsführers
Nach Ansicht des FG hat das FA den Kläger zurecht nach §§ 69 Satz 1, 34 AO in Anspruch genommen. Es seien zu Unrecht für den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum Januar 2015 Vorsteuerbeträge aus uneinbringlichen Eingangsrechnungen geltend gemacht worden.
Das FA habe berücksichtigt, dass die Inanspruchnahme einer zweigliedrigen Entscheidung bedürfe. Ein FA habe zunächst zu prüfen, ob in der Person, die in Anspruch genommen werden soll, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Insoweit sei die Entscheidung einer vollen gerichtlichen Prüfung zugänglich. Daran schließe sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es in Anspruch nehmen will. Hier sei wieder zweistufig in einem Entschließungs- und einem Auswahlermessen zu entscheiden. Diese zweite Stufe könne durch ein FG nur darauf geprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Zunächst treffe die Pflicht zur Abgabe fristgerechter und zutreffender Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die A KG den Kläger als Geschäftsführer der für die Geschäftsführung der A KG verantwortlichen A Verwaltungs-GmbH. Im Streitfall habe der Kläger mit der Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Januar 2015 auch überwiegend pflichtwidrig gehandelt. Der Kläger hätte unschwer erkennen können, dass die A KG die diesen Vorsteuerbeträgen zugrundeliegenden Eingangsrechnungen zu einem großen Teil nicht mehr bezahlen würde. Damit sei die Umsatzsteuer-Voranmeldung objektiv unrichtig gewesen. Uneinbringlich sei ein Entgelt i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Allgemein sei von einer solchen Uneinbringlichkeit spätestens mit der Bestellung eines sogenannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt auszugehen. Die Stellung eines Insolvenzantrags reiche für sich nicht zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus. Uneinbringlichkeit könne allerdings auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird. Dies gelte insbesondere, wenn der Insolvenzschuldner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe und einer der Insolvenzgründe nach § 17 und § 19 InsO gegeben sei. Beantragt daher der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so sei in diesem Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Uneinbringlichkeit gegeben.
So sei es im Streitfall. Der Kläger habe als Geschäftsführer der für die Geschäftsführung der A KG verantwortlichen A Verwaltungs-GmbH den Insolvenzantrag gestellt. Deshalb sei hier von einer Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung auszugehen gewesen. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger selbst gegenüber dem Insolvenzverwalter den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf den 14.11.2014 datiert habe.
An dieser Bewertung ändere auch nichts, dass nicht der Kläger selbst, sondern der von ihm beauftragte Steuerberater diese Umsatzsteuer-Voranmeldung beim FA eingereicht hatte. Der Kläger habe es pflichtwidrig unterlassen, den Steuerberater über den von ihm gestellten Insolvenzantrag zu unterrichten. Der Steuerberater sei damit gar nicht erst in die Lage versetzt worden, zu prüfen, ob die in dieser Umsatzsteuer-Voranmeldung geltend gemachten Vorsteuern wegen des gestellten Insolvenzantrags rechtmäßig geltend gemacht werden.
Ermessensfehler des FA seien zudem nicht zu erkennen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des FG München ist nachvollziehbar. Der Geschäftsführer war umfassend über die Situation unterrichtet und hätte die Steuererstattung durch das FA verhindern müssen.